Nationale Plattform Elektromobilität
Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) war ein Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung zur Elektromobilität. Ziel der Plattform war es, Deutschland bis 2020 zum Leitmarkt und zum Leitanbieter für Elektromobilität zu machen sowie einen Beschäftigungseffekt von 30.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen zu erreichen.[1]
Sie wurde am 3. Mai 2010 bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Leben gerufen[2] und setzte sich aus Spitzenvertretern der Industrie (10 Mitglieder), Politik (6), Wissenschaft (3), Verbänden (3) und Gewerkschaften (1) zusammen. Die Arbeit der Nationalen Plattform Elektromobilität wurde zum 31. Dezember 2018 beendet und die Themen in die Struktur der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) überführt.[3][4]
Geschichte
2007–2009
Der Grundstein für die Förderung der Elektromobilität in Deutschland wurde im Integrierten Energie- und Klimaprogramm (IEKP) der Bundesregierung von 2007 gelegt.[5] Konkrete Maßnahmen wurden erstmals im Zusammenhang mit der Nationalen Strategiekonferenz Elektromobilität Ende 2008 in Deutschland diskutiert.[6] Erste Förderprogramme dazu wurden im Rahmen des Konjunkturpakets II Anfang 2009 auf den Weg gebracht. Anschließend hatte sich im Rahmen der Innovationsallianz LIB 2015 ein Industriekonsortium verpflichtet, in den nächsten Jahren 360 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung bei Lithium-Ionen-Akkus zu investieren.[7]
Im Rahmen des Konjunkturpakets II wurden von den Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie (BMWi), für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), für Bildung und Forschung (BMBF) und für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) Fördermittel in der Höhe von insgesamt 500 Mio. Euro für Projekte in 15 Themengebieten ausgeschrieben.[8] Koordiniert wurden die Projekte von den jeweiligen Projektträgern der Ministerien, z. B. von der VDI/VDE Innovation + Technik als Projektträger Elektromobilität des BMU.[9]
Im September 2009 eröffnete Bundesforschungsministerin Annette Schavan das Forum Elektromobilität als Teil der Systemforschung Elektromobilität der Fraunhofer-Gesellschaft.[10] Das Forum sollte die Forschung der 33 beteiligten Fraunhofer-Institute in Zusammenarbeit mit Industriepartnern bündeln. Die Förderung des Vorhabens erfolgte bis 2011 durch 30 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II.[11] Dies stellte den ersten Umsetzungsschritt des Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität dar.[12]
2010–2014
Der Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität wurde zunehmend zur Chefsache im Kanzleramt. Am 1. Februar 2010 wurde die „Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung“ (GGEMO) unter Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eingerichtet.[13] Bei ihrer Arbeitsaufnahme wurde die Gründung der Nationalen Plattform Elektromobilität angekündigt, die wie vorgesehen am 3. Mai 2010 feierlich im Kanzleramt mit den Hauptvertretern der Industrie verkündet wurde.
Im Gefolge verpflichteten sich die beteiligten Partner zur Einrichtung firmen- und branchenübergreifender Arbeitsgruppen und zur Erstellung eines Zwischenberichts bis Ende November 2010. Die Koordinierungsgremien der NPE konnten sich auf die Fachleute der bestehenden Arbeitsgruppen der Deutschen Kommission Elektrotechnik (DKE) beim Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) stützen. Der VDE Kongress „E-mobility“ in Leipzig am 8. und 9. November 2010 wurde zur technischen Abstimmung genutzt, aus der der erste Zwischenbericht für die Bundesregierung abgeleitet wurde, der den übergreifenden Stand der Entwicklung und die Erwartung der Vertreter von Industrie und Forschung beschreibt.
