Ortygia (Syrakus)
Ortygia (ital. Ortigia; altgriechisch Ὀρτυγία) ist der Name einer kleinen Insel vor der Ostküste Siziliens, die das historische Zentrum der Stadt Syrakus bildet und nur durch eine wenige Meter breite Durchfahrt vom Festland getrennt ist. Sie bedeckt eine Fläche von knapp einem Quadratkilometer und hat rund 4.500 Einwohner. Die aus Kalkstein bestehende Insel schließt die Bucht, die den natürlichen Hafen der Stadt bildet, nach Nordwesten hin ab und ist heute durch zwei Brücken mit der sizilianischen Hauptinsel und dem übrigen Gebiet Syrakus’ verbunden. Auch am nördlichen Ende der Insel, zum Ionischen Meer, befindet sich ein kleiner Hafen.
Der griechische Name der Insel (altgriechisch Ὀρτυγία ‚Wachtelinsel‘, zu ὄρτυξ ortyx, deutsch ‚Wachtel‘) ist ein Beiname der Göttin Artemis, die auf einer Insel dieses Namens geboren sein sollte. Meistens wurde die Insel Delos als dieser Ort identifiziert. Pausanias beschreibt die sizilianische Insel als mythischen Zufluchtsort der Nymphe Arethusa, die sich hier in eine Quelle verwandelt habe.[1] Diese Quelle wird als Fonte Aretusa in einem 1847 gefassten Brunnen noch heute gezeigt.
Geschichte
Erste spärliche Belege für menschliche Besiedlung Ortygias, die unter der Piazza del Duomo zum Vorschein kamen, stammen eventuell noch aus dem Neolithikum.[2] Es handelt sich dabei um einige Splitter und Werkzeuge aus Obsidian, sowie ein am nahe gelegenen Palazzo Beneventano del Bosco entdecktes Keramikfragment eines Gefäßes geschlossener Form. Mehr und sicher datiertes Material stammt aus der frühen Bronzezeit und ist der Castelluccio-Kultur (ca. 2200–1500 v. Chr.) zuzurechnen.[3] Funde aus der mittleren Bronzezeit, darunter Reste von Rundhütten aus dem 14. vorchristlichen Jahrhundert, zeigen enge Verbindungen zur Thapsos-Kultur (ca. 1450–1270 v. Chr.), die nach dem Fundort Thapsos benannt ist. Die Mitte des achten Jahrhunderts v. Chr. folgende Kolonisation durch Griechen, mutmaßlich aus Korinth, war nicht mit Gewalt verbunden, wenn man dem Bericht des Thukydides glaubt, nach dem die ursprünglichen sikelischen Bewohner die Insel zur Zeit der griechischen Besiedlung verließen und sich ins sizilianische Landesinnere zurückzogen. Die günstige Lage des Ortes beförderte den Aufstieg von Syrakus zur vorherrschenden Kolonie der sizilianischen Ostküste: Durch die Insellage galt der Ort als sicher, das Vorhandensein von Quellen garantierte die Trinkwasserversorgung, und die Bucht ermöglichte die Anlage eines sicheren Hafens. Schon in antiker Zeit wurde die Stadt durch einen Damm mit der sizilianischen Küste verbunden.
Bereits in griechischer Zeit bekleidete Ortygia die Rolle des politischen und administrativen Zentrums von Syrakus, die sie in der weiteren Geschichte der Stadt beibehielt. Auf der Insel befanden sich Residenzen der Herrscher der Stadt, so von Dionysios I. und Hieron II.
Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert war die Insel von gewaltigen Mauern umgeben, die sie zu einer stark bewehrten Festung machten.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann ein zunehmender Fortzug der Wohnbevölkerung von der Insel, der mit einem Anstieg der Kriminalität und einem gewissen Verfall einherging. Einer Reihe von städtischen Projekten gelang jedoch die Reurbanisierung durch Restaurierungsarbeiten und die Ansiedlung touristischer Infrastrukturen wie Hotels und einem Museum. Seit 1976 steht Ortygia durch ein Gesetz der sizilianischen Regionalversammlung unter Denkmalschutz.[4]
Stadtviertel Ortygias
Ortygia gliedert sich in folgende kleine historische Viertel:
- Graziella (siz. Razziedda)
- Bottari (Ùttari)
- Mastrarua (Masciarrò)
- Spirduta (Spidduta)
- Maestranza (Mascianza)
- Duomo (Domu)
- Giudecca (Jureca)
- Turba (Tubba)
- Castello Maniace (Casteddu)
Wichtigste Sehenswürdigkeiten
- Castello Maniace (1232–1240)
- Apollontempel (6. Jh. v. Chr.)
- Dom (7. Jh., Fassade 1728)
- Museo Regionale di Palazzo Bellomo
- Artemis-Brunnen (1906)
- Porta Urbica (6./5. Jh. v. Chr.)
- Palazzo del Vermexio, Sitz der Stadtverwaltung (1628–1632)
- Kirche San Martino
- Kirche Santa Lucia alla Badia
- Kirche Spirito Santo
- Palazzo Beneventano del Bosco (1779–1788)
- Palazzo Mergulese-Montalto
Galerie
- Äußeres des Castello Maniace
- Inneres des Castello Maniace
- Apollon-Tempel
- Der Dom
- Piazza Archimede mit Artemis-Brunnen
- Fonte Aretusa
- Kirche Santa Lucia alla Badia
- Chiesa dello Spirito Santo
- Kirche Spirito Santo
- Palazzo Beneventano-Del Bosco
- Seitengasse in der Altstadt
Weblinks
- Seite über Ortigia (ital.)
- Webpräsenz des Projekts „Unterirdisches Ortygia“ (ital.)
Einzelnachweise
- Paus. 5.7.2 und Paus. 8.54.3 (engl. Übersetzung)
- Anita Crispino: Materiali dall'età preistorica all'età ellenistica. in: Giuseppe Voza (Hrsg.): Siracusa 1999. Lo scavo archeologico di Piazza Doumo., Lombardi, Palermo 1999, S. 21.
- Anita Crispino: Materiali dall'età preistorica all'età ellenistica. in: Giuseppe Voza (Hrsg.): Siracusa 1999. Lo scavo archeologico di Piazza Doumo., Lombardi, Palermo 1999, S. 21 und Abbildungen S. 22.
- Gesetz der Region Sizilien zum Schutz der Insel (ital.)