Neue Synagoge (Regensburg)
Die Neue Synagoge in Regensburg stand in der Schäffnerstraße (heute Am Brixener Hof 2). Die Synagoge wurde 1912 erbaut und beim Novemberpogrom im Jahr 1938 zerstört.
Am 27. Februar 2019 fand die Einweihung des modernen Neubaus einer Synagoge statt, die in das ebenfalls neu erbaute Jüdische Gemeindezentrum integriert ist.
Geschichte
Nach dem Erlass des Bayerischen Judenediktes im Jahr 1813 wuchs die jüdische Bevölkerung in Regensburg stark an. Als Synagoge diente das ehemalige Patrizierhaus Steyerer im sogenannten Wollerhaus in der Unteren Bachgasse 5, welches im Lauf der Zeit stark baufällig wurde. Daher erwarb die jüdische Gemeinde im Jahr 1904 ein Grundstück in der Schäffnerstraße, um dort eine neue Synagoge zu errichten. Nach dem Teileinsturz der Decke im Betraum der bisher genutzten Synagoge während eines Gottesdienstes wurden die Planungen zu einem Neubau forciert.[1] Nach einem im Jahr 1908 durchgeführten Architektenwettbewerb zog der Favorit Heinrich Hauberrisser seine Entwürfe aus nicht überlieferten Gründen wieder zurück. Die Entwürfe des österreichischen Spezialisten für den Bau von Synagogen Wilhelm Stiassny im Stil der Neorenaissance fanden zwar die Zustimmung bei Stadtbaurat Adolf Schmetzer, sie scheiterten aber an einem Gutachten der Regierungsbaubehörde vom 5. August 1909 aufgrund der stilistischen Unvereinbarkeit mit dem historischen Stadtbild von Regensburg. Nach einem Jahr legte Joseph Koch mit seinem Baumeister Franz Spiegel einen neuen Entwurf vor, der auf breite Zustimmung stieß. Nach Erweiterung der Vorentwürfe war der Baubeginn nach den fertigen Plänen Anfang 1911.[2] Bereits am 29. August 1912 konnte die Synagoge feierlich in zusätzlicher Anwesenheit der nichtjüdischen Bevölkerung eingeweiht werden. Der amtierende Bürgermeister Otto Geßler bekundete bei seiner Ansprache den allzeitigen Schutz der Synagoge durch die Stadt Regensburg.[1]
Westlich neben der Synagoge wurde unmittelbar an der Brandmauer zum Synagogenbau nach Plänen desselben Architekten zeitgleich ein Gemeindehaus errichtet. Es diente als Dienstwohnung für den Kantor, den Kultusdiener und den Hausmeister. Im Haus verteilt befinden sich heute unterschiedlich große Sitzungsräume. Im Keller des Hauses befindet sich auch das jüdische Ritualbad.[1]
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge durch eine Abteilung von NSKK-Männern in Brand gesteckt und brannte völlig aus. Löscharbeiten durften auf Befehl des damaligen Bürgermeisters Otto Schottenheim, der vor Ort persönlich anwesend war, nur zum Schutz der anliegenden Gebäude ausgeführt werden. So blieb das Gemeindehaus bis heute erhalten. Die Ruine der Synagoge wurde in den folgenden Monaten komplett abgetragen. Die Bebauung wies daher eine Baulücke auf. Das Gemeindehaus und das anschließende leere Grundstück wurde zur Deportation von Juden missbraucht.[1]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Raum des Gemeindehauses als Synagogenersatz benutzt. 1968 bis 1971 wurde ein Betsaal im modernen Stil auf dem leergebliebenen Synagogengelände errichtet.[2] Diese Interimslösung wurde abgerissen.
Baukörper und Ausstattung
Koch entwarf aufgrund der topografischen Besonderheiten des Geländes einen ovalen anstatt dem üblichen rechteckigen Grundriss. Abgeschlossen wurde der geostete Raum oben durch eine monumentale, stahlträgerarmierte Kuppel. Der Baukörper wurde durch zwei prägnante Türme mit einem ebenfalls ovalen Grundriss flankiert. Der Raum bot Platz für 290 Männer im ebenerdigen Zentralbereich und 215 Frauen auf der konzentrisch ausgeführten Frauenempore, die die jeweiligen Bereiche über getrennte Eingänge betreten konnten.
Die Ausstattung wies durch die Mittellage des Almemors auf eine orthodoxe Ausrichtung der Gemeinde hin.[1] Dieser wurde auch dem Raumgrundriss entsprechend in einem Oval ausgeführt. Der Thoraschrein war von vier korinthischen Säulen gestützt. Er bestand aus poliertem, dunkel glänzenden Marmor. Der Schrein selbst wirkte wie der Eingang eines Tempels. An der Kuppel, die eine Krone trug, waren die Gesetzestafeln zu sehen.[2]
Koch legte zudem großen Wert auf die Wirkung der natürlichen und künstlichen Lichtverhältnisse. Dies zeigte sich auch in der detaillierten Planung der handgefertigten Beleuchtungskörper.[2]
Baugeschichtliche Bedeutung
Das Gebäude war ein repräsentativer Vertreter des Synagogenbaus vor dem Ersten Weltkrieg. Es entsprach keinem tradierten Stil, sondern „suchte die überhöhende Monumentalisierung einer barocken Grundlinie.“[1] Für Koch war dies der erste Synagogenbau und dürfte vermutlich der Repräsentativste seines Schaffens überhaupt gewesen sein. In seinem Werkverzeichnis führt er diesen Auftrag unter dem Punkt Kirchen! (Sic!)[2]
Nachfolgebau 2019
Von 2017 bis 2019 wurde auf dem Gelände eine neue Synagoge mit moderner Formensprache gebaut, die von Staab Architekten geplant wurde.[3] Die Fertigstellung der Raumschale des Jüdischen Gemeindezentrums mit Synagoge Regensburg erfolgte zum Ende 2018, 80 Jahre nach der Zerstörung der Synagoge von 1912. Die Einweihung fand am 27. Februar 2019 statt, 500 Jahre nach der Vertreibung der Juden im Jahr 1519.[4]
Siehe auch
Literatur
- Andreas Angerstorfer, Cornelia Berger-Dittscheid und Hans-Christoph Berger: Verlorene Tempel. Synagogen in Regensburg von 1788 bis 1938. In: Denkmalpflege in Regensburg, Bd. 10, Regensburg 2006, ISBN 3-930480-95-6, S. 112 bis 141. (Mit umfangreicher Bebilderung)
Weblinks
Einzelnachweise
- Gerhard Reindl in: „Stadt und Mutter in Israel.“ Jüdische Geschichte und Kultur in Regensburg. Stadt Regensburg, Regensburg 1989, ISBN 3-925753-11-7, S. 88–91.
- Andreas Angerstorfer, Cornelia Berger-Dittscheid und Hans-Christoph Berger: Verlorene Tempel. Synagogen in Regensburg von 1788 bis 1938. In: Denkmalpflege in Regensburg, Bd. 10, Regensburg 2006, ISBN 3-930480-95-6, S. 112 bis 141.
- synagoge-regensburg.de: Die Siegerentwürfe von Staab Architekten
- Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung: Das Wunder aus der Asche vom 28. Februar 2018 Jg. 75, Nr. 50, S. 2.