Lindencorso
Das Lindencorso ist ein Gebäude an der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße im Berliner Ortsteil Mitte des gleichnamigen Bezirks.
Geschichte
Ursprünglich lag das Café Bauer an der Kreuzung. Es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Zu DDR-Zeiten entstand nach Planungen von 1961 die Idee, die Friedrichstraße zu einer 60 Meter breiten Fußgängerzone aufzuweiten.[1]
Bis 1966 entstanden am Boulevard Unter den Linden Ecke Friedrichstraße entsprechend der Aufweitung das Hotel Unter den Linden und gegenüberliegend der Gaststättenkomplex Lindencorso, dieser nach Plänen eines Architektenkollektivs unter Werner Strassenmeier. Dann wurde die Aufweitung der Friedrichstraße fallengelassen. Damit hatte der Boulevard Unter den Linden an der Friedrichstraße unbeabsichtigt einen viereckigen Platz bekommen und die beiden Gebäude erschienen wie dessen Randbebauung.
Im Jahr 1993 setzte mit dem Abriss des Lindencorsos der Rückbau auf den historischen Straßengrundriss ein, der nach 2006 mit dem Abriss des Hotels Unter den Linden und der Errichtung des Upper Eastside Berlin abgeschlossen wurde. Der in den Jahren 1994–1997 nach Plänen des Architekten Christoph Mäckler errichtete Neubau erhielt den Namen des Vorgängers. Der Neubau kostete rund 500 Millionen Mark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 358,8 Millionen Euro). Bauherren waren der französische Investor SGE und die Berliner David Katz und Klaus Marks.
Die Fassade besteht aus Natursteinsockel, die nach traditionellen Handwerksmethoden gemauert wurden. Damit ist das Gebäude einer der wenigen Neubauten in Deutschland, die nicht eine vorgehängte Steinplattenfassade haben. Mäckler geht sogar davon aus, dass es der erste traditionell gefertigte Bau seit dem Zweiten Weltkrieg sei. Für die Fassade wurde Elmkalkstein aus dem Elm verwendet.
Zur Eröffnung des Baus wurde mit Kunstwerken von Stefan Szczesny ausgestattet. Hierzu entwarfen neun deutsche und acht französische Künstler Motive für Fahnen, die an der Fassade des Gebäudes installiert wurden. Unter den Künstlern waren Jean-Michel Alberola, J.-Ch. Blais, Fr. Boisrond, R. Combas, H. Delprat, G. Garouste, J. LeGac, Fr. Rouan, Ben Vautier sowie H. P. Adamski, Elvira Bach, Walter Dahn, Jiří Georg Dokoupil, Rainer Fetting, Dieter Hacker, Andreas Schulze und Bernd Zimmer.
Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich seit dem 2. Mai 1999[2] das Automobil Forum der Volkswagen AG.
Bewertung des Baus
Der Bau gilt als Musterbeispiel der Architektur des Senatsbaudirektors Hans Stimmann. Stimmann lobte den Bau als „Wiederaufnahme unserer Stadtbautradition, die durch den Krieg und die Teilung abgerissen war“. Der Architekturkritiker Gerhard Matzig, der in einer Debatte dem Gebäude bescheinigt hatte, von „neu-teutonischer Natur“ zu sein, „die auch dem Führer gefallen hätte“, schrieb später in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung zum 70. Geburtstag des Architekten: „Das war eine Beleidigung, die einem bis heute leidtut, obwohl man zum Lindencorso immer noch kein entspanntes Verhältnis pflegt.“[3] Kritiker wie Wolfgang Kil bemängelten zudem, dass das Lindencorso aus DDR-Zeiten ein beliebter Treffpunkt war, das neue Lindencorso aber in erster Linie ein „totes“ Geschäftshaus sei. Die Anknüpfung an die traditionelle Straßenbreite wurde ebenfalls kontrovers beurteilt.
Auszeichnungen
- 2. Platz des Deutschen Naturstein-Preises 1997
Literatur
- Christian Bahr: Das neue Berlin. Veränderungen im Stadtbild. Jaron-Verlag, 1999, S. 61–62.
- Wolfgang Kil: Die eigentliche Veränderung der Stadt ist unsichtbar. In: Gründerparadiese Vom Bauen in Zeiten des Übergangs. Verlag Bauwesen, Berlin 2000, S. 59–62.
- Wolfgang Schäche: Ist Rekonstruktion unmoralisch? Lindencorso. In: Das Bauzentrum. 3/1997.
Einzelnachweise
- Zur Planung von 1961/1962 siehe: Hans Gericke: Berlin – Unter den Linden. In: Deutsche Bauakademie und Bund Deutscher Architekten (Hrsg.): Deutsche Architektur, XI. Jg., Berlin, November 1962, S. 635–640
- Letzte Vorbereitungen im Automobil Forum – VW eröffnet Repräsentanz am Sonntag. In: Berliner Zeitung, 28. April 1999
- Christoph Mäckler wird 70 – Haltungsfragen. In: Süddeutsche Zeitung, 16. April 2021