Liste der Pflegemodelle

Die Liste d​er Pflegemodelle g​ibt eine Übersicht über d​ie verschiedenen Pflegemodelle d​er professionellen Pflege i​n der Reihenfolge i​hrer Entstehung. Diese Modelle basieren a​uf einem pflegetheoretischen Konzept u​nd werden innerhalb d​er Pflegewissenschaft u​nd -forschung a​ls konzeptionelle Pflegemodelle verstanden u​nd anhand verschiedener Merkmale beschrieben. Theorien m​it einem h​ohen Abstraktionsniveau erreichen d​abei eine große Reichweite (grand theories), d. h. v​on ihnen können weitere Ableitungen entstehen, o​der sie können i​n vielen Berufsfeldern a​ls Modell für d​ie Pflegepraxis dienen. Dies s​ind die h​ier im Wesentlichen aufgelisteten Modelle. Zusätzlich wurden kleinere Modelle a​us dem deutschsprachigen Raum aufgeführt (mid-range theories), d​ie für d​ie Entwicklung d​er Pflege i​n Deutschland, Österreich u​nd der Schweiz v​on wesentlicher Bedeutung sind.

Beschreibungsmerkmale

Wichtige Beschreibungsmerkmale für e​in Pflegemodell s​ind Mensch, Gesundheit/Krankheit, Umgebung u​nd Pflege. Diese v​ier Merkmale s​ind je e​in Metaparadigma.

Zugrundeliegende Theorie

Pflegemodelle basieren a​uf einer Theorie, d​ie neben d​er Definition d​es Metaparadigmas a​uch über i​hren Ursprung, i​hre Entstehung, i​hre Bedeutung, d​ie Logik, d​er Anwendbarkeit u​nd die Übertragbarkeit unterschieden werden können, d​ie als d​as Abstraktionsniveau bezeichnet werden. Umfassende, m​eist induktiv entstandene Konzepte, d​ie überwiegend d​er ersten Generation d​er Pflegetheorie entstammen, werden hierbei a​ls grand theory (engl. für groß) klassifiziert, nachfolgende deduktive Konzepte können entweder z​u den grand theories gehören o​der werden w​egen ihrer eingeschränkten Reichweite a​ls mid-range theory (engl. für mittlere Reichweite) bezeichnet. Die aktuelle Theorieentwicklung innerhalb d​er Pflege beschränkt s​ich überwiegend a​uf Konzepte m​it einer deutlich eingeschränkten Reichweite, beispielsweise a​uf eine e​ng definierte Zielgruppe o​der Pflegehandlung. Diese werden a​ls micro theory o​der narrow-scope theory (engl. für eingeschränkte Reichweite) klassifiziert u​nd in dieser Liste n​icht erfasst. Die Reichweite d​er Theorie i​st für d​as übergeordnete Pflegemodell v​on entscheidender Bedeutung für d​ie Ableitungsfähigkeit kleinerer Theorien u​nd Modelle, d​ie Anwendbarkeit innerhalb verschiedener Pflegekulturen u​nd der Denkschule, d​er sie zugeordnet wird.[1]

Grundtypus

Pflegemodelle werden n​ach ihrer Ausrichtung i​n verschiedene Grundtypen eingeteilt. Für d​iese Liste w​urde aufgrund i​hrer Verbreitung i​m deutschsprachigen Raum d​ie Einteilung i​n die Grundtypen n​ach Meleis zugrundegelegt. Die Modelle werden hierbei i​n die d​rei von Meleis definierten Grundtypen d​er Bedürfnis- beziehungsweise Lebensmodelle, Interaktionsmodelle, Pflegeergebnismodelle eingeordnet.[1] Andere Pflegewissenschaftler, w​ie beispielsweise Marriner-Tomey wenden andere Klassifizierungen an, s​ie unterscheidet zwischen humanistischen, systemischen, Energiefeld- u​nd Ergebnismodellen.[2]

