Napoleonische Heraldik
Unter napoleonische Heraldik wird die am 1. März 1808 ins Leben gerufenen Neuordnung des französischen Wappenwesens verstanden.
Merkmale
Eingeführt wurde die Neuordnung von Kaiser Napoleon I. mit der Schaffung des neuen Reichsadels des Ersten Französischen Kaiserreichs. Nach diesem neuen System sollten die Wappen einen neuen Inhalt bekommen und in erster Linie Staatswürden, in zweiter die Würde des betreffenden Geschlechts symbolisieren. Alle Wappen wurden nach dem Rang und der persönlichen Würde des Inhabers klassifiziert. Eine weitere wesentliche, wenngleich unheraldische, aber bestimmende Neuerung war das Weglassen der heraldischen Helme. War die Phrygische Mütze (Symbol der Freiheit) noch ein Revolutionssymbol gewesen, wurden die alten Ritterhelme nun durch die Federhüte des Direktoriums ersetzt. Die an das französische Königreich erinnernden Lilien verschwanden aus den Wappen und wurden durch heraldische Bienen ersetzt (siehe: Napoleonischen Bienen). Diese Heraldikform weitete sich auf die Wappen der mit Napoleon verbündeten Rheinbundstaaten aus. Mit dem Sturz des Kaisers endete das unheraldische System der Napoleonischen Heraldik. Es wurde auch im späteren Zweiten Kaiserreich Napoléons III. (1852–1870) nicht wieder eingeführt.
Dennoch übernahm später auch der „Bürgerkönig“ Louis-Philippe I. heraldische Elemente Napoleons in das Staatswappen der Julimonarchie: Dem Wappenmantel mit den Bourbonenlilien wurden der Orden der napoleonischen Ehrenlegion sowie die Trikoloren der Revolution aufgelegt, die gekreuzten Zepter mit der Schwurhand als Zeichen der Gerechtigkeit und dem Reichsapfel sind ebenfalls dem napoleonischen Kaiserwappen nachempfunden.
Napoleonische Städteheraldik
Eine weitere Eigenart der napoleonischen Heraldik war die Verleihung besonderer Wappen an Städte. Diese Städteheraldik wurde bisweilen auf die dem Kaiserreich angegliederten Städte ausgedehnt. So führten etwa die Städte Hamburg, Bremen, Köln, Mainz, Aachen und Genf diese neuen verordneten Wappen. Einige deutsche Städtewappen wurden auch gänzlich verändert, etwa erhielt Bremen einen gestürzten schwarzen Schlüssel im goldenen Feld (siehe Bremer Franzosenzeit).
Die Städte klassifizierte das neue System in drei Ordnungen.
- Städte erster Ordnung
Sie wurden Gute Städte des französischen Kaiserreiches (Bonnes villes de l'Empire français) genannt. Hier waren im roten Schildhaupt drei goldenen Bienen. Um den Schild war ein von roten Bändern umflochtener goldener Kranz gelegt, der rechts aus Olivenzweigen und links aus Eichenzweigen bestand. Auf dem Schild war ein Merkurstab und darüber eine hohe goldene Mauer mit einer sieben zinnigen Mauerkrone, aus der ein goldener Adler wuchs.
- Städte zweiter Ordnung
Im Schild war eine blaue rechte Vierung und darin ein von einem fünfstrahligen goldenen Stern überhöhtes goldenes „N“. Über dem Schild befand sich ein Merkurstab und eine hohe, den Schild bedeckende, silberne Mauerkrone mit fünf Zinnen. Um den Schild war ein silberner Kranz mit blauen Bändern gelegt.
- Städte dritter Ordnung
Im Schild befand sich eine rote linke Vierung mit silbernem, von einem fünfstrahligen Stern überhöhten „N“. Über dem Schild ein mit goldenen Ähren gefüllter goldener Korb, an dem rechts ein grüner Kranz von Oliven-, links von Eichenzweigen mit roten fliegenden Bändern hing.
Napoleonische Adelswappen
Besonders für den Adel war diese Heraldik wie eine Klassifizierung. Eine besondere Bedeutung erlangten die rechte obere und linke obere Vierung, wie man sie auch von der Flagge der Vereinigten Staaten kennt, deren Sternensymbolik bei napoleonischen Adelswappen ebenfalls oft anzufinden ist, etwa beim Herzog Fouché d’Otrante. Die Ecksetzung geht auf britische Marineflaggen zurück. Die rechte obere Vierung blau tingiert bezeichnete einen Grafen, die linke rot tingiert einen Freiherren bzw. Baron. Entgegen der alten heraldischen Regel wurde die Vierung nach Bedarf vergrößert oder verkleinert. Bei gevierten und quergeteilten Schilden betrug sie ein Viertel des Schildes, bei einer Teilung durch einen Balken reichte sie bis zu diesem, bei Schilden mit Schildhaupt ragte sie in diesen hinein. Enthielt der Schild einen Schrägbalken, so fiel die Diagonale der Vierung mit der des Balkens zusammen. Befand sich im Schild ein gemeines Kreuz, nahm die Vierung nicht das ganze obere Viertel ein. Die Vierung diente zur Kennzeichnung der Ämter des Wappeninhabers.
