Marc Ribot
Marc Ribot (* 21. Mai 1954 in Newark, New Jersey) ist ein US-amerikanischer Avantgarde-Gitarrist und Komponist. Seit den 1990er-Jahren gehört er zu den vielseitigsten Gitarrenvirtuosen des Jazz.[1]
Biografie
Marc Ribot nahm als Teenager klassischen Gitarrenunterricht bei Frantz Casseus, der ein Freund der Familie war. 1978 zog er nach New York und spielte unter anderen mit dem Jazz-Organisten Jack McDuff und dem Soul-Sänger Wilson Pickett. Zwischen 1979 und 1983 war er Mitglied der Band Realtones/Uptown Horns Band und von 1984 bis 1989 der Lounge Lizards. In dieser Zeit spielte er auch in den Bands von Tom Waits und Elvis Costello. Sein Gitarrenspiel gilt als eines der entscheidenden Elemente des Stilwandels, den Waits auf Rain Dogs vollzog. 1990 präsentierte er seine eigene Gruppe Rootless Cosmopolitans mit Don Byron und Anthony Coleman, die zwei Alben veröffentlichte; seit 1994 arbeitete Ribot mit der bläserlosen Formation Shrek (gleichnamiges Album sowie Livealbum). Wenngleich Ribot im Allgemeinen der Avantgarde zugerechnet wird, hat er durchaus auch seine populären Seiten: So hat er mit seiner Band Los Cubanos Postizos zwei Alben mit kubanisch inspirierter Musik als Hommage an Arsenio Rodríguez aufgenommen. Ein weiterer Schwerpunkt neben seinen Band- und Sidemanaktivitäten sind diverse Solokonzerte und -aufnahmen, u. a. zur Vertonung von Stummfilmen.
In vielen seiner Aufnahmen reinterpretiert Ribot bekannte Kompositionen anderer Künstler, u. a. mehrere von Albert Ayler (auf dem Album Spiritual Unity sowie Live at the Village Vanguard des Marc Ribot Trio mit Chad Taylor und Henry Grimes), John Coltrane (auf Live at the Village Vanguard), Jimi Hendrix (The Wind Cries Mary auf Rootless Cosmopolitans und Yo! I Killed Your God), The Doors (Break on Through auf Party Intellectuals), sowie Jazzstandards wie Take Five (Your Turn), I’m Confessin’ (Live at the Village Vanguard).
Obwohl er Linkshänder ist, spielt er eine Rechtshänder-Gitarre. Das technische Handicap gleicht er mit einer individuellen und einfallsreichen Spielweise aus. Der Autor und Musikkritiker Robert Fischer zitiert ihn mit den Worten, dass es „ein großes Maß an Kontrolle brauche, um Musik zu schaffen, die klingt, als ob sie unkontrolliert sei“.[2] Laut den Autoren des Jazzbuchs „hat er alle Sounds und Techniken ‚drauf‘, die jemals auf der elektrischen Gitarre gespielt wurden.“[3]
Ribot arbeitete u. a. mit Peter Zummo, Petr Kotík, Elliott Sharp, den Jazz Passengers, Medeski, Martin & Wood, Bill Frisell, John Zorn, Dave Douglas, Arto Lindsay, Gina Leishman, Vinicius Cantuária, Evan Lurie, Marianne Faithfull, McCoy Tyner, Allen Ginsberg, Madeleine Peyroux, Elton John, Norah Jones, Diana Krall, The Black Keys, Jamaaladeen Tacuma, Laurie Anderson, Bill Ware, Allen Lowe, Henry Grimes, Noël Akchoté, Maria Răducanu und Mariola Membrives. In Deutschland spielte er zusammen mit Jakob Ilja (Element of Crime) bei einem Konzertprojekt der 17 Hippies in Köln im Jahr 2004.
