Nanotyrannus
Nanotyrannus („Kleiner Tyrann“, aus griech. nanos „Zwerg“ und tyrannos „König, Tyrann“[1]) war der Gattungsname theropoder Dinosaurier, welche der Familie der Tyrannosauridae zugerechnet wurden, die am Ende der Kreidezeit vor etwa 72 bis 66 Millionen Jahren (Maastrichtium) im westlichen Nordamerika lebten.
Nanotyrannus | ||||||||||||
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Abguss des Schädels von „Jane“ im Burpee Museum of Natural History | ||||||||||||
Zeitliches Auftreten | ||||||||||||
Oberkreide (Maastrichtium) | ||||||||||||
72 bis 66 Mio. Jahre | ||||||||||||
Fundorte | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Nanotyrannus | ||||||||||||
Bakker, Currie & Williams, 1988 | ||||||||||||
Art | ||||||||||||
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Wie alle Tyrannosauriden war auch Nanotyrannus ein bipeder Fleischfresser, der mit fünf Metern Länge jedoch deutlich kleiner als seine Verwandten war. Ein isolierter Schädel (Typmaterial) dieser Gattung wurde bereits 1942 entdeckt; ein vollständigeres Teilskelett, genannt „Jane“, entdeckten Forscher im Jahr 2001. Beide Funde stammen aus der Hell-Creek-Formation von Montana, damit teilte Nanotyrannus seinen Lebensraum mit dem deutlich größeren Tyrannosaurus rex. Viele Paläontologen vermuten heute, dass es sich bei Nanotyrannus um ein Jungtier des Tyrannosaurus (juveniles Synonym) handelt. Neuere Untersuchungen stützen diese Annahme; das Taxon Nanotyrannus ist demnach wahrscheinlich ungültig.[2]
Entdeckungs- und Forschungsgeschichte
Das 1942 entdeckte Typexemplar (Katalognummer CMN 7541), ein kleiner Schädel, wurde ursprünglich 1946 von Charles W. Gilmore dem Gorgosaurus lancensis (heute als Albertosaurus bekannt) zugeschrieben.[3] Robert T. Bakker, Phillip Currie und Michael Williams beschrieben den Fund im Jahr 1988 neu und folgerten, dass die Schädelknochen verschmolzen waren, was für ein adultes Tier spräche. So stellte diese Forschergruppe eine neue Gattung auf, die sie aufgrund der kleinen Größe Nanotyrannus nannte.[4] Andere Forscher bezweifelten jedoch diese Zuordnung und nehmen häufig an, es handle sich bei Nanotyrannus um einen juvenilen Tyrannosaurus rex. Der Schädel ist heute im Cleveland Museum of Natural History ausgestellt.
Im Jahr 2001 entdeckte eine Forschergruppe des Burpee Museum of Natural History in Rockford (Illinois) ein vollständigeres, zu 50 % erhaltenes Nanotyrannus-Exemplar, das auf den Spitznamen „Jane“ getauft wurde (Katalognummer BMRP 2002.4.1.).[5] Der Fund besteht aus einem vollständigen, 57,2 Zentimeter langen Schädel sowie aus weiterem Skelettmaterial (Postkranium). „Jane“ ist heute im Burpee Museum für die Öffentlichkeit ausgestellt. In einer Konferenz, die im Burpee Museum gehalten wurde und die Gültigkeit von Nanotyrannus zum Thema hatte, sahen viele Paläontologen wie Phillip Currie und Donald Henderson die neue Entdeckung als eine Bestätigung, dass es sich bei Nanotyrannus tatsächlich um einen juvenilen Tyrannosaurus rex oder eine eng verwandte Art handeln musste.[6][7] Peter Larson, auf der anderen Seite, unterstützte weiterhin eine eigene Gattung für Nanotyrannus.[8] Es wurde spekuliert, dass Nanotyrannus in Rudeln gejagt haben könnte, so wurden die Zähne von verschiedenen Nanotyrannus-Individuen in den Knochen herbivorer Dinosaurier entdeckt.[9]
In einer 2020 in Science Advances veröffentlichte Studie enthüllten Forscher eine detaillierte Analyse von Knochenquerschnitten juveniler Tyrannosaurus.[2] Die Ergebnisse legen nahe, dass die Wachstumsraten von Tyrannosaurus mit zunehmendem Alter variierten und dass die Art ihr Wachstum verlangsamen konnte, wenn die Nahrung knapp war, was ihnen möglicherweise einen evolutionären Vorteil verschafft haben könnte. Einige der so untersuchten Knochen von Nanotyrannus bestätigten, dass es sich tatsächlich um Jungtiere handelt. Nanotyrannus war also entweder größer als bisher angenommen, oder – was die Forscher für viel wahrscheinlicher halten – die Fossilien gehören zu jungen Tyrannosaurus.
