Millstätter Blutsegen
Der Millstätter Blutsegen (auch Millstätter Blutspruch[1]) ist ein gereimter mittelalterlicher Zaubersegen aus der Gruppe der Jordansegen[2][3] (wozu auch der sogenannte Schlettstädter Blutsegen[4] gehört) bzw. ein Gebet, das zum Wenten, also zum „Abbeten“ von Krankheiten verwendet wurde und in seiner Funktion einem Zauberspruch entspricht. Der Segen bzw. das Gebet sollte zur Blutstillung (zum Beispiel bei Nasenbluten) angewendet werden und stammt aus dem frühen 12. Jahrhundert und wurde wahrscheinlich im späteren Aufbewahrungsort, dem Benediktinerstift Millstatt in Kärnten, in einen älteren lateinischsprachigen Kodex geschrieben. Die Sprache des Textes ist bairisch-alemannisches Mittelhochdeutsch, jedoch noch vor der sich im selben Jahrhundert aus dieser Region ausbreitenden neuhochdeutschen Diphthongierung.
Herkunft
Der Millstätter Blutsegen ist in zwei mittelalterlichen Versionen erhalten. Die ältere liegt heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien und ist im Codex 1705 auf Blatt 32r zu finden.[5] Dieser Codex stammt aus dem Stift Millstatt und wurde erst im 15. Jahrhundert aus Einzelstücken gebunden. Aus diesem Grund wurde vermutet, dass das Blatt, auf dem sich der Blutsegen befindet, eigentlich aus dem Kloster St. Blasien im ehemals vorderösterreichischem Südschwarzwald stammt und nach Auflösung des Klosters 1806 nach Kärnten gebracht wurde. Diese Vermutung konnte bis dato nicht bestätigt oder widerlegt werden. Lauthistorisch driften die bairisch-österreichischen und alemannischen Dialekte auch erst durch die Diphthongierung im 12. Jahrhundert auseinander, weshalb für diese Zeit aus dem relativ kurzen Text nicht genau erkennbar ist, ob die Sprache des Blutsegens eher zur Region Kärnten oder dem Schwarzwald passt.
Eine zweite Version ist in einem oberitalienischen Codex aus dem 9. Jahrhundert zu finden, der sich ab dem 11. Jahrhundert nördlich der Alpen befand und in den im 12. und 13. Jahrhundert mehrere Segen eingeschrieben wurden, unter anderem der Blutsegen. Später war dieser Codex im Besitz des Straßburger Senators Sebastian Mieg und wurde nach dessen Tod 1609 vom schwedischen Gelehrten Johannes Scheffer erworben und vom Elsass nach Uppsala gebracht. 1719 spendeten dessen Erben den Codex an die dortige Universität, wo er sich noch heute im Archiv befindet.[6][7]
Text
Originalfassung[8] | Übersetzung |
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Der heligo Christ wart geboren ce Betlehem |
Der heilige Christus ward geboren zu Betlehem |
Siehe auch
Literatur
- Hans-Hugo Steinhoff: Millstätter Blutsegen. In: Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band VI, Sp. 531.
Einzelnachweise
- Ruhr-Uni Bochum: Millstätter Blutspruch (Memento des Originals vom 27. März 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Blutsegen zur Beschwörung von Blutungen mit Motiven aus der Bibel (Durchzug der Israeliten durch den Jordan und das Rote Meer, Taufe von Jesus Christus im stehengebliebenen Jordan). Vgl. Hans-Hugo Steinhoff: ‚Ad fluxum sanguinis narium‘. In: Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 1, Sp. 29.
- Wolf-Dieter Müller-Jahncke: Jordansegen. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 704 f. („Magischer Segen, der auf dem Stillstand des Wassers nach biblischer Tradition beruht. [...]“).
- Hans-Hugo Steinhoff: ‚Schlettstädter Blutsegen Wazzer fluzit Iordan heizzit‘. In: Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 8, Sp. 714. f.
- Handschriftencensus: Wien, Österr. Nationalbibl., Cod. 1705. Abgerufen am 10. Dezember 2020.
- Rolf Bergmann, et al.: Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften; Uppsala, Universitetsbiblioteket C. 664; Walter de Gruyter, 2005, ISBN 3-11-018272-6
- Handschriftencensus: Uppsala, Universitätsbibl., Cod. C 664, hinteres Spiegelblatt. Abgerufen am 10. Dezember 2020.
- Heinrich Beck, Heiko Uecker: Studien zum altgermanischen; Seite 567; Walter de Gruyter, 1994, ISBN 3-11-012978-7