Lichttonverfahren
Das Lichttonverfahren ist das älteste und noch heute gebräuchliche Tonfilm-Verfahren, bei dem Bild- und Toninformation auf demselben Träger aufgebracht sind. Der Ton eines Kinofilms wird dabei auf einem maximal einen Zehntel Zoll (also maximal 2,54 mm) breiten, Tonspur genannten Streifen zwischen den Einzelbildern und den Perforationslöchern des Films fotografisch gespeichert. Da die Bilder schrittweise weiterbefördert werden während ein analoges Tonsignal vom konstant laufenden Filmstreifen abgetastet werden muss, werden hier Bild und Ton zeitlich versetzt auf dem Träger gespeichert, siehe Zeitversatz.
Alternativ zum Lichttonverfahren wird das Magnettonverfahren eingesetzt. Gegenüber dem Magnettonverfahren hat das Lichttonverfahren mehrere Vorteile. Zum einen wird die Tonspur bei der Filmherstellung mitkopiert, es sind also keine zusätzlichen Schritte erforderlich. Zum anderen ist die Tonspur zeitlich stabiler und kann nicht versehentlich gelöscht werden. Nachteil ist (wie beim eigentlichen Filmbild auch) die Anfälligkeit für Kratzer, was zu Tonstörungen führen kann.
Geschichte
Das Lichttonverfahren war das erste Verfahren, bei dem der Ton auf demselben Trägermedium wie das Bild aufgezeichnet wurde. Es wurde erstmals öffentlich vorgestellt von Sven Berglund 1921 und am 9. Juni 1922 in den Vereinigten Staaten vom polnischen Ingenieur Józef Tykociński-Tykociner demonstriert. Wenige Monate später zeigten die deutschen Ingenieure Hans Vogt, Joseph Massolle und Joseph Benedict Engl ihre ersten Filme. Der erste Film mit integrierter Lichttonspur, Der Brandstifter des Produzenten Erwin Baron, wurde in Deutschland 1922 in den Berliner Alhambra-Lichtspielen aufgeführt.[1] Die Rechte am Verfahren wurden 1928 an William Fox verkauft. Die Technik blieb nicht allein auf den Film beschränkt. Beispielsweise arbeitete die weltweit erste Zeitansage ab 1933 in Paris ebenfalls nach diesem Verfahren,[2] nachdem die mechanische Abtastung im Versuchsbetrieb die hohen Anforderungen für den Dauerbetrieb nicht erfüllte. Erste kommerzielle Erfolge mit dem Lichttonverfahren beim Film hatte der Erfinder Lee de Forest, der dafür 1960 einen Ehrenoscar erhielt. Es wird aber berichtet, dass er in den frühen zwanziger Jahren seinem Mitschüler Theodore Willard Case in Yale die Idee zum Tonfilm gestohlen habe.
Seit 1976 gibt es Lichtton mit dem Dolby A-Rauschunterdrückungssystem. Dieses System verbesserte die Tonqualität erheblich. Es war außerdem möglich zwei Lichttonspuren auf dem Raum unterzubringen, den früher eine Spur benötigte, und in diesen beiden Spuren noch die Information für einen Surroundkanal und einen Centerkanal unterzubringen. Das war der Beginn von Dolby Stereo. Seit 1987 wurde das Dolby-Spectral-Recording-Rauschunterdrückungssystem (Dolby SR) benutzt. Demnach nannte man den Lichtton Dolby Stereo SR oder einfach Dolby SR.
Aufzeichnungsprinzip
Zur Herstellung gibt es zwei Verfahren: Das Intensitätsverfahren (Sprossenschrift) und das Amplitudenverfahren (Zackenschrift).