Metaparadigma

Pflegewissenschaftler beschreiben d​ie Konzepte, d​ie die Grundlage für d​as jeweilige Pflegemodell bilden, anhand zentraler Faktoren u​nd Phänomene. Diese werden a​ls Paradigmen bezeichnet u​nd umfassen i​n der Pflege d​en Menschen, d​ie Umgebung, d​as Verständnis v​on Gesundheit u​nd Krankheit s​owie der Pflege. Zusammengefasst ergeben d​iese Einzelfaktoren d​ie zentralen Kriterien d​er Pflege, n​ach der Pflegemodelle, -theorien u​nd -konzepte definiert u​nd klassifiziert werden. Ein weiteres wichtiges Kriterium z​um Verständnis e​ines Modells i​st das zugrunde liegende Menschenbild d​er jeweiligen Pflegephilosophie, d​as als einheitlich, holistisch, beziehungsweise ganzheitlich, mechanistisch o​der systemisch verstanden u​nd in dieser Liste u​nter dem Paradigma Mensch angesprochen wird.[3] Nach e​iner pflegewissenschaftlichen Auseinandersetzung über d​as Selbstverständnis d​er Pflege begreift s​ich die professionelle Pflege z​war nicht a​ls paradigmatische Wissenschaft, d​a die komplexen sozialwissenschaftliche Zusammenhänge n​icht umfassend über e​in globales Paradigma, d​as Metaparadigma, beschrieben werden können, s​ie nutzt jedoch d​iese Parameter, u​m Pflegemodelle z​u beschreiben.

Theorien ohne zugehöriges Modell

Vor Entstehung d​er Pflegewissenschaft wurden bereits Theorien entwickelt, d​ie jedoch n​icht im Rahmen d​es pflegewissenschaftlichen Verständnisses z​u einem Pflegemodell ausgebaut wurden. Diese Theorien beschreiben jedoch ebenfalls d​ie grundlegenden Parameter d​er Pflege u​nd gelten a​ls Meilensteine d​es professionellen Pflegeverständnisses u​nd Basis nachfolgender Pflegetheorien u​nd Modellentwicklungen. Dies betrifft sowohl Rufaida Al-Aslamiya, d​eren Arbeit i​n der Schlacht v​on Badr a​uf der arabischen Halbinsel i​m Jahre 624 d​ie östliche Pflege begründete, a​ls auch d​ie 1860 a​ls Notes o​f Nursing v​on Florence Nightingale veröffentlichten theoretischen Grundlagen d​er westlichen Pflegetheorie.

Konzeptionelle Pflegemodelle nach Entstehung

Zwischenmenschliche Beziehungen in der Pflege (1952)

Zwischenmenschliche Beziehungen in der Pflege
AutorHildegard Peplau
Entstehungsjahr/-ort1952 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheorieZwischenmenschliche Beziehungen in der Pflege
GrundtypusInteraktionsmodell
Alternative BezeichnungenInterpersonale Beziehungen in der Pflege, Psychodynamische Pflege
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschDer Mensch lebt in einem instabilen physiologischen, psychologischen und sozialen Gleichgewicht und wird als einzigartiges Wesen wahrgenommen, dessen zwischenmenschliche Beziehungen durch verschiedene Umstände gesteuert werden.
Gesundheit/KrankheitGesundheit ist ein fortlaufender Prozess der Persönlichkeit und anderer menschlicher Bedürfnisse. Sie ist auf ein kreatives, aktives, nützliches und leistungsfähiges persönliches Leben und das Gemeinschaftsleben ausgerichtet. Krankheit ist ein Symptom sowohl psychologischer als auch physiologischer Überforderung.
UmgebungDer Mikrokosmos beinhaltet sämtliche Bezugspersonen und zwischenmenschliche Beziehungen, innerhalb welcher der Pflegebedürftige sich bewegt.
PflegePflege wird als signifikanter, therapeutischer interpersonaler Prozess verstanden, der über die Fertigkeiten verfügt, die Kraft zur Entwicklung der Person zu geben und auch als pädagogisches Instrument eingesetzt werden kann.[4]

Bedürfniserkennung im Beziehungsprozess (1962)

