Newport-Mühle
Die Newport-Mühle (englisch Newport Mill, Round Tower, Touro Tower, Newport Stone Tower, Old Stone Mill (OSM), Mystery Tower) ist ein aus Bruchsteinen errichtetes Bauwerk im Touro Park in Newport im US-Bundesstaat Rhode Island. Das Gebäude hat zu zahlreichen, teilweise abstrusen Spekulationen über seine Erbauer Anlass gegeben.
Baubeschreibung
Der Turm steht auf einer Anhöhe oberhalb des Hafens von Newport inmitten eines kleinen Parks an der mit historischen Gebäuden aus der Kolonialzeit bestandenen Bellevue Avenue. Eine Informationstafel am Parkeingang enthält eine kurze Beschreibung mit dem Hinweis, dass es sich um eine historische Mühle aus dem 17. Jahrhundert handelt.
Heute sind nur noch die Außenmauern des Gebäudes erhalten. Der runde Turm ist aus weitgehend naturbelassenen und unbearbeiteten Bruchsteinen der näheren Umgebung errichtet, die mit einem Mörtel aus Muschelkalk, Sand und Wasser vermauert sind. Das Bauwerk ist nicht exakt rund, sondern leicht oval: der eine Durchmesser beträgt 6,75 m, der andere 7,08 m. Der Turm ist rund 7,30 Meter hoch, die Wände sind etwa 1,00 Meter dick.[1]
Aus Aussparungen im Mauerwerk für eine Holzbalkendecke im Innern kann man schließen, dass das Gebäude ursprünglich zwei Stockwerke aufwies. Das untere Stockwerk ist mit acht offenen Rundbögen als Arkade ausgebildet. Sie wird von gemauerten, etwa 3,50 Meter hohen Rundsäulen gestützt. Darüber befand sich vormals eine offenbar aus Holz errichtete Balkenauflage mit einem ebenfalls hölzernen Fußboden. Reste davon sind nicht mehr erhalten. Im oberen Stockwerk befindet sich ein einfaches, rechteckiges Fenster. An der Innenwand sind ein offener Kamin sowie mehrere gemauerte Nischen zu erkennen. Das Fenster ist so ausgerichtet, dass man ursprünglich einen guten Überblick über die Narragansett Bay hatte, der heute jedoch durch hohe Bäume verdeckt ist.
Die Early Sites Research Society (ESRS), eine private Institution, die es sich zum Ziel gesetzt hat, präkolumbische Kulturen Amerikas zu erforschen, ließ 2003 die Fläche des Truro-Parks mit einem Bodenradar untersuchen. Man identifizierte in der Umgebung des Turmes zwei Objekte unter dem Bodenniveau, eine große, flache Steinplatte und Reste einer Mauer. Der Turm stand demnach nicht isoliert, sondern es muss dort weitere Gebäude gegeben haben.[1]
Geschichte
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde der Turm in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Auftrag von Benedict Arnold (1615–1678), einem Gouverneur der Kolonie Rhode Island, errichtet. Dessen Vater William Arnold stammte aus Leamington, Warwickshire, Vereinigtes Königreich. Die Familie Arnold war 1635 nach Amerika emigriert und Benedict wurde 1663 Gouverneur von Rhode Island. 1675 brannte die hölzerne Windmühle in Newport nieder; Arnold ließ daraufhin eine neue steinerne Mühle bauen, die sich am Vorbild einer Mühle orientierte, die 1632–33 in der Nähe seines Herkunftsortes Chesterton errichtet worden war, was die Ähnlichkeit der beiden Gebäude erklärt. Inzwischen wurde diese mit Mitteln des National Trust restauriert und mit einer Rekonstruktion des Daches und der Windmühlenflügel versehen.
Arnold schrieb in seinem Testament von 1678, das in einer Kopie aus dem 17. Jahrhundert in der Redwood Library erhalten ist, von einer aus Steinen errichteten Windmühle (wörtlich: „my stonebuild-windmill“), die er seinen Nachkommen vererbt. Auf einer Landkarte von Rhode Island von 1776, die in der Redwood Library in Newport aufbewahrt wird, ist eine steinerne Mühle oberhalb der Ansiedlung Newport eingezeichnet.