Im zweiten Bericht von 2011 sind die Entwicklungsmöglichkeiten präzisiert und Förderprojektausschreibungen vorgeschlagen worden. Die Industrie ging davon aus, dass das Ziel mit einer Million Elektrofahrzeugen im Jahr 2020 mit der seinerzeitigen Förderung nicht erreicht werden konnte.[14] Mit geeigneten Anreizmaßnahmen könnte das Ziel laut NPE jedoch noch realisiert werden.[1]
Bei der Internationalen Konferenz der Bundesregierung zur Elektromobilität am 27. und 28. Mai 2013 bestätigen die Vertreter der Regierung die Ziele sowie die vorgesehenen Fördermittel und Anreize.[15] Die Bundesregierung hat zwischen 2010 und 2014 insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro in die Förderung und Weiterentwicklung der Elektromobilität investiert.[16]
Mit dem vierten Bericht („Fortschrittsbericht 2014 – Bilanz der Marktvorbereitung“) schloss die NPE die Marktvorbereitungsphase (2010–2014) ab und zeigte den bisherigen Fortschritt auf. Zugleich legte die NPE für die sich anschließende Phase des Markthochlaufes (2015–2017) ein Maßnahmenpaket vor, das zeigte, wie Deutschland die gesteckten Ziele bis 2020 erreichen könnte. Der Bericht betont die Notwendigkeit zusätzlicher Anreize, um das Eine-Million-Ziel zu erreichen.[16]
2015–2018
Der Deutsche Bundestag beschloss im Juni 2015 das erste Elektromobilitätsgesetz in Deutschland. Auf der Nationalen Konferenz Elektromobilität der Bundesregierung 2015 kündigte die Bundeskanzlerin eine Entscheidung über weitere Fördermaßnahmen für das Ende des Jahres an. Im Frühjahr 2016 wurde dann die Entscheidung für ein Förderprogramm getroffen, in dessen Zentrum direkte finanzielle Anreize durch eine Kaufprämie stehen.[17] Im Mai 2017 gestand Bundeskanzlerin Merkel ein, dass das Ziel von 1 Million Elektroautos bis 2020 voraussichtlich nicht erreicht werden wird.[18]
Am 19. September 2018 wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel der Fortschrittsbericht 2018 übergeben. Der Bericht bilanziert die Markthochlaufphase der Elektromobilität in Deutschland, gibt einen Ausblick auf die weitere Entwicklung bis 2025 und identifiziert unmittelbare Handlungsbedarfe. Die Erreichung des Ziels von einer Million Elektrofahrzeugen auf Deutschlands Straßen wird für das Jahr 2022 prognostiziert.[19][20]
Mit Übergabe des „Fortschrittsberichts 2018“ an die Bundesregierung am 19. September 2018 wurde die NPE, wie im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode angekündigt, in die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) integriert.[21]
Organisation
Die Nationale Plattform Elektromobilität bestand aus dem Lenkungskreis, einem Redaktionsteam sowie sechs themenspezifischen Arbeitsgruppen. Die Arbeitsgruppen wurden durch den Lenkungskreis koordiniert, der die Struktur der NPE aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden abbildete und als zentrales Entscheidungsgremium fungierte. Ihm gehörten die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen, Vertreter der Bundesregierung und des Industriekreises Elektromobilität sowie die Mitglieder des Redaktionsteams an. Das Redaktionsteam unterstützte den Lenkungskreis bei der Erstellung der Berichte und Veröffentlichungen der NPE. Seitens der Regierung wurde die NPE durch die Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung (GGEMO) unterstützt. Sie wurde gemeinsam mit der NPE 2018 aufgelöst.[4] Das Büro des Vorsitzenden der NPE moderierte die Plattform und unterstützte den Vorsitzenden bei seiner Arbeit.