Intensitätsverfahren (Sprossenschrift)
Der Ton wird auf dem Filmstreifen in gleichbleibender Breite aufgezeichnet, die Schwärzung oder Dichte ist jedoch veränderlich, was bei der Filmherstellung durch den je nach Amplitude unterschiedlich starken Lichteinfall verursacht wird. Die Periode der aufgezeichneten wellenförmigen Schwärzung entspricht dem Quotienten aus Filmgeschwindigkeit und der Audio-Frequenz. Die dadurch auf dem Filmstreifen entstehende Aufzeichnung wird als Sprossenschrift bezeichnet. Durch Verwendung zweier Spuren kann Stereoton aufgezeichnet werden.
Das Verfahren hat den Nachteil, dass die Dichtekurve einen großen Einfluss auf die Tonqualität hat und es auch beim Kopieren zu zunehmenden Verzerrungen kommen kann.
Einer der ersten Erfinder, der eine Tonaufzeichnung nach diesem Prinzip erdachte, war Heinrich Stefan Peschka.
Amplitudenverfahren (Zackenschrift)
Beim Amplitudenverfahren wird die Toncodierung, von hoher Schwärzung umgeben, zackenförmig auf den Filmstreifen aufgezeichnet. Die Amplitude bestimmt die Breitenschwankungen der Zacken, die Frequenz ihre Periode. Das dadurch entstehende Abbild wird Zackenschrift genannt. Zur Erzeugung von Stereoton sind hier nicht unbedingt zwei Tonspuren erforderlich – die Auslenkung der Zacken auf je einer Seite bestimmt dann je einen Kanal des Stereotons. Bei Auslenkung nach zwei Seiten nennt man die Schrift auch Doppelzackenschrift. Für analoge Stereoaufzeichnung werden meist zwei Doppelzackenspuren verwendet.
Bei älteren Kopien kann es besonders am Anfang und Ende jeder Rolle zu starken Störgeräuschen kommen. Die Intensität der Störungen (Schmutz) ist abhängig vom Anteil der hellen Bereiche der Tonspur. Deshalb wird normalerweise mit einer hellen Wellenform auf dunklem Hintergrund gearbeitet. Dadurch treten in leisen Bereichen (nur schmale weiße Wellenform) weniger Störungen auf. In lauten Passagen mit vorwiegend tiefen Tönen kann das kratzende Geräusch aber durchaus störend hörbar sein (da es nicht von hohen Frequenzanteilen überdeckt wird), seine Intensität schwankt mit der Lautstärke des Nutzsignals. Deshalb werden auch dunkle Doppelzackenschriften auf hellem Hintergrund eingesetzt. Um dabei den Weißanteil im Tonbild so gering wie möglich zu halten, wird um die eigentliche Wellenform eine schwarze Hüllkurve gelegt, die so eng wie möglich an den Spitzen der Wellenform verläuft. Diese Hüllkurve muss allerdings mit ihrer Eigenfrequenz unter der untersten Wiedergabefrequenz der üblichen Kinotonanlagen liegen, um selbst unhörbar zu bleiben. Werden für Tieftonwiedergabe, z. B. für Katastrophenfilme, modifizierte Anlagen verwendet, kann die Hüllkurve u. U. als Infraschall wiedergegeben werden, was für den Zuschauer zwar nicht bewusst hörbar ist, aber durch unbewusste Wahrnehmung zu Angstgefühlen führen kann. Deshalb sollten solche Kinoanlagen mit schaltbaren Tieftonfiltern ausgerüstet sein, die für "normale" Spielfilme die Hüllkurvenmodulation herausfiltern.