1948/49 führte ein Archäologenteam der Harvard-Universität unter der Leitung von William Godfrey und Hugh Henken am und im Turm umfangreiche Ausgrabungen durch. Es wurden ausschließlich Artefakte aus dem 17. Jahrhundert (Keramik- und Glasscherben, Tonpfeifen und der Feuerstein einer Steinschlossflinte) gefunden.[2] 1992 nahm ein dänisch-finnisches Expertenteam Radiokohlenstoffdatierungen des Mörtels vor. Sie lassen auf einen Errichtungszeitraum zwischen 1698 und 1735 schließen.[3]
Die Spekulationen
Seit dem 19. Jahrhundert gibt es zahlreiche mehr oder minder seriöse Spekulationen, wer das Bauwerk errichtet haben könnte. Nachfolgend werden einige davon zusammenfassend dargestellt, ohne deren Seriosität zu bewerten:
Wikinger
Der dänische Archäologe und Philologe Carl Christian Rafn äußerte in seinem 1837 herausgegebenen Buch Antiqvitates Americanæ, in dem erstmals die Entdeckung Amerikas durch Leif Eriksson dargelegt wurde, die Vermutung, der Turm sei von Wikingern errichtet worden.[4] Die Theorie wurde von anderen Archäologen aufgegriffen und führte zu zahllosen Vergleichen mit sakralen und profanen Bauten in Nordeuropa, unter anderem mit der Østerlas Kirke auf Bornholm, der Rundkirche von Orphir auf Mainland (Orkney), der Temple Church in London.[5]
Iren
Der irische Mönch Brendan soll im 6. Jahrhundert mit zwölf Begleitern von Irland aus über verschiedene Inseln, die als Shetlandinseln, Färöer und Island gedeutet werden, ins „Verheißene Land“ nach Westen gereist sein. Zu diesem Schluss kam der amerikanische Kartograph Arlington H. Mallery (nicht Mallerey, wie Däniken schreibt) nach Auswertung der Piri-Reis-Karte.[6] Die Theorie wurde von Erich von Däniken aufgegriffen und verbreitet. Däniken schreibt den Bau des Newport-Turmes St. Brendan oder seinen Gefährten zu und weist auf die Ähnlichkeit mit irischen Rundtürmen hin.[7]
Tempelritter
Andrew Sinclair, ein britisches Multitalent und Verfasser von zahlreichen populärwissenschaftlichen Büchern, phantastischen Romanen und Kurzgeschichten, behauptet, der Turm sei von den Tempelrittern unter der Führung von Heinrich von Orkney, als eine Art Denkmal oder Wegmarke zum Beweis ihrer Anwesenheit erbaut worden. Sinclair, angeblich ein Angehöriger des Templerordens, habe Grönland und die amerikanische Ostküste fast einhundert Jahre vor Christoph Columbus erkundet.[8]
Portugiesen
Der Psychologe Edmund Burke Delabarre (1863–1945) von der Brown University in Providence (Rhode Island) kam aufgrund von Untersuchungen des Dighton Rock, einem im Taunton River bei Berkley (Massachusetts) aufgefundenen, 40 Tonnen schweren Fels mit mysteriösen Inschriften, zu der Ansicht, der Turm sei von dem portugiesischen Kapitän João Vaz Corte-Real als Beobachtungs- und Signalturm errichtet worden.[9][10]
Chinesen
Der britische Schriftsteller und ehemalige U-Boot-Kapitän Gavin Menzies behauptet in seinem Buch 1421 – Als China die Welt entdeckte, der Turm sei von den kaiserlich chinesischen Admirälen Zhou Wen, Zhou Man und Hong Bao errichtet worden, die den amerikanischen Kontinent bereits vor Christoph Columbus entdeckt hätten.[11]
Amerikanische Ureinwohner
In der Ausgabe des Providence Daily Journal (heute: Providence Journal) vom 31. August 1918 behauptete Chief Strongheart, der Häuptling der Yakama, der Turm sei vom Stamm der Narraganset als Kultstätte errichtet worden.
Sonstiges
- Der Newport-Tower war auf dem Wappen des Landungsschiffes USS Newport (LST-1179) abgebildet.
- Der Newport-Tower spielt eine wichtige Rolle in dem Roman The Red Rover (deutscher Titel: Der rote Freibeuter) von James Fenimore Cooper.
Weblinks
Einzelnachweise
- Mark Moran, Mark Sceurman: Weird New England. Sterling, New York 2010, ISBN 978-1-4027-7842-1, S. 40
- William S. Godfrey: The Newport Puzzle, in: Archaeology 2 (1949), S. 146–149
- Infoseite des Tourismusbüros des Staates Rhode Island
- Carl Christian Rafn: Antiqvitates Americanæ - Sive, Scriptores Septentrionales Rerum Ante-columbianarum in America, Kopenhagen (Hafniae) 1837
- z. B.: Frank James Allen: The Ruined Mill, or Round Church of the Norsemen, at Newport, Rhode Island, U. S. A., compared with the round church at Cambridge and others in Europe, Cambridge Antiquarian Society's Communications, Vol. 22, Cambridge (MA) 1921
- Arlington H. Mallery: The Pre-Columbian Discovery of America: A Reply to W. S. Godfrey. In: American Anthropologist 60 (1) vom Februar 1958, S. 141–152
- Erich v. Däniken: Erinnerungen an die Zukunft, Düsseldorf 1968
- Andrew Sinclair: The Sword and the Grail - Of the Grail and Templars and a True Discovery of America, Birlinn Ltd, Edinburgh 2005, ISBN 1-84158-396-0, S. 140–150
- Edmund B. Delabarre: Dighton rock - a study of the written rocks of New England, Walter Neale, New York 1928
- Herbert C. Pell: The Old Stone Mill, Newport, in: Rhode Island History, No. 4, vom Oktober 1948, S. 105–119
- Gavin Menzies: 1421. Als China die Welt entdeckte, Droemer, München 2003, ISBN 3-426-27306-3