Bedürfniserkennung im Beziehungsprozess
AutorIda Jean Orlando
Entstehungsjahr/-ort1962 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheoriePflegeprozesstheorie
GrundtypusInteraktionsmodell
Alternative BezeichnungenDynamische Beziehung zwischen Patient und Pflegeperson, Lebendige Beziehung zwischen Pflegenden und Patienten
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschEin mit Bedürfnissen ausgestattetes Wesen, das die Fähigkeit besitzt, sich weiterzuentwickeln und sich durch verbales und nonverbales Verhalten charakterisieren lässt.
Gesundheit/KrankheitDer Zustand, in dem Bedürfnisse durch den Menschen selbst erfüllt werden können. Krankheit führt zu einer dauerhaften oder vorübergehenden Abhängigkeit. Die Erfüllung der Bedürfnisse führt zu einem Gefühl der Angemessenheit.
UmgebungKeine nähere Beschreibung, die aktuelle Pflegesituation zwischen Gepflegtem und Pflegendem wird als unmittelbare Umgebung verstanden.
PflegeDie Pflegekraft ist die Schnittstelle zwischen Patient und Medizin, sie erfüllt die Anweisungen der Medizin im Sinne des Patienten und nicht im Sinne des Arztes. Sie sorgt für die Verringerung der Hilfsbedürftigkeit durch die Beurteilung der notwendigen Hilfe. Diese Beurteilung basiert auf der Kommunikation zwischen Pflegeperson und Pflegebedürftigem.[5]


Modell der 14 Grundbedürfnisse (1966)

Modell der 14 Grundbedürfnisse
AutorVirginia Henderson
Entstehungsjahr/-ort1966 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheoriePflegetheorie nach Henders
GrundtypusBedürfnismodell
Alternative BezeichnungenModell der Grundbedürfnisse, Pflege nach Henderson
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschJedes Individuum besteht aus einer untrennbaren Einheit von Körper und Geist; ein physiologisches und emotionales Gleichgewicht soll angestrebt und gehalten werden. Die Bedürfnisse folgen der maslowschen Bedürfnispyramide.
Gesundheit/KrankheitLebensqualität, die mit Unabhängigkeit assoziiert wird, beschreibt Gesundheit; Krankheit bedeutet analog Abhängigkeit.
Umgebungalle externen Faktoren und Konditionen, die das Leben und die Entwicklung des Menschen beeinflussen
PflegeDie Pflege wird in vier Phasen eingeteilt, die die Interaktion zwischen Pflegendem und Gepflegtem kennzeichnen: Orientierung, Identifikation, Nutzung oder Ausbeutung, Ablösung. Ziel der Pflege ist, durch ergänzende oder unterstützende Maßnahmen die Gesundung des Individuums voranzubringen.[6]

Transkulturelle Pflege nach Leininger (1966)

Transkulturelle Pflege
AutorMadeleine Leininger
Entstehungsjahr/-ort1966 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheorieKulturelle Dimensionen menschlicher Pflege
GrundtypusBedürfnismodell
Alternative BezeichnungenTranskulturelle, Kultursensitive bzw. Interkulturelle Pflege, Culture Care
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschDer ganzheitlich zu betrachtende Mensch wird durch seine Kultur sowie durch Werte und Normen seines sozialen Umfeldes geprägt. Er hat das Bedürfnis entsprechend dieser Vorstellungen zu leben, zu interagieren und behandelt zu werden.
Gesundheit/KrankheitGesundheit wird beschrieben als ein Zustand des Wohlbefindens, das kulturell unterschiedlich empfunden wird.

Sie w​ird definiert d​urch die Fähigkeit, d​ie eigene soziale Rolle innerhalb kultureller u​nd strukturierter Lebensweise z​u erfüllen.