Beispiele
- Kaiserwappen: Der Kaiser führte über seinem mit dem Adler geschmückten Schild die Kaiserkrone. Hinter dem Schild kreuzten sich zwei lange goldene Zepter. Das rechte zeigte eine silberne Schwurhand als Zeichen der Gerechtigkeit, das linke eine goldene, den gekrönten Kaiser Karl den Großen mit Zepter und Reichsapfel darstellende Figur.
- Wappen v Joachim Murat: Dieses Wappen von Joachim Murat als Großherzog von Berg (reg. 1806–1808) war eine napoleonische Schöpfung. Es zeigte im silber-rot gespaltenen Schild einen silbernen Doppelanker (er war gleichzeitig Großadmiral des französischen Reiches). Rechts von der Mitte des Ankers schritt ein roter Löwe (für Berg), links befand sich der Lilienzepterstern (für Kleve), der Mitte des Ankers ein blauer Herzschild mit einem goldenen Adler auf einem Donnerkeil (für den Großherzog). Das Wappen. wurde von der Kette des Großkreuze des Ordens der Ehrenlegion umschlossen. Auf der mit goldenen Bienen besäten Wappendecke zwei kreuzweise gelegte Marschallstäbe.
- Prinzen-Großwürdeträger erhielten statt der Rangkronen schwarze Samtmütze mit einem Stulp von rotgoldenen Eisenhütlein. An der Mütze befand sich ein goldener Halter mit sieben fächerförmig gestellten, weißen, geschwungenen Federn. Die Wappen dieser Rangklasse erhielten ein blaues Schildhaupt, das mit steigenden goldenen Bienen besät war. Die Wappen waren von einem blauen, hermelingefütterten, mit goldenen Bienen besäten Mantel umgeben, der von einer hermelingestülpten blauen, dem Kurhut ähnlichen Ehrenmütze (bonnet d'honneur) gehalten wurde.
- Die neuernannten Herzöge des Kaiserreiches führten eine Mütze wie die Prinzen-Großwürdeträger, jedoch hatte diese einem Aufschlag von Hermelin. Die Wappen enthielten ein rotes, mit fünfstrahligen silbernen Sternen besätes Schildhaupt. Der blaue Wappenmantel war unten mit weißen Eisenhütlein gefüttert.
- Die Grafen-Senatoren führten eine schwarze Samtkappe mit einem Aufschlag von Hermelin und fünf Federn.
- Grafen-Erzbischöfe führten eine gleiche wie Grafen-Senatoren, jedoch mit einem Aufschlag von Gegenhermelin und goldener Agraffe mit fünf Federn. Über diese Wappen ein roter, breitkrempiger Hut mit gleichfarbigen, seidenen Schnüren, die verschlungen zu beiden Seiten des Schildes in fünf Quasten endeten.
- Die Grafen-Militärs bedienten sich der vorigen Kappe, die Barone-Militärs ebenfalls, jedoch mit einem Aufschlag von Gegenfeh (Eisenhütlein).
- Barone-Bischöfe führten eine gleiche Mütze. Über deren Wappen befand sich ein breitkrempiger grüner Hut mit je vier grünen Quasten. Über den Wappen der Ritter der Ehrenlegion befand sich eine schwarze Mütze mit grünem Aufschlag und weißem Federbusch. Im Schild erschien das Ordenszeichen an den verschiedensten Stellen, vielfach auf einem roten Pfahl.
- Graf ohne besonderen Stand oder Großkreuzinhaber des Ordens der Ehrenlegion: einfache blaue rechte Vierung. Die Grafen des Kaiserreiches führten über ihren Wappen eine schwarze mit Eisenhütlein versehene goldbordierte Kochmütze, um die ein goldener Reif mit einer Agraffe mit fünf silbernen Straußenfedern gelegt war. Aus der Mütze gingen helmdeckenartige goldene Arabesken hervor. Das Wappen war von einem gelbgefütterten blauen Mantel umgeben.
- Graf-Senator: blaue rechte Vierung, in der sich ein ovaler, goldgefasster Handspiegel befand. Der Griff des Spiegels war von einer nach rechts züngelnden Schlange umgeben.
- Graf-Minister: blaue rechte Vierung mit nach rechts gewendetem, rotbezungtem, goldenem Löwenrumpf.
- Graf-Staatsrat: blaue rechte Vierung, golden und blau gewürfelt.
- Graf-Präsident des gesetzgebenden Körpers: blaue rechte Vierung mit den goldenen Gesetzestafeln Moses.
- Graf-Erzbischof blaue rechte Vierung mit goldenem, die Ränder berührendem Tatzenkreuz.
