Lutz Glandien
Lutz Glandien (* 4. Juni 1954 in Oebisfelde) ist ein zeitgenössischer deutscher Komponist.
Leben
Glandien studierte 1979 bis 1983 Komposition bei Wolfram Heicking an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin und 1985 bis 1987 bei Georg Katzer in der Meisterklasse der Akademie der Künste (Berlin). Die Tradition des „Experimentellen Liedertheaters“ der DDR bildet den Hintergrund für seine musikalische Entwicklung. Zwischen 1977 und 1983 arbeitete er bei der Dresdener Gruppe „Schicht“ – einem besonders profilierten Liedertheater – als Komponist, Musiker und Akteur mit. Aus dieser Zeit resultiert sein Anspruch, dass Musik eine in ihrem Wesen kommunikative Kunst ist, die möglichst oft gehört werden sollte und über die man nachdenken bzw. sich mit anderen im Gespräch austauschen kann.
Bereits damals begann Glandien, Instrumente für seine Kompositionen zu entwerfen und zu bauen. Mit der politischen Wende erweiterte er sein Terrain: Er spezialisierte sich auf Elektroakustische Musik, etablierte sein eigenes Tonstudio und schuf die Musik zu über 60 Hörspielen sowie zu Dokumentarfilmen, Videos, Ausstellungen, Tanzproduktionen und Klanginstallationen. Die Bekanntschaft mit dem englischen Schlagzeuger und Produzenten Chris Cutler initiierte seine Zusammenarbeit mit Musikern aus der Improvisations- und der ehemaligen Avantgarde-Rockszene (z. B. Alfred Harth oder Dagmar Krause). Sein musikalisches Werk gilt – darin ähnlich dem von Heiner Goebbels – als Beispiel für den Versuch eines Komponisten der akademisch-klassischen Schule, die Grenzen der eigenen musikalisch-theoretischen Ausbildung zu sprengen und durch kalkulierte Grenzüberschreitungen neue Horizonte musikalischer Komposition einzunehmen.
Glandien erhielt 1987 den Hauptpreis beim internationalen Kompositionswettbewerb Prix Voya Toncitch in Paris für sein Klavierstück 365; seine Tonbandkomposition cut wurde mehrfach ausgezeichnet (1989 Kompositionspreis beim Internationalen Forum junger Komponisten des WDR, Anerkennung beim 4. Rostrum für Elektroakustische Musik 1992). 1990 und 1992 erhielt er Kompositionsstipendien des Berliner Kultursenats.
Für große Aufmerksamkeit sorgte sein Projekt Der Ring – Ein Musiktheater, das am 24. Mai 2013 im Leipziger Gewandhaus zur Uraufführung gelangte.
Glandien arbeitet freiberuflich in Berlin.