UmgebungDie Umgebung bezieht sich auf die Gesamtheit der Ereignisse und Erfahrungen, die innerhalb eines kulturellen, physiologischen oder soziopolitischen Settings auf den Menschen einwirkt, sowie die beeinflussende Ethno-Historie.
PflegeDie Pflege ist eine humanistische und wissenschaftliche Disziplin, deren zentrale Aufgabe die Assistenz Einzelner oder Gruppen ist, um deren Gesundheit, respektive Wohlbefinden in kulturell angepassten Handlungen und Sorgephänomenen zu verbessern oder aufrechtzuerhalten, und sie bei der Begegnung mit Tod oder Behinderungen zu unterstützen.[7]

Adaptionsmodell (1970)

Adaptionsmodell
AutorCallista Roy
Entstehungsjahr/-ortEntwickelt 1964, publiziert 1970 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheorieAdaptionstheorie
GrundtypusPflegeergebnismodell
Alternative BezeichnungenAnpassungsmodell
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschDer Mensch ist ein ganzheitliches adaptives System, das ständig versucht, sich durch Anpassung an äußere Umstände (auch Krankheit oder Behinderung) anzupassen.
Gesundheit/KrankheitGesundheit ist ein Zustand und adaptiver Prozess, um ein integriertes und ganzheitliches Individuum zu sein und zu werden; mangelnde Integration bedeutet mangelnde Gesundheit. Anpassung im positiven Sinne fördert das Überleben, Wachstum, Reproduktion und Rollenerfüllung.
UmgebungZur Umgebung zählen alle Bedingungen, Umstände und Einflüsse, die innerhalb und außerhalb des menschlichen adaptiven Systems die Entwicklung und das Verhalten eines Individuums beeinflussen. Zwischen dem Menschen und der sich ständig verändernden Umwelt existiert eine Wechselbeziehung.
PflegeAdaption ist die Folge von Pflegeprozess und -ergebnis, wobei ein absolutes körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden nicht für jeden möglich ist. Pflege soll Reize und Verhalten, die zur Adaption beitragen, durch geeignete Maßnahmen fördern. Patientenbeobachtung ist zentrales Mittel zur Beurteilung der Notwendigkeiten pflegerischer Interventionen.[8]

Energiefeldtheorie (1970)

Energiefeldtheorie
AutorMartha Elisabeth Rogers
Entstehungsjahr/-ort1970 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheorieTheorie des einheitlichen Menschen
GrundtypusPflegeergebnismodell
Alternative BezeichnungenWissenschaft des einheitlichen Menschen, Energiefeldtheorie
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschDer Mensch ist ein einheitliches Wesen, mehr als die Summe der Organe. Er wird als Energiefeld verstanden, das mit seinem Umfeld ein Ganzes bildet.
Gesundheit/KrankheitGesundheit und Krankheit sind zwei kulturell definierte Einheiten, die untrennbar miteinander verbunden sind.
UmgebungEin unbegrenztes, nicht ableitbares und pandimensionales Energiefeld, das sich in einem wechselseitigen Prozess mit dem Menschen befindet.
PflegePflege ist eine universelle Wissenschaft, die die Beschreibung, Erklärung und Vorhersage des weiteren Lebensprozesses umfasst. Sie soll Zusammenhang und Vollständigkeit des Energiefeldes des Menschen verstärken.[9]

Interaktionsmodell nach King (1971)

Interaktionsmodell nach King
AutorImogene King
Entstehungsjahr/-ort1971 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheorieTheorie der Zielerreichung
GrundtypusInteraktionsmodell
Alternative BezeichnungenAllgemeine Systemtheorie
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschMenschen sind interaktive und offene Systeme, die mit ihrer Umwelt interagieren und soziale Rollen erfüllen können. Sie haben das Recht auf eine umfassende Information und Beteiligung an Entscheidungsprozessen hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes.
Gesundheit/KrankheitGesundheit ist ein interaktiver Erfahrungsprozess, bei dem die Ressourcen zur Bewältigung krankheitsverursachender psychischer und physischer Stressfaktoren eingesetzt werden.
UmgebungDie unmittelbare Umwelt besteht aus den verschiedenen formellen und informellen gesellschaftlichen Rollen, Verhaltensweisen und Praktiken. Die mittelbare Umwelt besteht aus dem sozialen System, in dem sich das Individuum befindet.
PflegePflege ist ein zwischenmenschlicher Prozess von Aktion, Reaktion und Interaktion. Die Kommunikation zwischen Pflegendem und Gepflegtem soll die gemeinsame Zielsetzung, die erforderlichen Maßnahmen und die Zielrealisation definieren, um das Individuum bei der Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung seiner Gesundheit zu unterstützen.[10]

