Neusis-Konstruktion
Die Neusis-Konstruktion (aus dem Griechischen Neusis für Neigung), im englischen Sprachraum Neusis construction[1] oder verging construction, ist eine geometrische Konstruktionsmethode mithilfe der sogenannten Einschiebung (Neusis).[2] Darunter versteht man das Einzeichnen einer geraden Linie unter Verwendung eines Lineals, auf dem die Länge einer gewünschten Strecke durch zwei fest angebrachte Markierungen bestimmt ist.
Das Lineal wird im betreffenden Konstruktionsschritt auf das Zeichenblatt gelegt und in die funktionelle Position gebracht. Anschließend zieht man entlang dessen Kante eine Linie mit der vorgegebenen markierten Länge.
Die Neusis-Konstruktion ermöglicht diejenigen geometrischen Aufgaben exakt zu lösen, die als Konstruktion mit Zirkel und Lineal keine Lösung liefern, wie z. B. Dreiteilung des Winkels, Verdoppelung des Würfels, Quadratur des Kreises und Siebeneck. Nach Bartel Leendert van der Waerden zeigt die Neusis die Falschheit der Ansicht, dass die altgriechische Mathematik nur Konstruktionen mit Zirkel und Lineal zugelassen habe, bei Pappos werde sogar ausdrücklich auf die Verwendung der Neusis verwiesen für Aufgaben, die mit Zirkel und Lineal nicht lösbar seien.[3]
Bereits aus der Antike sind Neusis-Konstruktionen bekannt. Berühmte Anwender waren u. a. Hippokrates von Chios (5. Jh. v. Chr.), der damit den Flächeninhalt seiner Möndchen bestimmte,[4] Archimedes von Syrakus (3. Jh. v. Chr.), der damit das reguläre Heptagon konstruierte[5] (Siebeneck nach Archimedes) und mit einem Neusis-Lineal und einem Kreis die Dreiteilung des Winkels ausführte,[6] Nikomedes,[7] der damit seine Konchoide des Nikomedes konstruierte, mit der er die Würfelverdopplung und Winkeldreiteilung ausführte, Pappos von Alexandria (im 4. Jh. n. Chr.), der in seiner mathematischen Sammlung zeigte, dass eine Neusis-Konstruktion von Archimedes auf den Schnitt zweier Kreise reduziert werden kann,[8] Apollonios von Perge, in einem nur fragmentarisch erhaltenen Werk über Neusis, in der er zeigt, dass einige Neusis-Konstruktionen mit Zirkel und Lineal ausgeführt werden können,[9] und Abu l-Wafa (990 n. Chr.), in seinem Buch über geometrische Konstruktionen.
Literatur
- Menso Folkerts: Neusis, in: Der Neue Pauly, Brill 2006
- Bartel Leendert van der Waerden: Erwachende Wissenschaft, Band 1, Birkhäuser, 2. Auflage 1966, englische Ausgabe Kluwer, 5. Auflage 1988
Einzelnachweise
- Weisstein, Eric W. "Neusis Construction." From MathWorld, A Wolfram Web Resource. abgerufen am 15. September 2018.
- Bodo v. Pape: Makro-Mathematik Schulmathematik auf neuen Wegen Jenseits von Algebra und Analysis: Algorithmen; BoD-Books on Demand, Nordertedt 2016, S. 388. Seite 127 ff. 7.1 Neusis (Auszug (Google)), abgerufen am 15. September 2018.
- Van der Waerden, Science Awakening, Kluwer 1988, S. 263
- van der Waerden, Science Awakening, S. 132
- van der Waerden, Science Awakening, S. 226. Nur in einem arabischen Manuskript erhalten.
- Dargestellt in John Horton Conway, Richard K. Guy, The Book of Numbers, Springer 1996, S. 195. Dort wird auch die Neusis-Konstruktion des Heptagons mit zwei Geraden skizziert.
- Van der Waerden, Science Awakening, S. 235
- van der Waerden, Science Awakening, S. 286. Außerdem zeigte er, dass die Neusis-Konstruktion zur Winkeldreiteilung von Nikomedes auf den Schnitt eines Kreises mit einer Hyperbel reduziert werden kann. Van der Waerden, Science Awakening, S. 236
- van der Waerden, Science Awakening, 263