Orde Wingate
Orde Charles Wingate DSO mit zwei Spangen (* 26. Februar 1903 in Naini Tal bei Almora, Britisch-Indien; † 24. März 1944 in Manipur, Britisch-Indien) war ein britischer Generalmajor, Kommandeur der Spezialeinheit Chindits im kolonialen Burma und ein christlich motivierter Zionist[1][2][3] im britischen Mandatsgebiet Palästina. Der spätere israelische General Mosche Dajan[1] erwarb von ihm Kenntnisse in Kriegsführung. Wingates einseitige Sympathien für die Sache der Zionisten führten dazu, dass ihn seine Vorgesetzten aus Palästina abzogen.[1] Der Historiker Neil Caplan bezeichnet ihn als christlichen Fundamentalisten.[3]
Leben
Wingate wurde am 26. Februar 1903 im indischen Naini Tal in eine Familie mit militärischer Tradition geboren – u. a. Onkel zweiten Grades war der General Reginald Wingate. Seine Eltern waren Angehörige der Brüderbewegung und erzogen ihn nach deren strengen Regeln. Ab 1916 besuchte er die Charterhouse School in Godalming. Ab 1921 besuchte er die Royal Military Academy in Woolwich.[1] Nach seinem Abschluss trat er im August 1923 in die Royal Artillery ein.
Ab Oktober 1926 besuchte er mit gutem Erfolg einen Arabischkurs an der School of Oriental Studies in London. Ab April 1928 befehligte er eine Kompanie der Sudan Defense Force. 1932 unternahm er mit Unterstützung der Royal Geographical Society eine Kamelexpedition in die libysche Wüste. 1933 kehrte er nach Großbritannien zurück, wo er am 24. Januar 1935 Lorna Moncrieff Patterson heiratete, nachdem er eine bereits bestehende Verlobung gelöst hatte. Aus der Ehe ging der Sohn Orde Jonathan Wingate hervor, der nach dem Tod seines Vaters geboren wurde. Der kleingewachsene[1] Mann galt als Exzentriker.[1][3]
Im September 1936[1] wurde er als Generalstabs-[1] und Geheimdienstoffizier[1] vom Anglo-Ägyptischen Sudan[1] ins Mandatsgebiet Palästina versetzt, wo er ab April 1938[1] die Special Night Squads, eine aus britischen Soldaten und Mitgliedern der Jewish Settlement Police gebildete paramilitärische Kommandoeinheit, anführte. Hier war er während dem Arabischem Aufstand vor allem im Norden tätig, in Galiläa und vor allem in der Region um die Berge Tabor und Gilboa. Seine Aktionen wurden meist nachts[1] und mit großer Brutalität[1] durchgeführt. Nach dem Einsatz las er den Soldaten meist aus der Bibel vor.[1] Seine Haltung war offenkundig und zeigte sich z. B. darin, dass die Hagana ihn mit dem Decknamen HaYadid[1] (dt. der Freund) bedachte. Im Mai 1939[1] äußerte sich Wingate öffentlich zugunsten eines jüdischen Staates,[1] zu einem Zeitpunkt, als die offizielle Haltung Britanniens dieses Projekt abzulehnen begann, was ihm harsche Kritik seiner militärischen Vorgesetzten einbrachte und zu seiner Strafabberufung[1] nach England führte. Ihm wurde der Vorwurf gemacht, er habe vergessen,[1] dass er ein Offizier im Dienst der britischen Krone war. Es wurden auch Gerüchte verbreitet, Wingate sei jüdisch.[1]
Wingates radikale Hinwendung zum Zionismus vollzog sich in wenigen[2] Wochen und war nicht ideologisch fundiert. Gegenüber dem Jischuv-Funktionär David Hacohen,[1] der ihn fragte, welche zionistischen Schriften er denn gelesen habe, gab Wingate an: „Es existiert nur ein wichtiges Buch zu dem Thema, und ich kenne es durch und durch, nämlich die Bibel!“[1] Besonders fühlte er sich dem Kibbuz En Harod verbunden. Dieser lag zum einen strategisch günstig, hatte für ihn aber auch eine biblische Bedeutung (Richterbuch 7,1): „En Harod übte auch eine besondere geistliche Anziehung auf Wingate aus: hier... lag Gideons Grab.“[4] Seine Liebe zu Zion gründete sich auf das eifrige Studium des Alten Testaments.[5] Er beherrschte neben Arabisch auch Hebräisch.[1]
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schuf er im Sudan die Gideon Force, die ab Februar 1941 Guerillaaktionen gegen die italienische Besatzungsmacht in Äthiopien unternahm. Für seine Leistungen während der Kampagne in Ostafrika wurde er mit einer Spange zum Distinguished Service Order ausgezeichnet.