Ansatz
Die NPE betrachtete Elektromobilität als Gesamtsystem aus den Komponenten Fahrzeug, Energieversorgung, Verkehrsinfrastruktur und Stadtplanung, das über die Grenzen traditioneller Industriebranchen hinweg wirkt. Dem entsprach die branchen- und disziplinenübergreifende Organisation und Arbeitsweise der NPE. Das Ziel der NPE war ein selbsttragender Markt, der ohne monetäre Förderungen seitens der Politik auskommt. Um die Ziele zu erreichen, empfahl die NPE der Bundesregierung bestimmte Maßnahmen und führt einen regelmäßigen Abgleich zum jeweiligen Entwicklungsstand durch. Grundlage für ihre Empfehlungen zur Unterstützung der Elektromobilität war dabei ein Drei-Phasen-Modell, das die verschiedenen Marktstadien widerspiegelte.[22]
Aufgaben
Die Nationale Plattform Elektromobilität hatte den Auftrag, konkrete Vorschläge zur Erreichung der Ziele des Nationalen Entwicklungsplanes Elektromobilität zu erarbeiten. Dazu behandelten die sechs Arbeitsgruppen folgende Schwerpunktthemen:
- Fahrzeugtechnologie
- Batterietechnologie (z. B. Lithium-Ionen-Akkumulator)
- Ladeinfrastruktur und Netzintegration (Stromtankstellen)
- Normung, Standardisierung und Zertifizierung (z. B. Combined Charging System)
- Informations- und Kommunikationstechnologien
- Rahmenbedingungen
- Ausbildung und Qualifizierung (mittlerweile abgeschlossen)
- Materialien und Recycling (teilweise abgeschlossen, teilweise auf AG 1 und AG 2 verteilt)[22]
Die Experten in den Arbeitsgruppen entwickelten gemeinsame Positionen und bildeten diese in Statusanalysen, Roadmaps und Empfehlungspapieren ab, die den Handlungsbedarf bei der Elektromobilität zusammenfassten. Die Publikationen übergab die NPE der Bundesregierung und machte sie der interessierten Öffentlichkeit zugänglich.[23] Am 30. November 2010 wurde ein erster Zwischenbericht veröffentlicht. Der zweite Zwischenbericht wurde am 16. Mai 2011 veröffentlicht[1] und der dritte am 1. Juni 2012. Der Fortschrittsbericht 2014 – Bilanz der Marktvorbereitung wurde am 2. Dezember 2014 an die Bundesregierung übergeben.[16]
Mitglieder
Die Vorsitzenden und die Mitglieder des Lenkungskreises waren (Stand: Juli 2016):[24]
- Vorsitz Industrie: Henning Kagermann (acatech)
- Vorsitz Bundesregierung:
- Matthias Machnig (Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)
- Rainer Bomba (Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur)
- Mitglieder:
- Martin Brudermüller (BASF SE)
- Roland Busch (Siemens AG)
- Joachim Damasky (VDA)
- Jochen Flasbarth (BMUB)
- Klaus Fröhlich (BMW AG)
- Ulrich Grillo (BDI)
- Jörg Hofmann (IG Metall)
- Stefan Knirsch (Audi AG)
- Joachim Reichert (Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung)
- Leo Schulz (Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung)
- Georg Schütte (Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung)
- Norbert Verweyen (innogy SE)
- Achim Wambach (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim)
- Thomas Weber (Daimler AG)
- Frank Welsch (Volkswagen AG)
- Karsten Wildberger (E.ON SE)
- Matthias Wissmann (VDA)
Kritik
Nach dem 2. Zwischenbericht (s. o.) hielten sich Verbände der Zivilgesellschaft durch den, von dem Übergewicht der Industrie im Gremium, bestimmten Einfluss der Konzerne übergangen. Holger Krawinkel, Energieexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV) kritisiert, dass den zu starken Focus der Mobilitätskonzepte auf den Antrieb und die Batterie des Elektroautos konzentriert und "eine Gesamtstrategie für nachhaltige Mobilität fehlt "[25].
Unter dem Titel "Selbstbedienungsladen der Konzerne" berichtet Telepolis (Heise), von Forderungen der NGOs, die ohne Konsens gestrichen wurden. Regine Günther, Expertin für Klima- und Energiepolitik bei der Naturschutzorganisation WWF kritisiert das starke Übergewicht der Industrie im Gremium, was "sich ihren Subventionsbedarf selbst errechnet habe, ohne die Basis dafür transparent zu machen"[26].
Der ökologische Verkehrsclub Deutschland e. V. (VCD) kritisierte die Forderung der NPE nach Forschungsförderung, Steuervorteilen und weiterer Begünstigungen als "Griff in die Mottenkiste der Subventionsinstrumente"[27].