Selbstpflegedefizitmodell (1971)

Selbstpflegedefizitmodell
AutorDorothea Orem
Entstehungsjahr/-ort1971 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheorieSelbstpflegedefizit-Theorie
GrundtypusBedürfnismodell
Alternative BezeichnungenSelbstpflege-Modell, Selbstpflege nach Orem
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschDer Mensch hat – abhängig von seinem Alter, Entwicklungsstand und Gesundheitszustand – bestimmte Grundbedürfnisse, die er in der Regel selbstständig erfüllt oder erfüllen will (Selbstpflege oder Selbstfürsorgeerfordernis).
Gesundheit/KrankheitGesundheit ist von der Selbstpflegefähigkeit abhängig; Krankheit oder Behinderung schränken die Selbstpflegekompetenz ein, es entsteht ein Selbstpflegebedarf.
UmgebungOrem machte ursprünglich kaum Aussagen zum Einfluss der Umweltbedingungen, später wurde das Umfeld systemtheoretisch aufgearbeitet.
PflegePflege soll nur soviel Selbstpflege übernehmen wie notwendig und die Kompetenzen der Dependenz-Gepflegten berücksichtigen. Der Bedarf an Selbstpflege wird in drei Stufen unterteilt: vollständig kompensatorisch, teilweise kompensatorisch und unterstützend-erzieherisch. Diese Stufen können dynamisch kombiniert werden.[11]

Systemmodell (1972)

Systemmodell
AutorBetty Neuman
Entstehungsjahr/-ort1972 (Veröffentlichung) / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheorieKeine vollausgeprägte Theorie; Grundlagen bei Pierre Teilhard de Chardin, in der Gestalttherapie, dem Allgemeinen Anpassungssyndrom und der Systemtheorie
GrundtypusPflegeergebnismodell
Alternative BezeichnungenSystem-Pflege nach Neuman, Neuman Systems Model, Präventives Gesundheitshandeln
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschMenschen sind bio-psycho-sozio-spirituelle Wesen, die ein ganzheitliches offenes System bilden, in dem die Faktoren Stress und Stressreaktion eine zentrale Rolle spielen. Dabei hängt die Reaktion vom Stresslevel und der individuellen Stressresistenz ab.
Gesundheit/KrankheitWenn alle Faktoren und Variablen in Harmonie mit dem ganzheitlichen Individuum sind, empfindet der Mensch Wohlbefinden.
UmgebungInnere und äußere Faktoren beeinflussen den Menschen, die Umgebung reagiert entsprechend auf den Menschen.
PflegeDie Pflege setzt sich mit den Maßnahmen auseinander, mit denen ein Individuum auf Stress reagiert, um ein stabiles System zu erreichen.[12]

Pflegemodell der Lebensaktivitäten (1976)

Pflegemodell der Lebensaktivitäten
AutorNancy Roper, Winifred W. Logan und Alison Tierney
Entstehungsjahr/-ort1976 / Vereinigtes Königreich
Zugrundeliegende TheorieVerschiedene amerikanische Pflegetheorien
GrundtypusBedürfnismodell
Alternative BezeichnungenModell des Lebens, RLT-Modell
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschEin Individuum führt seine Lebensaktivitäten während seines gesamten Lebens aus. Wichtigstes Ziel ist es, die maximale Unabhängigkeit bei jeder der Lebensaktivitäten zu erreichen.
Gesundheit/KrankheitDas Niveau der Gesundheit wird durch den Status der Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit definiert.
UmgebungDie Umgebung, physiologische, psychologische, soziokulturelle und politisch-ökonomische Aspekte sind die fünf beeinflussenden Faktoren der Lebensaktivitäten.
PflegePflege unterstützt bei der Problemlösung sowie Handhabung und Prävention von Einschränkungen der Lebensaktivitäten. In die persönliche Lebensgestaltung darf die Pflege nur eingreifen, wenn dies aufgrund gesundheitlicher Probleme unvermeidbar ist.[13]

Human Becoming (1992)