Hörspielmusiken (Auswahl)
- 1992: Jacob Grimm/Wilhelm Grimm: Der Fischer und seine Frau – Regie: Barbara Plensat (Kinderhörspiel – DS Kultur)
- 1992: Julio Cortázar: Ende des Spiels – Regie: Barbara Plensat (Hörspiel – DS Kultur)
- 1996: Uta-Maria Heim: Affenliebe in Hamburg, Regie: Barbara Plensat, (NDR)
- 1997: Irmgard Keun: Gilgi, eine von uns – Regie: Barbara Plensat (Hörspiel – NDR)
- 1997: Jürgen Lehmann: Brötchen holen, Regie: Barbara Plensat, (MDR)
- 2000: Gabriele Bigott: Unsterblich und reich, nach dem gleichnamigen Stück von Anna Langhoff, Regie: Barbara Plensat, (SFB)
- 2003: Holger Teschke: Jungfrau Maleen, Regie: Barbara Plensat, (DLR)
- 2003: Hans Zimmer: Bellas Briefe – Regie: Karlheinz Liefers (Kinderhörspiel – DLR Berlin)
- 2004: Oliver Bukowski: Serjosha & Schultz, Regie: Karlheinz Liefers (DLR)
- 2004: Hans Zimmer: Cortez lernt sprechen (DLR)
- 2010: Judith Lorentz: Rico, Oskar und die Tieferschatten – Regie: Judith Lorentz (Kinderhörspiel – WDR)
- 2012: Anna-Luise Böhm: Ampelmännchen sind keine Haustiere – Regie: Judith Lorentz (Kinderhörspiel – DKultur)
- 2013: Gunnar Gunnarsson: Schwarze Vögel – Regie: Judith Lorentz (Hörspiel – DKultur)
- 2013: Jens Raschke: Schlafen Fische? – Regie: Judith Lorentz (Kinderhörspiel – Deutschlandradio Kultur)[1]
- 2014: Sabine Bergk: ICHI oder der Traum vom Roman – Regie: Judith Lorentz (Hörspiel – DKultur)
- 2014: Esther Dischereit: Blumen für Otello – Über die Verbrechen von Jena, Ursendung 21. Mai 2014, Länge: 53‘48‘‘, Regie: Giuseppe Maio (Hörspiel – DKultur)
Diskographie
- 1995 – cut (Tonbandkomposition), Es lebe (für Tuba und Tonband), Weiter so (für Streichquintett und Tonband), 365 (für Klavier solo), Und war es noch still (für Kammerensemble). Interpreten: Steffen Schleiermacher (Klavier), Michael Vogt (Tuba), Ensemble United Berlin, Ensemble Modern, Paul Daniel (Dirigent) – Wergo
- 1992 – Domestic Stories. Interpreten: Dagmar Krause (Gesang), Fred Frith (Gitarre, Bass), Alfred Harth (Saxophone, Klarinette) und Chris Cutler (Drums, Electronics).
- 1994 – Scenes from no Marriage. Electroacoustic Pieces. Interpreten: Jeffrey Burns (Klavier), Ensemble United Berlin, Chris Cutler (Drums und Electronics), Dirk Wucherpfennig und Edwin Kaliga (Percussion)
- 1995 – Chris Cutler, Lutz Glandien, Marie Goyette, Zygmunt Krauze, Otomo Yoshihide p53 (Recommended Records 1995)
- 2001 – The 5th Elephant. Virtualectric Stories. Interpreten: Michael Vogt (Tuba), Chris Cutler (Drums) und Lutz Glandien (Electronics).
- 2003 – Lost in Rooms. A Virtualectric Story. Interpret: Lutz Glandien (Electronics).
- 2007 – kyomei. Saitengesänge. Interpret: Lutz Glandien (Monochord, Körpertambura, Streichbass, Kantele, Streichpsalter und Kleine Leier). Alle Instrumente stammen aus der KlangWerkStatt von Bernhard Deutz, Berlin.
- 2008 – Meg Finn und die Liste der vier Wünsche, Musik zu dem gleichnamigen Hörspiel von Eoin Colfer, übersetzt von Claudia Feldmann. Sprecher: Jürgen Holtz, Dieter Mann, Stefan Kaminski, Claudia Eisinger, Thomas Schmidt, Ursula Werner, Christian Ehrich, Hilmar Eichhorn. Hamburg, HörbuchHamburg, ISBN 978-3-86742-636-7
- 2021 – Lutz Glandien/Christine Dreier/Frieder Butzmann/Mama Baer Fluxus +/- (Psych.KG 2021)
Filmografie
- 1989: Spuren
- 1991: Der Strass
Literatur
- Stefan Amzoll: Aus Verstreutem ein Ganzes, das Porträt des Komponisten Lutz Glandien. In: MusikTexte, Heft 104, 2005, S. 5–14
Weblinks
Belege
- Hörspieltag: Schlafen Fische? von Jens Raschke, Deutschlandradio Kultur 14. April 2017, abgerufen 4. Juli 2018