Lichttherapie
Eine Lichttherapie ist ein von der wissenschaftlichen Medizin anerkanntes Verfahren zur Behandlung verschiedener Erkrankungen. Die Versorgungsleitlinie für unipolare Depression empfiehlt Lichttherapie vor allem bei Depressionen, die einem saisonalen Muster folgen. Für depressive Störungen, die nicht saisonal abhängig sind, sei zwar eine Wirksamkeit nachweisbar, wegen der kleinen Stichprobe könne in der Leitlinie bisher jedoch noch keine Behandlungsempfehlung ausgesprochen werden.[1]
Als Phototherapie wird die Behandlung mit Licht bei schweren Beeinträchtigungen der Haut wie beispielsweise bei Neurodermitis und Psoriasis bezeichnet.
Exemplarische Vorgehensweise bei Depression
Therapeutisch werden die Patienten dabei hellem Kunstlicht (Tageslichtlampe) ausgesetzt, man spricht hier auch von einer Lichtdusche. Die Lichttherapie sollte am besten direkt nach dem Erwachen angewendet werden. Die Wirksamkeit ist bei einer Exposition von 10.000 Lux für eine halbe Stunde, oder 2.500 Lux für zwei Stunden gut nachgewiesen. Man sollte höchstens etwa 50–80 cm von der Lichtquelle entfernt sitzen. Wichtig ist, dass das Licht auf die Netzhaut fällt. Deshalb müssen die Augen geöffnet sein und dürfen nicht von einer Sonnenbrille oder anderem verdeckt sein.[1] Der Patient soll aber nicht direkt in die Lichtquelle sehen.
Wirksame Lichtfarben
Die spektrale Wirksamkeit von Lichttherapie ist nicht genau bekannt. In einer Studie von 1997 wurde geprüft, welche Lichtfarben Einfluss bei Lichttherapie hätten. Licht mit kurzen oder mittleren Wellenlängen (blau, grün, gelb) scheinen für einen therapeutischen Effekt notwendig zu sein, rotes Licht und UV-Licht wären relativ ineffektiv, UV-Licht kann daher ausgefiltert werden.[2]
Wirklatenz und Wirkungsdauer
Eine Besserung sei bereits nach einer Woche messbar, wobei es vier Wochen dauern könne bis die Lichttherapie vollständig anspricht (Response). Von den Patienten mit saisonal abhängiger Depression sprechen 60–90 % auf die Lichttherapie an, was sich innerhalb von 2 bis 3 Wochen zeige. Nach Absetzen der Lichttherapie zeigen zwar nicht alle, aber die meisten Patienten eine rasche Wiederkehr der Symptomatik, weshalb innerhalb der Jahreszeit mit erhöhtem Risiko eine Fortführung der Lichttherapie empfohlen wird.[1]
Anwendungsgebiete
In der Leitlinie „Unipolare Depression“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) gehört die Lichttherapie zu den Behandlungsoptionen „erster Wahl bei saisonal abhängiger Depression“. Das zu bevorzugende Gerät für die Lichttherapie sei eine Lichtquelle, die weißes, fluoreszierendes Licht abgibt, bei dem der UV-Anteil herausgefiltert wird, und das mindestens 2.500 Lux erzeugt.[1] Die Leitlinie beruft sich dabei auf eine Metaanalyse aus dem Jahr 2005,[3] die 23 randomisiert-kontrollierte Studien auswertete.[1]
Es gibt auch Daten, die dafür sprechen, dass die Lichttherapie bei Formen nichtsaisonaler Depression wirksam ist. Ein Cochrane-Review auf der Basis von 49 randomisierten kontrollierten Studien kam zu der Schlussfolgerung, dass Lichttherapie eine kleine, wenngleich nachweisbare Wirksamkeit bei nichtsaisonaler Depression aufweise.[4][5] Aufgrund der kleinen Stichprobe und der kurzen Behandlungszeiten spricht die Leitlinie der DGPPN jedoch bislang keine Empfehlung für die Anwendung bei nichtsaisonaler Depression aus.[1]
Alternativ wird ein der Lichttherapie ähnliches Verfahren auch zur Vorbeugung gegen Jetlag eingesetzt. So bieten manche Fluggesellschaften ihren Langstreckenpassagieren spezielle Kopfbedeckungen an, an denen eine helle Lichtquelle befestigt ist.
Vermutete Wirkmechanismen
Neuere Untersuchungen beschäftigen sich mit dem Zusammenhang von Lichttherapie und circadianen Rhythmen, zum Beispiel mit der Kombination von Lichttherapie und Schlafentzugstherapie (sog. Wachtherapie) und der Schlafphasenvorverlagerung. Ein bedeutsamer biologischer Vorgang scheint zu sein, dass besonders in der zweiten Nachthälfte Melatonin im Gehirn produziert wird. Melatonin wird mit einer depressiogenen Wirkung in Verbindung gebracht. Wird die Lichttherapie unmittelbar nach dem morgendlichen Aufwachen angewandt, also möglichst früh, dann wird die Produktion von Melatonin beendet bzw. Melatonin abgebaut, so dass es zu einem positiven Stimmungsumschwung kommt. Es ist auch nachgewiesen, dass Licht den Melatoninhaushalt hemmend beeinflusst.
Eingesetzt wird meist weißes Licht, das dem Spektrum des Sonnenlichts entspricht. Normales Tageslicht (auch bei bedecktem Himmel) ist mindestens so wirksam wie künstliches Licht (Lichttherapielampe). In Studien zeigt sich aber, dass viele Menschen sich zu wenig im Freien aufhalten, um sich der nötigen Lichtmenge auszusetzen.