Human Becoming
AutorRosemarie Rizzo-Parse
Entstehungsjahr/-ort1992 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheorieTheorie des menschlichen Werdens (basierend auf Martin Heidegger, Jean-Paul Sartre, Maurice Merleau-Ponty), ursprünglich 1981 als Mensch-Leben-Gesundheit veröffentlicht
GrundtypusInteraktionsmodell
Alternative BezeichnungenMensch – Leben – Gesundheit
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschJedes einzigartiges Individuum, das immer mehr ist als die Summe seiner Teile, befindet sich in einem lebenslangen Wachstumsprozess. Es sucht dabei nach einer Qualitätssteigerung seiner Existenz und seiner Gesundheit. Es interagiert laufend mit seiner Umwelt und trifft bewusste, verantwortliche Entscheidungen, um seiner Existenz Sinn zu geben.
Gesundheit/KrankheitGesundheit ist kein Gegenpol zu Krankheit, sondern ein sich stetig verändernder und andauernder Wachstumsprozess. Krankheit ist ein Interaktionsmuster mit der Umwelt („gelebte Erfahrung“).
UmgebungMensch und Umgebung lassen sich nicht trennen; der Mensch wählt die individuelle Bedeutung und gestaltet seine Umwelt durch Interaktion.
PflegePflege versteht sich als Humanwissenschaft und ist von der Medizin abgegrenzt. Sie begreift den Menschen als lebende Einheit, die aktiv an der qualitativen Verbesserung der Gesundheit beteiligt ist. Die Pflege folgt den Prinzipien der Sinngebung, des Rhythmus und der Grenzüberschreitung (Transzendenz), um die Lebensqualität des Gepflegten zu verbessern.[14]

Mid-range-Pflegemodelle aus dem deutschsprachigen Raum

Aktivitäten des täglichen Lebens (1983)

Aktivitäten des täglichen Lebens
AutorLiliane Juchli
Entstehungsjahr/-ort1983 / Schweiz
Zugrundeliegende TheorieWeiterentwicklung Henderson und Roper
GrundtypusBedürfnismodell
Alternative BezeichnungenPflege nach Juchli, ATL-Modell
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschDer Mensch ist ein vielschichtiges Ganzes und bildet eine Einheit aus Leib-Seele-Geist mit männlichen und weiblichen Anteilen; er kann nur in seiner Ganzheitlichkeit erfasst werden.
Gesundheit/KrankheitGanzheitliches Gesundheitsverständnis; Gesundheit hat Ressourcen und ein Selbstpflegepotential, Krankheit zeichnet sich durch Defizite und Hilfsbedürftigkeit aus.
Umgebungsiehe Roper
PflegeDie Pflegekraft muss in sich selbst ruhen und sich wohlfühlen, um „heilende Pflege“, Hilfe zur Selbsthilfe und zur Integration von Körper, Seele und Geist von durchführen zu können. Professionalität lebt von Glauben, Liebe und Hoffnung genauso wie von Forschung und Lehre. Ganzheitliches Denken ist Voraussetzung für ein ganzheitliches Handeln. Pflege ist die Ergänzung der evidenzbasierten Medizin

Modell des systemischen Gleichgewichts (1989)

Modell des systemischen Gleichgewichts
AutorMarie-Luise Friedemann
Entstehungsjahr/-ort1989 / Schweiz, Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende TheorieTheorie des systemischen Gleichgewichts
GrundtypusInteraktionsmodell
Alternative BezeichnungenFamilien- und umweltbezogenes Pflegemodell
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschIdentität bildet sich über die Beziehung zur Umwelt (zu Mitmenschen, Gegenständen etc.). Das Individuum ist von den Kräften der Natur abhängig und sensibel für systemische Störungen. Menschen können systemübergreifend handeln, um Kongruenz wiederherzustellen und sinnvoll und angstfrei zu leben.
Gesundheit/KrankheitGesundheit entsteht durch eine weitgehende Übereinstimmung aller Systeme bzw. Kongruenz der Subsysteme und Kongruenz mit den Kontaktsystemen. Krankheit wird durch eine Systemstörung des organischen Subsystems hervorgerufen.
UmgebungDer Mensch und seine Familie werden von Systemen umgeben, sowohl politische und soziale Systeme, Gegenstände, Gebäude, Biosysteme als auch das übergeordnete Universum. Die Umwelt ist eine Vernetzung offener Systeme, die untereinander durch Adaption und Readaption nach Kongruenz streben.
PflegeDie Pflegeperson pflegt die systemische Einheit Mensch, Familie und Umwelt und versteht ihr Handeln als Dienstleistung auf allen Systemebenen. Ziel der Pflege ist, das Streben nach Kongruenz ressourcenorientiert zu erleichtern. Sie findet auf Basis von Verhandlungen statt.[15]

