Lynndie England
Lynndie Rana England (* 8. November 1982 in Flatwoods, Kentucky) ist eine ehemalige US-amerikanische Armeeangehörige. Sie war als Specialist (E-4) Angehörige der 372. Militärpolizeigruppe der US Army und wurde im Zusammenhang mit dem Abu-Ghuraib-Folterskandal während des Irak-Kriegs bekannt.
Leben
England wuchs als Tochter eines Bahnarbeiters in Fort Ashby in West Virginia in einfachen Verhältnissen auf. Dort lebt sie in einer Wohnwagensiedlung gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem 2004 geborenen Sohn, dessen Vater Charles Graner[1] ist.
Verdacht auf Misshandlungen
Im Mai 2004 gelangten Berichte und Fotos in die Medien, die belegten, dass US-amerikanische Militär- und Geheimdienstmitarbeiter Gefangene in dem Abu-Ghuraib-Gefängnis nahe Bagdad gefoltert hatten. Dies rief weltweit bei Regierungen und in den Medien große Empörung über das Verhalten der US-amerikanischen Beteiligten und Verantwortlichen hervor.
Durch die Berichte kam auch England in den Verdacht, Gefangene im irakischen Abu Ghuraib-Gefängnis misshandelt zu haben, und wurde wegen Häftlingsmisshandlung angeklagt. England äußerte sich daraufhin in Fernsehinterviews. Dort bestritt sie die Echtheit der Fotos nicht, betonte aber, dass ihr die Handlungen auf den Fotos von ranghöheren Personen befohlen worden seien.
“England maintains that she was goaded into posing for the photographs by her then lover and more senior fellow soldier, Charles Graner. ‘They said in the trial that authority figures really intimidate me. I always aim to please.’”
Ein Foto zum Beispiel zeigt England lächelnd im Vordergrund, eine Zigarette im Mundwinkel, während sie auf den Penis eines bis auf einen über den Kopf gezogenen Sack nackten, zum Masturbieren gezwungenen Gefangenen zeigt und einen „Daumen hoch“ gibt.[3] Ein weiteres Foto beispielsweise zeigt England mit einer Hundeleine in der Hand. Am anderen Ende der Leine ist ein nackter, auf dem Boden liegender Mann zu sehen.
Verhandlung und Haft
Die erste Anhörung fand am Dienstag, dem 3. August 2004, vor der Militärkommission am Stützpunkt Fort Bragg (North Carolina) statt. England wurde von den Anwälten Rose Mary Zapor und Roy Hardy vertreten, die eine Spendensammlung zur Deckung der Anwaltskosten eingerichtet hatten. Der Fall wurde an ein Militärgericht des Judge Advocate General’s Corps verwiesen. England und weiteren Angeklagten, unter anderem dem Vater ihres Kindes, dem ebenfalls wegen Kriegsverbrechen angeklagten und im Januar 2005 verurteilten Charles Graner, drohten bei einem Schuldspruch mehr als 30 Jahre Haft.
In einer neuerlichen Verhandlung am 3. Mai 2005 vor dem Militärgericht in Fort Hood (Texas) bekannte sie sich auf Anraten ihres Verteidigers in sieben von neun Anklagepunkten für schuldig. Die letzten beiden Anklagepunkte wurden daraufhin fallen gelassen. Durch die Einigung mit den Anwälten sank die mögliche Höchststrafe von 16,5 auf 11 Jahre. Das Gericht wies das Schuldeingeständnis Englands am 4. Mai 2005 zurück.
Am 26. September 2005 wurde England vom Militärgericht in sechs von sieben Anklagepunkten schuldig gesprochen. Vor der Urteilsverkündung gab sie an, von ihrem damaligen Freund Charles Graner für seine Fotos benutzt worden zu sein. Am 27. September 2005 legte das Gericht das endgültige Strafmaß fest und verurteilte England zu drei Jahren Haft. Das Gericht blieb damit mit seinem Urteil sechs Jahre unter der Forderung der Ankläger. England wurde seit ihrer Verurteilung in der Küche des Militärgefängnisses Naval Consolidated Brig Miramar bei San Diego beschäftigt, wo sie ihre Strafe verbüßte.
Leben nach der Haft
Nach 521 Tagen Haftzeit kam sie im März 2007 auf Bewährung frei. Sie wurde zum Ende der Strafzeit im September 2008 unehrenhaft aus der US Army entlassen.
Mitte Juni 2009 gab sie der Daily Mail ein Interview, in dem sie keine Reue zeigte und erklärte, im Besitz weiterer 800 Folterfotos zu sein, die bei ihrer Veröffentlichung der US-Armee sehr schaden könnten.[4][5]
Reaktionen
Die österreichische Death-Metal-Band Pungent Stench verarbeitete das Thema in ihrem Song Lynndie (She-wolf of Abu Ghraib), der sich auf dem 2004 erschienenen Album Ampeauty befindet.
Siehe auch
Weblinks
- Sonja Zekri: Die Illusion vom weiblichen Krieg. Süddeutsche Zeitung
- Lynndie England ab Mai vor Gericht. (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive) Netzeitung
- Drei Jahre Haft für Lynndie England. Spiegel Online
Einzelnachweise
- Kate Zernike: Behind Failed Abu Ghraib Plea, a Tangle of Bonds and Betrayals. The New York Times, 10. Mai 2005, abgerufen am 12. Juni 2013.
- The Guardian (Hrsg.): The Guardian Weekend. 3. Januar 2009, S. 16.
- Michael Streck, Jan-Christoph Wiechmann: Rumsfeld knew. Interview mit Lynndie England. In: Stern online. 17. März 2008, archiviert vom Original am 17. November 2015; abgerufen am 28. November 2015 (englisch).
- Why the hell should I feel sorry, says girl soldier who abused Iraqi prisoners at Abu Ghraib prison.
- Peter Prantner: "Warum soll ich mich entschuldigen?" Österreichischer Rundfunk, 20. Januar 2019, archiviert vom Original am 16. Juli 2012; abgerufen am 20. Juli 2020.