Wolfgang Lohbeck ehemaliger Verkehrsexperte von Greenpeace kritisierte: "Fördergelder fürs Elektroauto nützen dem Klimaschutz nur sehr wenig". Zuvor hatten Umweltorganisationen kritisiert, eine Kohlendioxidreduktion auch durch ein Tempolimit auf Autobahnen erreicht werde.[28]
Weblinks
- Nationale Plattform Elektromobilität (Memento vom 22. Mai 2019 im Internet Archive)
- Nationale Plattform Elektromobilität , Bundesministerium für Bildung und Forschung
Einzelnachweise
- Zweiter Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität vom 16. Mai 2011 (Memento vom 21. November 2011 im Internet Archive) (PDF; 1,0 MB)
- Nationale Plattform Elektromobilität > Historie (Memento vom 6. Mai 2020 im Internet Archive)
- Nationale Plattform Elektromobilität (Memento vom 22. Mai 2019 im Internet Archive)
- DIHK: Bundesregierung gründet neues Beratungsgremium Nationale Plattform „Zukunft der Mobilität“. IHK Ostwestfalen, 15. Oktober 2018, abgerufen am 9. April 2021: „Die NPE wie auch die Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung werden gleichzeitig aufgelöst.“
- Integriertes Energie- und Klimaprogramm (IEKP) (PDF; 498 kB)
- elektromobilitaet2008.de - This website is for sale! - elektromobilitaet2008 Resources and Information. Abgerufen am 26. August 2017 (englisch).
- Der Projektträger Jülich. Partner für Forschungs- und Innovationsmanagement. Abgerufen am 28. August 2017.
- Elektromobilität im Rahmen des Konjunkturpakets II (Memento vom 16. März 2012 im Internet Archive) (PDF; 218 kB)
- VDI/VDE-IT: Projektträger Elektromobilität
- Forum-Elektromobilität, unterstützt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Memento vom 25. März 2014 im Internet Archive)
- Annette Schavan: „Elektromobilität hat jetzt eine Adresse“, Informationsdienst Wissenschaft, Pressemitteilung vom 9. September 2009
- Die Bundesregierung: Nationaler Entwicklungsplan Elektromobilität der Bundesregierung. August 2009, archiviert vom Original am 14. Juni 2016; abgerufen am 8. August 2016 (deutsch).
- Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität (GGEMO) VDI/VDE Innovation + Technik GmbH, 2016
- Deutsche Industrie fordert Subventionen für Elektroautos, Heise Autos online, 18. April 2011
- Elektromobilität bewegt weltweit, Internationale Konferenz der Bundesregierung am 27. und 28. Mai 2013 in Berlin
- Fortschrittsbericht 2014 – Bilanz der Marktvorbereitung (PDF; 3,7 MB)
- Förderung für Elektroautos: Kabinett beschließt Kaufprämien und Steuerbonus. Abgerufen am 26. August 2017.
- Elektromobilität: Merkel kassiert das Ziel von einer Million E-Autos bis 2020 - Wirtschaft - Tagesspiegel Mobil. Abgerufen am 18. Mai 2017.
- Nationale Plattform Elektromobilität überreicht Fortschrittsbericht 2018 an die Bundeskanzlerin. Abgerufen am 20. Januar 2019.
- Fortschrittsbericht 2018 – Markthochlaufphase. Nationale Plattform Elektromobilität, Mai 2018, abgerufen am 20. Januar 2019.
- Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität. Verband der Automobilindustrie, Februar 2021, abgerufen am 9. April 2021.
- Internetseite des Bundesumweltministeriums - BMUB: Nationale Plattform Elektromobilität. Abgerufen am 25. April 2018.
- Publikationen | Nationale Plattform Elektromobilität. Abgerufen am 26. August 2017.
- Vorsitz und Mitglieder des Lenkungskreises der NPE (Memento vom 20. November 2016 im Internet Archive), BMVI, Juli 2015
- Matthias Breitinger: Gesellschaftliche Verbände fühlen sich ausgebootet. In: Die Zeit. 16. Mai 2011, abgerufen am 22. April 2021.
- Matthias Brake: Selbstbedienungsladen der Konzerne. Abgerufen am 22. April 2021.
- Merkel schiebt das Elektroauto an. Abgerufen am 22. April 2021 (deutsch).
- Deutschland soll E-mobiler Leitmarkt werden. Abgerufen am 22. April 2021 (deutsch).