- Graf-Militär: blaue rechte Vierung mit aufrechtem, silbernem und goldbegrifftem Schwert.
- Graf-Hausoffizier des Kaisers: blaue rechte Vierung mit zwei auf einem Postament stehenden goldenen Säulen, darüber ein Spitzdach. Rechts der Säulen ein goldenes „D“, links ein goldenes „A“.
- Graf-Hausoffizier der kaiserlichen Prinzen: wie bei Hausoffizier des Kaisers, jedoch die Buchstaben „D“ und „J“ innerhalb der Säulen.
- Graf-Minister im auswärtigen Dienst: blaue rechte Vierung mit silbernem Löwenrumpf.
- Graf-Präfekt. blaue rechte Vierung mit goldener Mauer, darüber ein goldener Eichenzweig.
- Graf-Maire: wie bei Graf-Präfekt, jedoch ohne Eichenzweig.
- Graf-Präsident des Wahlkollegiums: blaue rechte Vierung mit drei seitlich aneinanderhängenden, goldenen, aufrechten, die Wahlzettel symbolisierenden Wecken.
- Graf-Mitglied des Wahlkollegiums: blaue rechte Vierung mit schrägrechts gestelltem, goldenem Eichenzweig.
- Graf-Grundbesitzer: blaue rechte Vierung mit aufrechter goldener Ähre.
- Baron ohne besonderes Amt: linke obere Vierung in roter Tinktur. Die Barone des Kaiserreiches führten über ihren Wappen eine schwarze Kochmütze mit einem silberbordierten Stulp, der mit fünf silbernen kleinen Sternen belegt war. Am Stulp war eine silberne Agraffe mit drei Straußenfeder angebracht. Aus der Mütze gingen umrahmende silberne Arabesken hervor.
- Baron-Bischof: rote linke Vierung mit schwebendem, silbernem, gemeinem Kreuz.
- Baron-Militär: rote linke Vierung mit auf rechtem silbernem Schwert mit einem goldenen Griff.
- Baron-Offizier des kaiserlichen Hauses: rote linke Vierung, darin Symbol wie bei Graf-Hausoffizier des Kaisers, jedoch silbern.
- Baron-Minister im auswärtigen Dienst: rote linke Vierung mit einem silbernen Löwenrumpf.
- Baron-Hausoffizier der kaiserlichen Prinzen: wie bei Graf-Hausoffizier, jedoch in roter linker Vierung.
- Baron-Mitglied des Staatsrates: rote linke Vierung, von Rot und Gold bzw. gelb geschacht.
- Baron-Präsident und Baron-Generalprokurator des Kassationshauses: rote linke Vierung mit silberner Waage.
- Baron-Präsident und Baron-Generalprokurator des kaiserlichen Hofes: rote linke Vierung mit schwarzer, hermelinbesetzter Prokuratorenmütze.
- Baron-Sanitätsoffizier der Armee: rote linke Vierung mit schräglinks gestürztem, silbernem Schwert.
- Baron-Präsident des Wahlkollegiums: rote linke Vierung mit drei pfahlweise gestellten, silbernen, rhombenförmigen Wahlzetteln.
- Baron-Präfekt: rote linke Vierung mit silberner Mauer, darüber ein silberner Eichenzweig.
- Baron-Unterpräfekt: rote linke Vierung mit silbernem, reich befruchtetem Eichenzweig.
- Baron-Maire: rote linke Vierung mit silberner Mauer.
- Baron-Mitglied des Wahlkollegiums: rote linke Vierung mit schrägrechts gestelltem, silbernem Eichenzweig.
- Baron-Mitglied des Sanitätscorps: rote linke Vierung mit schrägrechtem, silbernem Palmenzweig.
- Baron-Grundbesitzer: rote linke Vierung mit aufrechter silberner Ähre.
- Gelehrter: rote linke Vierung mit silbernem Palmenzweig.
Heraldische Kronen
- Kaiserkrone Napoléons I.
- Kaiserkrone Napoléons III.
- Krone souveräner Fürsten
- Toque (Federhut) der Princes grands dignitaires
- Toque der Herzöge des Kaiserreichs und des Königreichs Italien
- Toque der Comtes-Sénateurs de l'Empire und Italiens
- Toque der Barons de l'Empire und Italiens
- Toque der Chevaliers de l'Empire und Italiens
Siehe auch
Weblinks
- private Seite Grafische Beispiele der napoleonischen Heraldik (PDF-Datei; 246 kB)
Literatur
- H. Simon: Armorial general de l'Empire francois. Paris 1812.
- M. Gritzner: Handbuch der heraldischen Terminologie. (Einleitungsband zum Neuen Siebmacher, Abt. A). Nürnberg 1890.
- Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Leipzig 1984.
- Milan Buben: Heraldik. Albatros, Prag 1987.
- Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst. Callwey, München 2001, ISBN 3-8289-0768-7.