Meerjungfrau
Eine Meerjungfrau, auch Seejungfrau oder Fischweib, ist ein weibliches Fabelwesen, ein Mischwesen aus Frauen- und Fischkörper, das den Legenden und dem Aberglauben nach im Meer oder anderen Gewässern lebt. Als männliches Gegenstück zur Meerjungfrau gilt der Wassermann.
Wesen
Charakteristisches Merkmal der Meerjungfrau ist ihre Erlösungsbedürftigkeit. Meist handelt es sich um ein seelenloses oder verdammtes Wesen, das nur durch die Liebe eines menschlichen Gemahls von seinem Schicksal befreit werden kann.
Wie alle weiblichen Wasserwesen ist die Meerjungfrau in der tiefenpsychologischen Deutung eine Form des Mutterarchetyps, eine Ausprägung der sogenannten Anima (vgl. Carl Gustav Jung). Anders als bei den schützenden Wasserfrauen und den bedrohlichen Nixen kommt bei der Meerjungfrau aber eher der Aspekt des schutz- und erlösungsbedürftigen Weibchens zum Ausdruck.
In der Heraldik ist die Meerfrau (neutral ohne Bezug auf Jungfräulichkeit) eine anerkannte Wappenfigur.
Meerjungfrauen wurden in der Kunstgeschichte oft mit Wollust in Verbindung gebracht.[1][2]
Abgrenzung zu vergleichbaren Fabelwesen
Schwer abzugrenzen ist die Meerjungfrau von ähnlichen Wesen
- Wasserfrauen (Aspekt der Mütterlichkeit bzw. der Liebe)
- Nixen (Aspekt der Bedrohung bzw. Verführung)
Bei zahlreichen Wasserwesen ist eine eindeutige Zuordnung zu einer der Kategorien nicht möglich (z. B. „Die schöne Lau“ von Eduard Mörike). Zudem werden gerade in neuerer Zeit die genannten Begriffe häufig verwechselt – falls es überhaupt jemals eine klare Trennung gab – und wie Synonyme verwendet.
Die Sirenen sind in der griechischen Mythologie weibliche Fabelwesen (Mischwesen aus ursprünglich Frau und Vogel), welche durch betörenden Gesang die vorbeifahrenden Schiffer anlocken, um sie zu töten. Dies geschieht, indem sie ihre Opfer schnell in die Tiefe ziehen. Die Betroffenen kommen daher oft nicht infolge von Ertrinken ums Leben, sondern sterben durch die Einwirkungen des Wasserdrucks. Sirenen werden fälschlicherweise oft mit Meerjungfrauen und Nixen verwechselt oder gleichgesetzt, da sie im Mittelalter auch mit Fischschwänzen dargestellt wurden. Sie gehören jedoch ursprünglich in den Bereich der Todesdämonen und waren mit den Harpyien und Lamien verwandt.
Die Rusalka ist in der slawischen Mythologie eine ertrunkene Jungfrau oder vom Wodjanoi, dem männlichen Gegenstück zur Rusalka, in sein Unterwasser-Reich gewaltsam entführte Frau.
Abgrenzung zu Fabelwesen mit eigenständiger Historie
Die Gestalt des Ningyo im japanischen Volksglauben wird oft mit Meerjungfrau übersetzt, hat entstehungsgeschichtlich jedoch nichts mit der Fabelgestalt westlicher Prägung zu tun. Sie hat sich trotz äußerer Ähnlichkeit unabhängig davon entwickelt. Ähnlich eigenständig hat sich die schottische Figur des Selkies entwickelt, die sich als Sagengestalt auf eine Robbe gründet.
Die Südtiroler Gestalt der Anguana ist kein Fabelwesen, sondern ein weiblicher Dämon.