Am 4. Juli 1941 verfiel er nach einer überdosierten Behandlung mit Mepacrin in Depressionen und unternahm einen Suizidversuch.
Nach seiner Genesung wurde Wingate, nun als Oberst, nach Burma entsandt, wo er am 22. März 1942 eintraf. Nach dem Zusammenbruch des alliierten Widerstands in dieser Region begab er sich nach Indien, wo er als Brigadier die Ausbildung der Indian 77th Infantry Brigade übernahm. Sie war die erste Einheit der später als Chindits bekannten Spezialeinheit. Diese sollte als Spezialeinheit aus britischen und indischen Truppen Operationen hinter den japanischen Linien durchführen. Der erste Einsatz der Chindits war die Operation Longcloth. Sie musste aber unter schweren Verlusten abgebrochen werden.
Winston Churchill war von Wingate eingenommen und nahm diesen im August 1943 mit zur Quadrant-Konferenz, wo ihm Gelegenheit geboten wurde, seine Pläne für einen weiteren Einsatz der Chindits vorzustellen. Im gleichen Monat erhielt Wingate eine weitere Spange zum Distinguished Service Order. Nach seiner Rückkehr nach Indien wurde er zum Generalmajor befördert.
Die Pläne führten schließlich zur Operation Thursday. Am 24. März 1944 flog Wingate in das Kampfgebiet, um dort die Situation dreier Chindit-Stützpunkte zu erkunden. Auf dem Rückflug von Imphal nach Lalaghat stürzte seine North American B-25 im hügeligen Dschungel nahe Thilon, im heutigen indischen Bundesstaat Manipur, ab. Außer ihm starben auch alle anderen neun Flugzeuginsassen, hauptsächlich US-Amerikaner. Die sterblichen Überreste wurden zunächst am Absturzort und 1947 in einem Massengrab auf dem britischen Militärfriedhof in Imphal begraben. Im November 1950 wurde Wingates Leichnam exhumiert und auf dem Nationalfriedhof Arlington im US-Bundesstaat Virginia beigesetzt.
Ehrungen
Ein Denkmal für Wingate und die Chindits befindet sich an der Nordseite des Victoria Embankment in London.
Literarische Rezeption
Leon Uris beschreibt in seinem Roman Exodus die Rolle Orde Wingates als literarische Figur "P.P. Malcolm", der als Unterstützer und militärischer Stratege jüdischen Kampftruppen in Palästina während des Arabischen Aufstandes hilft. Im Roman Haddsch des gleichen Autors wird Wingate unter seinem Namen und mit den Special Night Squads in die Handlung eingebunden.
Literatur
- Raymond Callahan: Wingate, Orde Charles (1903–1944). In: Henry Colin Gray Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB). Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X, (oxforddnb.com Lizenz erforderlich), Stand: Januar 2011.
- John W. Gordon: Major-General Orde Wingate. In: John Keegan (Hrsg.): Churchill’s Generals. London 1991, ISBN 0-297-82066-4.
- Gerd Linde: Burma 1943 und 1944. Die Expeditionen Orde C. Wingates (= Einzelschriften zur militärischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Bd. 10). Verlag Rombach, Freiburg 1972, ISBN 3-7930-0169-5.
Zeitdokumente
- Wilfred Burchett: Wingate Adventure. Cheshire, Melbourne 1944.
- Charles Rolo: Wingate's Raiders: An account of the incredible adventure that raised the curtain on the battle for Burma. George G. Harrap, London 1944.
Weblinks
Einzelnachweise
- Georges Ayache: Moshe Dayan. Héros de guerre et politicien maudit. Éditions Perrin, Paris 2021, ISBN 978-2-262-08067-9, S. 67 f., 70 f.
- Martin Bunton: The Palestinian-Israeli Conflict (= A Very Short Introduction. Nr. 359). Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-960393-0, S. 42.
- Neil Caplan: The Israel-Palestine Conflict – Contested Histories. In: Contesting the Past. Wiley-Blackwell (John Wiley & Sons), Hoboken (New Jersey) 2010, ISBN 978-1-4051-7539-5, S. 90.
- Michael J. Pragai: Sie sollen wieder wohnen in ihrem Land – Die Rolle von Christen bei der Heimkehr der Juden ins Land Israel. Bleicher Verlag, Gerlingen 1990, ISBN 3-88350-027-5, S. 143.
- Michael Krupp: Zionismus und Staat Israel – Ein geschichtlicher Abriß. Gütersloher Verlagshaus, 3. Auflage, Gütersloh 1992, ISBN 3-579-00791-2, S. 101.