Farbe der Tonspur
Bei Farbfilmen hängt die Farbe der Tonspur vom Verfahren ab. Während meist eine schwarz-weiße Tonspur verwendet wird, setzte das frühe Farbfilmverfahren Cinecolor eine blaue Tonspur ein. Diese war nicht optimal für die Wiedergabe mit den üblichen Projektoren geeignet. Allgemein durchgesetzt hat sich im Filmpositiv (Kinokopie) die schwarz-weiße Tonspur, deren Kontrast durch das Aufbringen ("Schleimen") einer silberhaltigen Lösung ("Tonschleim") verstärkt wurde. Das war notwendig, um bei der Lichttonabtastung am Filmprojektor mit weißem Licht eine optimale Tonqualität zu erhalten. Da jede Kinokopie einzeln "geschleimt" werden musste, war das Verfahren sehr zeitaufwendig und damit teuer. Zusätzlich wurde argumentiert, dass die Silberbeschichtung giftig sei. Deshalb suchte man nach Alternativen und beschloss Anfang der 1990er Jahre, die analoge Lichttonspur auf die Farbe Cyan umzustellen (Cyan Dye Track) und mit rotem Laserlicht oder roten Leuchtdioden abzutasten. Dazu mussten die Kinos ihre Filmprojektoren von Weißlicht auf Rotlicht umrüsten. Da die Umstellung der Filmprojektoren nicht gleichzeitig erfolgen konnte und ein Cyan-Lichtton mit Weißlichtabtastung unbrauchbare Tonqualität liefert, wurde für die Übergangszeit die magentafarbene "Hi-Magenta"-Lichttonspur eingeführt. Diese brachte sowohl mit Weißlicht, als auch mit Rotlicht akzeptable Tonqualität. Nachdem Anfang der 2000er Jahre die Umrüstung der Kinoprojektoren auf Rotlicht weitgehend abgeschlossen war, wurde flächendeckend die Cyan-Lichttonspur eingeführt.
Digitale Verfahren
Mittlerweile existieren digitale Lichttonspuren, wie Dolby Stereo SR-Digital, heute meist einfach Dolby Digital genannt (das am weitesten verbreitete digitale Tonverfahren) oder SDDS, ein System der Firma Sony.
Bei diesen Verfahren wird im Gegensatz zu analogen Lichttonverfahren der Ton nicht analog auf den Film kopiert, sondern digitale Informationen, die von einem Fotoempfänger erfasst werden und dann in einem Dekoder zu Tonsignalen umgewandelt werden.
Diese Verfahren erlauben eine höhere Dynamik, geringere Anfälligkeit gegenüber Beschädigungen und mehr Kanäle, was eine bessere räumliche Abbildung und mehr gestalterischen Freiraum im Ton erlaubt. Des Weiteren sind bei Dolby Digital und SDDS die Tonspuren redundant aufgebracht, d. h., dass selbst bei Beschädigungen an einzelnen Bildern das gesamte Tonsignal rekonstruiert werden kann.
Beim System DTS wird der Ton nicht auf dem Film gespeichert, sondern lediglich ein Zeitsignal (Timecode), das dazu benutzt wird, das Bild und den auf einer externen CD-ROM gespeicherten Ton zu synchronisieren. Die Verbreitung von DTS ist rückläufig, da viele Filmverleiher den damit verbundenen erhöhten logistischen Aufwand scheuen.
Es gibt Erweiterungen dieser digitalen Systeme um mehr Kanäle, zum Beispiel DSRDEX als Erweiterung von DSR-D (Dolby Digital).
THX ist kein eigenes Tonsystem, sondern ein Zertifizierungsverfahren für optimierte Tonwiedergabe. Dazu werden Elemente der Tonanlage, wie auch die Akustik und Optik in Kinosälen überprüft und zertifiziert. Die von THX proklamierte Qualitätsverbesserung ist unter Fachleuten jedoch umstritten.
Wiedergabeprinzip
Eine kleine Lampe leuchtet auf den Tonstreifen, der je nach Amplitude und Frequenz des aufgezeichneten Tonsignals mehr oder weniger viel Licht durchlässt (analoge Tonspeicherung). Somit fällt Licht wechselnder Stärke auf eine Fotodiode (bzw. früher auf eine Fotozelle), die auf der anderen Seite des Films befestigt ist. Die Fotodiode wandelt das Licht in eine Wechselspannung, die verstärkt und anschließend den Lautsprechern im Kinosaal zugeführt wird. Eine Spaltblende sorgt dafür, dass jeweils nur ein sehr kurzes Stück der Tonspur durchleuchtet wird, um so auch hohe Frequenzen wiedergeben zu können.