Im Jahr 2008 gründete er das Trio Ceramic Dog mit dem Schlagzeuger Ches Smith und dem Bassisten Shahzad Ismaily. Das erste Album der Gruppe war Party Intellectuals. 2013 erschien das Folgealbum Your Turn. Im Projekt The Young Philadelphians interpretiert Ribot mit Jamaaladeen Tacuma, Calvin Weston und Mary Halvorson Hits des Phillysounds der 1970er Jahre. 2015 erschien das erste Album des Projekts, Live in Tokyo. 2018 erschienen mit YRU Still Here? (mit Ceramic Dog) und Songs of Resistance 1942–2018 (mit Gastauftritten u. a. von Tom Waits und Steve Earle) zwei sehr politische Alben von Ribot, die nach seinen eigenen Aussagen auch von Donald Trumps Präsidentschaft inspiriert wurden.[4]
Ribot ist der Präsident der Content Creators Coalition, einer Organisation, die sich für die faire Behandlung von Musikschaffenden im Zeitalter digitaler Medien engagiert. Insbesondere wendet sie sich kritisch gegen Spotify und ähnliche Streamingdienste.[5] Auf Your Turn von Marc Ribot’s Ceramic Dog findet man ein sarkastisches Lied Masters of the Internet, das Ribots Unmut über Raubkopieren thematisiert. Das Lied wurde im Vorfeld der Albumveröffentlichung als freier Stream angeboten.[6]
Diskografie (Auswahl)
- Rootless Cosmopolitans (1990)
- Requiem for What’s His Name (1992)
- Marc Ribot Plays Solo Guitar Works of Frantz Casseus (1993)
- Shrek (1994)
- Don’t Blame Me (1995)
- Subsonic – Sounds of a Distant Episode (1995)
- The Book of Heads (1995) (Solo-Gitarre-Kompositionen von John Zorn)
- Shoe String Symphonettes (1997)
- The Prosthetic Cubans (1998) (als Marc Ribot y Los Cubanos Postizos)
- Yo! I Killed Your God (1999)
- Muy Divertido! (2000) (als Marc Ribot y Los Cubanos Postizos)
- Saints (2001)
- Inasmuch as Life is Borrowed (2001)
- Scelsi Morning (2003)
- Soundtracks, Vol. 2 (2003)
- Spiritual Unity (2005) (mit Songs von Albert Ayler)
- Asmodeus: Book of Angels, Vol. 7 (2007) (mit Kompositionen aus John Zorns Book of Angels)
- Exercises in Futility (2008)
- Party Intellectuals (2008) (als Marc Ribot’s Ceramic Dog)
- Silent Movies (2010)
- Your Turn (2013) (als Ceramic Dog)
- Live at the Village Vanguard (2014) (als Marc Ribot Trio)
- Live in Tokyo (2015) (The Young Philadelphians)
- YRU Still Here? (2018) (als Ceramic Dog)
- Songs of Resistance 1942–2018 (2018)
Verfilmungen
Lexikographische Einträge
- Wolf Kampmann (Hrsg.), unter Mitarbeit von Ekkehard Jost: Reclams Jazzlexikon. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Reclam, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-15-010731-7.
- Martin Kunzler: Jazz-Lexikon. Band 2: M–Z (= rororo-Sachbuch. Bd. 16513). 2. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2004, ISBN 3-499-16513-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- Reclams Jazzlexikon. 2., erweiterte und aktualisierte Ausgabe. Reclam-Verlag, 2009, S. 440.
- Vgl. Robert Fischer: Anything goes. In: All that Jazz. Die Geschichte einer Musik. 3., erweiterte und aktualisierte Ausgabe. Reclam-Verlag, Stuttgart 2007, S. 442.
- Joachim-Ernst Berendt und Günther Huesmann: Das Jazzbuch. Von New Orleans bis ins 21. Jahrhundert. S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-15964-2, S. 563.
- Songs of Resistance auf anti.com, abgerufen am 15. September 2018.
- If Streaming Is Good for Musicians, You Can Kiss Jazz and Other Genres Goodbye, ein Kommentar Ribots bei der New York Times vom 7. November 2014, abgerufen am 20. Januar 2015.
- Marc Ribot’s Ceramic Dog Slam Free Culture on Art-Grinder ‘Masters of the Internet’ auf Spin.com, 25. März 2013, abgerufen am 20. Januar 2015.
- All About Jazz: Marc Ribot: The Lost String article @ All About Jazz. Abgerufen am 8. Februar 2021 (englisch).
- Marc Ribot: Descent into Baldness - MusicFilmWeb. Abgerufen am 8. Februar 2021 (amerikanisches Englisch).