Physiologisch wirksam ist vor allem ein schmales Frequenzband im Blaulichtbereich des weißen Lichts (Wellenlängen 446–477 nm), der auf das blaulichtempfindliche Photopigment Melanopsin in den Ganglienzellen der Netzhaut einwirkt. Anders als die Sehpigmente in den Stäbchen und Zapfen der Netzhaut ist Melanopsin nicht an der visuellen Wahrnehmung beteiligt, sondern beeinflusst die Melatonin-Ausschüttung und darüber die circadiane Rhythmik.[6][7]
Kontraindikationen
Eine augenärztliche Untersuchung wird bei bestehenden Vorerkrankungen des Auges oder der Netzhaut (z. B. Netzhautablösung, Retinitis pigmentosa), systemischen Erkrankungen, die die Netzhaut betreffen (z. B. Diabetes mellitus), vorherige Kataraktoperationen oder Entfernungen der Linse, sowie generell bei älteren Menschen aufgrund des erhöhten Risikos altersbedingter Makuladegeneration empfohlen.
Eine Kontraindikation kann auch die Einnahme eines der folgenden Medikamente sein, da diese die Lichtempfindlichkeit erhöhen: Neuroleptika (Phenothiazine), Antidepressiva (Imipramin), Phasenprophylaktika (Lithium), Diuretika (Hydrochlorothiazide), Methoxsalen, Herzmedikamente (Propranolol, Amiodaron), Chloroquin, Antibiotika (Tetrazykline), sowie Johanniskraut als pflanzliches Mittel zur Behandlung von Depression.[8][9]
Kostenübernahme
Eine Lichttherapie zur Behandlung der Winterdepression ist für die gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland immer eine Selbstzahlerleistung (IGeL). Der IGeL-Monitor des MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen) bewertet die Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung als „tendenziell positiv“. Zwar lieferten die gefundenen Untersuchungen und Übersichtsarbeiten „kein einheitliches Bild zum Nutzen der Therapie“, einige der ausgewerteten Untersuchungen und Übersichtsarbeiten zeigten aber, dass die Lichttherapie die Depressionsbeschwerden etwas besser lindere als eine Scheinbehandlung. Kopfschmerzen, Müdigkeit und ähnliche Beschwerden seien dagegen nicht häufiger als bei einer Scheinbehandlung. Auch enthält die Lichtstrahlung keinen UV-Anteil mehr, sodass sie unbedenklich ist.[10]
Literatur
- Jürgen Zulley, Anna Wirz-Justice: Lichttherapie. Roderer, Regensburg, 1999, ISBN 3-89783-020-5.
- C. Blume, C. Garbazza, M. Spitschan: Effects of light on human circadian rhythms, sleep and mood. In: Somnologie, 2019. doi: https://doi.org/10.1007/s11818-019-00215-x
Weblinks
- International Light Association Verein internationaler Lichttherapeuten (engl.)
- Warum Lichttherapien funktionieren www.wissenschaft.de: Helligkeit setzt Hormone frei und beeinflusst so Stresszustände
Einzelnachweise
- S3-Leitlinie Unipolare Depression der DGPPN. In: AWMF online (Stand 2015)
- T.M.C.Lee, C.C.H.Chan, J.G.Paterson, H.L.Janzen, C.A.Blashko: Spectral properties of phototherapy for seasonal affective disorder: a meta‐analvsis; Acta Psychiatrica Scandinavia, Volume96, Issue2, August 1997, Seiten 117–121
- Robert N. Golden, Bradley N. Gaynes, R. David Ekstrom, Robert M. Hamer, Frederick M. Jacobsen, Trisha Suppes, Katherine L. Wisner, Charles B Nemeroff: The Efficacy of Light Therapy in the Treatment of Mood Disorders: A Review and Meta-Analysis of the Evidence. In: The American Journal of Psychiatry 2005. 162 (4): 656–62. doi:10.1176/appi.ajp.162.4.656
- Terman M, Terman JS: Light therapy for seasonal and nonseasonal depression: efficacy, protocol, safety, and side effects Archiviert vom Original am 4. März 2016. (PDF) In: CNS Spectr. 10, Nr. 8, Februar, S. 647–63; quiz 672. Abgerufen am 16. September 2014.(engl.)
- http://www.sciencenews.org/articles/20050423/fob7.asp (engl.)
- S. Sekharan, J. Wei, V. Batista: The Active Site of Melanopsin: The Biological Clock Photoreceptor. In: J. Am. Chem. Soc., Band 134, 2012, S. 19536–19539, doi:10.1021/ja308763b.
- S. L. Chellappa, R. Steiner, P. Blattner, P. Oelhafen, T. Götz et al.: Non-Visual Effects of Light on Melatonin, Alertness and Cognitive Performance: Can Blue-Enriched Light Keep Us Alert?. In: PLoS ONE, 2011, Band 6, Nummer 1, e16429, doi:10.1371/journal.pone.0016429
- Christine Blume, Corrado Garbazza, Manuel Spitschan: Effects of light on human circadian rhythms, sleep and mood. In: Somnologie. Band 23, Nr. 3, September 2019, ISSN 1432-9123, S. 147–156, doi:10.1007/s11818-019-00215-x, PMID 31534436, PMC 6751071 (freier Volltext).
- Christian Cajochen: Chronobiologie: Licht- und Wachtherapie bei psychiatrischen Erkrankungen. In: PSYCH up2date. Band 7, Nr. 03, 17. Mai 2013, ISSN 2194-8895, S. 173–184, doi:10.1055/s-0033-1343181.
- IGeL-Monitor: Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung („Winterdepression“), abgerufen am 15. Februar 2019. Mehr zur Begründung der Bewertung im Ergebnisbericht, abgerufen am 15. Februar 2019.