Gestalt
Ihre äußere Gestalt teilen die Meerjungfrauen mit den bereits genannten anderen weiblichen Wasserwesen. Ihre schönen jungen Körper sind nur in der oberen Hälfte menschlich, die untere Hälfte (meist ab der Hüfte) wird als mit Schuppen bedeckter Fischschwanz beschrieben. Auf den meisten Abbildungen ist die Schwanzflosse aber keine senkrechte Fischflosse, sondern eine waagerechte Fluke wie bei den Meeressäugern. Ihre Haare können grün schimmern oder ganz und gar grün sein, durchaus aber, je nach Darstellung, auch andere Farben aufweisen.
Die Beschreibung geht auf die Eindrücke von Seefahrern zurück, die schöne junge Frauen gesehen haben wollen, die sich bei gutem Wetter auf Klippen sonnen. Möglicherweise sind viele dieser Sichtungen damit zu erklären, dass Seekühe oder andere Tiere von den Seeleuten für Meerjungfrauen gehalten wurden.
Bekannte Meerjungfrauen
Älteste Vertreterin des Typus ist Undine, ein weiblich-jungfräulicher Wassergeist, der erst nach Vermählung mit einem Menschenmann eine Seele bekommt. Sie tauchte erstmals in Schriften des frühen 14. Jahrhunderts auf.
Abgewandelt wird das Motiv bei Melusine, einer dem schwäbischen Raum entstammenden Volkssagen. Die Seejungfrau wandelt an sechs Wochentagen als Menschenfrau umher und erlangt nur an Samstagen ihre ursprüngliche Gestalt. Die Neugierde ihres menschlichen Gatten verhindert ihre Erlösung.
Darüber hinaus tauchen Seejungfrauen insbesondere in den Märchen/Sagen Die Wasserjungfer und Die Grüne Jungfer (beide Harz) sowie Die schöne Brunnenfrau (Lothringen) auf. Besondere Bedeutung kommt insofern der Sage vom Stauffenberger (Schwarzwald) zu, die unter anderem Paracelsus in seinem liber de nymphis aus dem 16. Jahrhundert und Achim von Arnim in Des Knaben Wunderhorn von 1808 aufgreifen.
Die bekannteste Meerjungfrau stammt aus der Feder des dänischen Märchendichters Hans Christian Andersen (1837): Die kleine Meerjungfrau. Auch ihre Erlösung scheitert, da sie trotz schwerer Opfer nicht die Liebe des Prinzen gewinnen kann und zu Meerschaum wird. Verewigt wurde die Figur im Wahrzeichen Kopenhagens. Eine ähnliche Statue (Havis Amanda) befindet sich in Helsinki. Sehr bekannt sind auch die tschechischen Märchenverfilmungen sowie Walt Disneys Umsetzung in dem Film Arielle, die Meerjungfrau, eines der älteren Kunstmärchen der Neuzeit.
Als Nebenfiguren tauchen Meerjungfrauen auch in Peter Pan auf.
In der Serie Spongebob Schwammkopf gibt es außerdem die abgewandelte Figur des „Meerjungfraumanns“, der in der Serie mit seinem Partner Blaubarschbube ein greises Superheldenduo stellt und stark an Aquaman von DC Comics angelehnt ist. Bei dieser Zeichentrickserie gibt es auch eine Figur inspiriert von dem Griechischen Gott „Neptun“, genannt „König Neptun“ der im Form eines Wassermanns dargestellt wird. König Neptun hat dort eine Tochter namens „Prinzessin Mindy“, die in Form einer Meerjungfrau auftritt.
Das Motiv der Meerjungfrau in der wandelnden Badewanne stammt aus dem modernen Märchen „Die Meerjungfrau im Trockenen“ von Christian Peitz.
In der Jugendserie H2O – Plötzlich Meerjungfrau verwandeln sich drei australische Mädchen bei Wasserkontakt zu Meerjungfrauen.
Die Jugendserie Mako – Einfach Meerjungfrau ist eine Weiterführung der oben aufgelisteten Serie "H2O – Plötzlich Meerjungfrau" und bei diesem mal geht es um drei Meerjungfrauen, die viele Abenteuer an Land erleben und bestehen müssen. Alles nur, weil ein „Landmensch“ in den Mondsee gefallen ist, und nun ein „Meermann“ ist. „Meermänner“ sind eine Bedrohung für Meerjungfrauen, da sie durch den Dreizack gewaltige Kräfte besitzen und diese Kraft nicht gut verwenden.