Modell der fördernden Prozesspflege (1993)

Modell der fördernden Prozesspflege
AutorMonika Krohwinkel
Entstehungsjahr/-ort1993[16] / Deutschland
Zugrundeliegende TheorieWeiterentwicklung Juchli
GrundtypusBedürfnismodell
Alternative BezeichnungenAktivitäten und existenzielle Erfahrungen des Lebens (AEDL), seit 1999->ABEDLs (Aktivitäten, Beziehungen und existenziellen Erfahrungen des Lebens)
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschJeder Mensch ist sowohl Pflegender wie auch Pflegebedürftiger. Er ist ein „einheitliches, integrales Ganzes, das mehr und anders ist als die Summe seiner Teile, mit seiner eigenen Identität und Integrität“ mit dem Potential, sich zu entwickeln und sich selbst zu verwirklichen.
Gesundheit/KrankheitGesundheit und Krankheit sind dynamische Prozesse, die vom Pflegenden entweder als Fähigkeit oder als Defizit erkannt werden können. Wohlbefinden ist ein subjektiv empfundener Teil der Gesundheit.
UmgebungDie Umgebung ist nach der ganzheitlichen Vorstellung ein wesentlicher Faktor für Leben und Gesundheit; der Mensch lebt innerhalb einer Wechselbeziehung mit seiner Umwelt.
PflegePflege soll die Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person oder ihrer Angehörigen erhalten oder die Wiedererlangung fördern, um die Unabhängigkeit und das Wohlbefinden des Gepflegten zu erreichen.[17]

Psychobiographische Pflege (1999)

Psychobiographische Pflege
AutorErwin Böhm
Entstehungsjahr/-ortÖsterreich / 1999
Zugrundeliegende TheorieBöhm’sche Pflegetheorie
GrundtypusInteraktionsmodell
Alternative BezeichnungenPflege nach Böhm, Psychodynamisches Pflegemodell
MetaparadigmenDefinition durch das Modell
MenschAnalog zur Sozialpsychiatrie verwendet Böhm das biopsychosoziale Paradigma – Der Mensch ist mehr als Körper (Physis), dazu gehören ebenfalls Seele (Thymos) und Geist (Noos). Jeder Mensch verfügt darüber hinaus über eine persönliche Geschichte. Diese Faktoren stehen mit dem Umfeld in engem Zusammenhang und reagieren mit- und aufeinander.
Gesundheit/KrankheitNicht die Krankheit wird behandelt, sondern Menschen, die unter Krankheitsbedingungen leben. Der Gesundungsprozess wird entscheidend durch die unmittelbaren Bezugspersonen, hier die Pflegenden, beeinflusst.
UmgebungJeder Mensch verfügt über ein individuelles soziales Umfeld und seine eigene Biographie. Enger Zusammenhang mit dem Paradigma Mensch.
PflegeLaut Böhm hat die Pflege „die Wiederbelebung der Altersseele“ zum Ziel, die sich durch dementiellen Abbau retrograd anhand ihrer Biographie entwickelt. Die Pflegekräfte müssen sich deshalb in den biographischen Kategorien des Pflegebedürftigen bewegen.[18]

Literatur

  • Liliane Juchli (Begr.), Edith Kellnhauser (Hrsg.): Thiemes Pflege: Professionalität erleben. Georg Thieme Verlag, 2004, S. 44–55, ISBN 3-13-500010-9
  • Jacqueline Fawcett, Irmela Erckenbrecht: Konzeptuelle Modelle der Pflege im Überblick, Huber, Bern 1998, ISBN 3-456-83109-9
  • Afaf Ibrahim Meleis: Pflegetheorie. Gegenstand, Entwicklung und Perspektiven des theoretischen Denkens in der Pflege. Huber, Bern 1999, ISBN 3-456-82964-7