Bezüglich der Ansicht, Nanotyrannus sei keine eigene Gattung, sondern ein juveniles Synonym von Tyrannosaurus, besteht in der Wissenschaft inzwischen weitgehend Konsens. Für eine 2021 veröffentlichte Studie zur Beißkraft junger Tyrannosaurus wurde unter anderem ein Oberkieferzahn von „Jane“ untersucht. Dabei wurden 5.600 Newton ermittelt.[10]
Weblinks
Einzelnachweise
- Ben Creisler: Dinosauria Translation and Pronunciation Guide N. In: Dinosauria On-Line. Archiviert vom Original am 22. Januar 2010; abgerufen am 29. Juli 2008 (englisch).
- Holly N. Woodward, Katie Tremaine, Scott A. Williams, Lindsay E. Zanno, John R. Horner: Growing up Tyrannosaurus rex: Osteohistology refutes the pygmy “Nanotyrannus” and supports ontogenetic niche partitioning in juvenile Tyrannosaurus. In: Science Advances. Band 6, Nr. 1, 1. Januar 2020, ISSN 2375-2548, S. eaax6250, doi:10.1126/sciadv.aax6250 (sciencemag.org [abgerufen am 14. Februar 2020]).
- Charles W. Gilmore: A new carnivorous dinosaur from the Lance Formation of Montana (= Smithsonian Miscellaneous Collections. Bd. 106, Nr. 13, ISSN 0096-8749 = Smithsonian Institution. Publication. 3857). Smithsonian Institution, Washington DC 1946, Digitalisat.
- Robert T. Bakker, Michael Williams, Philip J. Currie: Nanotyrannus, a new genus of pygmy tyrannosaur, from the latest Cretaceous of Montana. In: Hunteria. Bd. 1, Nr. 5, 1988, ZDB-ID 1251702-1, S. 1–30.
- Philip J. Currie, Jørn H. Hurum, Karol Sabath: Skull structure and evolution in tyrannosaurid dinosaurs. In: Acta Palaeontologica Polonica. Bd. 48, Nr. 2, 2003, ISSN 0567-7920, S. 227–234, (PDF; 137 kB).
- Philip J. Currie, Mike Henderson, Jack R. Horner, Scott A. Williams: On tyrannosaur teeth, tooth positions and the taxonomic status of Nanotyrannus lancensis. In: The origin, systematics, and paleobiology of Tyrannosauridae. A Symposium hosted jointly by Burpee Museum of Natural History and Northern Illinois University. Abstracts 2005. S. 19.
- Donald Henderson: Nano No More: The death of the pygmy tyrant. In: The origin, systematics, and paleobiology of Tyrannosauridae. A Symposium hosted jointly by Burpee Museum of Natural History and Northern Illinois University 2005. Abstracts. S. 17.
- Peter Larson: A case for Nanotyrannus. In: The origin, systematics, and paleobiology of Tyrannosauridae. A Symposium hosted jointly by Burpee Museum of Natural History and Northern Illinois University 2005. Abstracts. S. 18.
- Karen Nordquist: Karen’s Komments. 2004, abgerufen am 11. März 2007.
- Joseph E. Peterson, Z. Jack Tseng, Shannon Brink: Bite force estimates in juvenile Tyrannosaurus rex based on simulated puncture marks. In: PeerJ. Band 9, 2. Juni 2021, ISSN 2167-8359, S. e11450, doi:10.7717/peerj.11450 (peerj.com [abgerufen am 7. Juni 2021]).