Bildlich dargestellt wurden Meerjungfrauen als Galionsfiguren am Bug von Schiffen. Häufig anzutreffen sind sie auch als Motiv in der Kunst des Jugendstils.
Mermaiding
Bei dieser Schwimmsportart wird versucht, sich in einem entsprechenden Kostüm mit einer Monoflosse (mit oder ohne Stoffbezug) in wellenförmigen Bewegungen wie eine Meerjungfrau im Wasser fortzubewegen.[3] Der Schwimmstil ähnelt dem Flossenschwimmen und dem Delfin-Stil.
Weltweit gibt es mittlerweile Frauen und Männer, die als „professionelle Meerjungfrauen und Meermänner“ als Entertainer oder Unterwassermodels arbeiten. Zu den bekanntesten professionellen Meerjungfrauen gehören Mermaid Melissa,[4] Hannah Mermaid[5] und die deutsche Mermaid Kat.[6]
Trivia
Im Film Waterworld der US-amerikanischen Regisseure Kevin Reynolds und Kevin Costner von 1995 spielt Kevin Costner mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen und Kiemenöffnungen hinter den Ohren mit dem Mariner eine männliche Entsprechung eines Fisch-Mensch-Mischwesens ("Ichthyo sapiens").
Im Schweizer Film „Blue My Mind“ (2017) von Lisa Brühlmann mit Hauptdarstellerin Luna Wedler zeigt die Regisseurin eine überaus realistische Verwandlung eines Teenagers in eine Meerjungfrau.
Siehe auch
- Meerfrau (Wappenmotiv)
- Liste von Filmen mit Meerjungfrauen
- Meerjungfrauensyndrom, eine angeborene Fehlbildung der Beine
- Warschauer Seejungfer, das Wappen der Stadt Warschau
Literatur
- Hans Christian Andersen, Quentin Gréban (Illustrationen), Christina Lemke (Redaktion): Die kleine Meerjungfrau. (Originaltitel: Den lille havfrue), NordSüd, Zürich 2008, ISBN 978-3-314-01643-1.
- Ilse Bintig, Christa Unzner (Illustrationen): Die kleine Meerjungfrau. Arena, Würzburg 2004, ISBN 978-3-401-05704-0.
- Andreas Kraß: Meerjungfrauen. Geschichten einer unmöglichen Liebe. Fischer, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-10-038195-8.
- Theresia Klugsberger: Verfahren im Text. Meerjungfrauen in literarischen Versionen und mythischen Konstruktionen von H. C. Andersen, H. C. Artmann, Konrad Bayer, Christoph Martin Wieland, Oscar Wilde. Akademischer Verlag, Stuttgart 1989, ISBN 3-88099-226-6.
- Christian Peitz: Die Meerjungfrau im Trockenen auf Rumpelstilzchen schlägt zurück. Hörsketch, Münster 2009, ISBN 978-3-9811255-9-7.
- Barbara Stamer (Hrsg.): Märchen von Nixen und Wasserfrauen. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-596-22873-5
Weblinks
Einzelnachweise
- Yves Morvan, La Sirène et la luxure, Communication du Colloque "La luxure et le corps dans l'art roman", Mozac, 2008
- Teodolinda Barolini, La Commedia senza Dio: Dante e la creazione di una realtà, 2003, p.150
- Mermaiding: Schwimmen wie eine Meerjungfrau - Trend erreicht Österreich. news.at, 21. März 2014, abgerufen am 12. November 2014.
- Hannah Parry: Mermaid Melissa wears her 'tail' everyday can hold her breath underwater for five minutes. In: Daily Mail Online. 2. Juni 2015, abgerufen am 26. Dezember 2015.
- Simon Keegan: See real-life mermaid Hannah Fraser swim with whales in stunning pictures. In: Mirror. 27. Oktober 2013, abgerufen am 27. Dezember 2015 (englisch).
- Mermaid Kat Offizielle Website: mermaid-kat.de