Einzelnachweise

  1. Klassifikation innerhalb der Liste nach Meleis, vgl. Afaf Ibrahim Meleis: Theoretical Nursing: Development and Progress. Lippincott Williams & Wilkins, 1997, ISBN 0-397-55259-9
  2. Ann Marriner-Tomey: Pflegetheoretikerinnen und ihr Werk, Recom Verlag, 1992, S. 22 bis 56, ISBN 3-315-00082-4
  3. Elsevier GmbH, Nicole Menche (Hrsg.): Pflege Heute Urban & Fischer in Elsevier, 2019 ISBN 978-3-437-26778-9 S. 92/93
  4. Hilde Steppe: Pflegemodelle in der Praxis, 3. Folge: Hildegard Peplau. In: „Die Schwester Der Pfleger“, Ausgabe 9, Jahrgang 1990, Bibliomed, S. 767
  5. Hilde Steppe: Pflegemodelle in der Praxis, 6. Folge: Ida Jean Pellerier (geb. Orlando) In: „Die Schwester Der Pfleger“, Ausgabe 4, Jahrgang 1991, Bibliomed
  6. Hilde Steppe: Pflegemodelle in der Praxis, 2. Folge: Virginia Henderson. In: „Die Schwester Der Pfleger“, Ausgabe 8, Jahrgang 1990, Bibliomed, S. 584–588.
  7. Marijke Visser, Anneke de Jong: Kultursensitiv pflegen: Wege zu einer interkulturellen Pflegepraxis. Elsevier, Urban&Fischer Verlag 2002, S. 16–18 und 89–102, ISBN 3-437-26730-2
  8. Tobias Hauzeneder: Die Bedeutung der Würde in der Pflegewissenschaft:eine Analyse ausgewählter Pflegetheorien und Pflegeforschungen (Diplomarbeit, PDF) S. 78–89 abgerufen am 19. Juni 2020
  9. Petra Fickus: Grundlagen beruflicher Pflege. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2007, S. 100–103. ISBN 3-13-127242-2
  10. M. Helgard Brunen, Sabine Biedermann: Ambulante Pflege: Die Pflege gesunder und kranker Menschen. Schlütersche, Hannover 2001, S. 81–83. ISBN 3-87706-571-6
  11. Birgitt Budnik, Reinhard Lay, Bernd Menzel: Pflegeplanung leicht gemacht: Für die Gesundheits- und Krankenpflege., Elsevier, Urban & Fischer, München 2005, S. 15–16, ISBN 3-437-26952-6
  12. Pat Heyman: Neuman Systems Model (engl.) Abgerufen am 4. Februar 2009 und Petra Fickus: Grundlagen beruflicher Pflege. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2007, S. 107–111. ISBN 3-13-127242-2
  13. Winifred Logan, Nancy Roper, Allison J. Tierney: Das Roper-Logan-Tierney-Modell. Basierend auf Lebensaktivitäten (LA). Huber, Bern 2002, ISBN 3-456-83597-3
  14. Kathleen Sitzman: Understanding the Work of Nurse Theorists: A Creative Beginning Jones and Bartlett Publishers, 2010 (englisch) S. 193 ff.
  15. Marie-Luise Friedemann, Christina Köhlen: Familien- und umweltbezogene Pflege, Verlag Hans Huber, 2003, ISBN 3-456-83671-6
  16. Das Veröffentlichungsjahr wird auf Webseiten häufig als 1984 angegeben, pflegewissenschaftliche Grundlagenliteratur gibt jedoch 1993 an, so beispielsweise in Beate Rennen-Allhoff: Handbuch Pflegewissenschaft. Juventa, 2003, ISBN 3-7799-0785-2, S. 574.
  17. Petra Fickus: Grundlagen beruflicher Pflege, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2007, S. 125–127, ISBN 3-13-127242-2
  18. Integra.at: Referat Erwin Böhms zu seinem Pflegemodell (PDF) abgerufen am 19. Juni 2020

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