Versatz zwischen Bild und Ton
Die Bilder kommen bei der Kino-Projektion für 1/24 sec zum Stehen, werden von der Projektorlampe durchstrahlt und auf die Leinwand projiziert. Dafür wird ein Filmstück zwischen frei schwingenden Schleifen schrittweise/bildweise bewegt. Die Tonspur muss dagegen von einem konstant laufenden Filmstück abgelesen werden. Im Lichttongerät sorgt die so genannte Tonwelle, die mit einem Schwungrad verbunden ist, für einen ruhigen gleichförmigen Filmlauf. Das geschieht – in Film-Laufrichtung gesehen – hinter dem Projektionsobjektiv des Projektors. Wegen dieser technisch unterschiedlichen Wiedergabe-Bedingungen und um den konstruktiven Gegebenheiten Rechnung zu tragen, sind Bild und Tonspur auf den Vorführkopien zueinander versetzt. Ein Ton-Ereignis liegt deshalb jeweils 20 Bilder vor dem zugehörigen Bild – und nicht direkt daneben. Der Bild-Ton-Abstand ist für alle Filmformate und Tonverfahren genormt, allerdings nicht immer derselbe. Das gilt für analoge und digitale Verfahren gleichermaßen.
Markennamen
In den Vereinigten Staaten waren Lichttonverfahren in den 1920er Jahren unter folgenden Markennamen verbreitet:
- DeForest Phonofilm war ein 1919 von Lee De Forest patentiertes Intensitätsverfahren, das nach 1929 jedoch schon nicht mehr gebräuchlich war. Verwendung fand es u. a. in den De-Forest-Produktionen Songs of Yesterday, Noble Sissle and Eubie Blake Sing Snappy Songs und Ben Bernie and All the Lads.
- Movietone war ein von Theodore Caste und Earl I. Sponable 1925 aus DeForest Phonofilm entwickeltes Verfahren, das von 1926 an von der Fox Film Corporation verwendet wurde.
- RCA Phonophone war ein 1925 von General Electric patentiertes und bald darauf von RCA übernommenes Amplitudenverfahren, das von Walt Disney, RKO, Republic Pictures, Warner Bros. und 20th Century Fox verwendet wurde.
Literatur
- Joachim Polzer (Hrsg.): Weltwunder der Kinematographie – Beiträge zu einer Kulturgeschichte der Filmtechnik – Aufstieg und Untergang des Tonfilms – mit Geschichtsdarstellungen zu Lichtton und Magnetton. 6. Ausgabe 2002, Polzer Media Group, Potsdam 2002, ISBN 3-934535-20-8
- Hans Vogt: Die Erfindung des Tonfilms. Ein Rückblick auf die Arbeiten der Erfindergemeinschaft Engl–Massolle–Vogt. Erlau bei Passau 1954
- Karl Röwer: Die Technik für Filmvorführer. VEB Wilhelm Knapp Verlag, Halle (Saale) 1953, Nr. 380/49/51
Einzelnachweise
- Der Brandstifter in der IMDb
- Website des Pariser Observatorium: L'horloge parlante officielle française de l'Observatoire de Paris. La première horloge parlante au monde. (Die offizielle Französisch sprechende Uhr des Observatoriums von Paris. Die erste sprechende Uhr der Welt), abgerufen am 22. Februar 2013
Weblinks
- Die Erfindung des Lichttonfilms von Hans Vogt. Aus: Deutsches Museum – Abhandlungen und Berichte, 32. Jahrgang 1964, Heft 2. (Aktualisierte Fassung des Buches von 1954)
- Der Tonfilmprojektor von TRIERGON (Memento vom 29. März 2014 im Internet Archive) Auszug aus: Meisterwerke aus dem Deutschen Museum Band V