Lattiche
Die Lattiche (Lactuca) bilden eine Pflanzengattung in der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Der Milchsaft, von dem sich auch der botanische Gattungsname Lactuca ableitet, enthält Bitterstoffe, die der Pflanze bei der Abwehr von Fressfeinden und Schädlingen helfen; andererseits bestimmen sie den Wohlgeschmack des Gartensalats, der einzigen Lattichart mit ökonomischer Bedeutung. Insbesondere in der Schweiz wird der Bindesalat als Lattich gehandelt. Die etwa 100 Arten sind fast weltweit verbreitet.
Lattiche | ||||||||||||
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Gift-Lattich (Lactuca virosa), Illustration | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Lactuca | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Bei Lactuca-Arten handelt sich um ein- bis zweijährige oder selten ausdauernde krautige Pflanzen, die Wuchshöhen von 15 bis über 450 Zentimetern erreichen. Sie bilden Pfahlwurzeln. Alle Lattich-Arten enthalten einen weißlichen Milchsaft, insbesondere in den Stängeln und Blütenständen. Der meist aufrechte Stängel ist meist verzweigt. Die oberirdischen Pflanzenteile können behaart sein.
Die Laubblätter stehen in grundständigen Rosetten zusammen oder sind wechselständig am Stängel verteilt angeordnet. Die gestielten oder sitzenden Laubblätter sind einfach bis fiederteilig, kreis-, eiförmig, länglich, lanzettlich, lineal oder fadenförmig. Sie sind am Rand oder an der Unterseite entlang der Mittelrippe gewimpert oder haben dort Stacheln und der Blattrand ist glatt, gezähnt bis mehr oder weniger stark gelappt. Die Blattflächen können behaart sein. Nebenblätter fehlen.
Generative Merkmale
Die körbchenförmigen Blütenstände stehen einzeln oder meist zu vielen in rispigen oder schirmtraubigen Gesamtblütenständen zusammen. Es sind manchmal Hochblätter vorhanden. Die kleinen und schmalen, selten großen, körbchenförmigen Teilblütenstände sind ungefähr zylindrisch bis glockenförmig, schwellen zur Blütezeit an, und weisen Durchmesser von 2 bis 5 (selten bis über 8) Millimetern auf. Ihre Hülle besteht aus fünf bis über dreizehn dachziegelartig angeordneten Hüllblättern mehr oder wenigen in zwei Reihen, von denen die äußersten manchmal kürzer sind. Der Körbchenboden ist flach bis konvex ohne Spreublätter. Die Einzelblüten sind in einer oder mehreren Reihen im körbchenförmigen Teilblütenstand angeordnet. Alle fünf bis über fünfzig Blüten sind Zungenblüten. Die Zunge hat fünf Kronzipfel, woran man gut erkennen kann, dass die Kronröhre aus fünf Kronblättern gebildet wird. Die Kronblätter besitzen meist eine gelbe, selten weiße, bläuliche bis violette Farbe.
Die rötlich bis hell braunen, weißen oder purpurfarben bis schwarzen Achänen besitzen eine oder mehrere Rippen auf jeder Seite und münden in eine oft fadenförmig verlängerte Spitze, an der Pappus sitzt. Der auf einer Scheibe oder auf dem Schnabel auf dem oberen Ende der Achäne stehende, haltaber Pappus[1] besteht je nach Art aus ein bis zwei oder mehreren Reihen[1] einfacher und gleich langer weiße Haare .
Die Chromosomengrundzahl beträgt x = 9.[1]
Inhaltsstoffe
Lactuca-Arten enthalten in den Blättern und im Milchsaft hauptsächlich Wasser sowie mehr oder weniger
- Triterpene und ihre Verbindungen, die mit Wasser latexähnliche Substanzen bilden, und zwar α-Lactucerol (= Taraxasterol) und verschiedene Ester des β-Lactucerol, u. a. Lactucon, Lactucerin (s. Abb. 1 und 2); β-Amyrin und Germanicol;
- Bitterstoffe mit Sesquiterpenlacton-Grundstruktur, hauptsächlich Lactucin und Lactucopikrin (s. Abb., Nr. 3 und 4), sowie deren Oxalate und Sulfate.[2] Es sind vermutlich diese Gruppe Substanzen, welche auch eine Kontaktallergie, die Salatallergie auslösen können;
- das Phytoalexin Lettucenin A, ebenfalls mit Sesquiterpen-Grundstruktur, welches pilztötende Eigenschaften aufweist;[2]
- die Farbstoffe Vitamin A und Lactucaxanthin und die Flavonoide Quercetin, Apigenin, Lutolin und Luteolin;
- das ätherische Öl Cumarin, welches zum Geschmack beiträgt;
- Mineralien, Vitamin K1.
Die Lattichsamen (semen lactucae) enthalten in der Sterolfraktion unter anderem β-Sitosterol und Campesterol. Die Wurzel enthält zusätzlich zu Lactucin und Lactucopikrin noch weitere Bitterstoffe mit ähnlicher Struktur, z. B. Jacquinelin. Die Lattiche enthalten keine Alkaloide.[3]
Pharmakologie
Was die Wirkungen der Inhaltsstoffe der Lattiche angeht, weiß man seit Neuestem aus einer Laborstudie, dass die Hauptbitterstoffe Lactucin und Lactucopicrin gegen den Erreger der Malaria, Plasmodium falciparum, wirken und diese Wirkung in Afghanistan ethnobiologisch bekannt ist – nur wird dort keine Lattichart benutzt, sondern die Gemeine Wegwarte (Cichorium intybus), die dieselben zwei Stoffe enthält.[4]
Es wurde behauptet, dass der Lattich-Milchsaft (vor allem vom Gift-Lattich[5]) eine beruhigende und schlaffördernde Wirkung haben soll, was wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist (siehe dazu Gift-Lattich#Inhaltsstoffe). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Lactucin gemäß Riddle als Opiumersatz betrachtet.[6]
Systematik und Verbreitung
Es gibt etwa 100 Lactuca-Arten.
Manche Lattich-Arten sind optisch schwer zu unterscheiden, so z. B. die Mitglieder der Gruppe Lactuca serriola/Lactuca saligna/Lactuca virosa. Hinzu kommt, dass nach neueren Untersuchungen die Mitglieder der Gruppe Lactuca sativa/Lactuca serriola/Lactuca dregeana/Lactuca altaica genetisch keine Unterschiede aufweisen und daher wohl konspezifisch sind.
Eine oft verwendete Einteilung ist die in Genpools, die um den Gartensalat gruppiert sind. Hierbei gelten als primärer Genpool für den Salat die Arten Lactuca serriola/Lactuca dregeana/Lactuca altaica und Lactuca aculeata. Diese können leicht mit Lactuca sativa gekreuzt werden und stellen daher eine sofort verfügbare Quelle zur Salatverbesserung dar. Der sekundäre Genpool besteht aus Lactuca saligna und Lactuca virosa, hier ist die Kreuzung schwierig. Beim tertiären Genpool schließlich ist Kreuzen nur noch mit radikalen Methoden möglich; er besteht aus den Arten der Sektionen Phaenixopus, Mulgedium und Lactucopsis (s. u.).[7][8]
Es gibt etwa zehn Lattich-Arten in Nordamerika, 33 im tropischen Ostafrika, 40 in Asien und 17 in Europa. Europäische Arten wachsen in temperierten und warmen Regionen. Die nördliche Grenze verläuft dabei etwa bei 50 bis 55 ° nördlicher Breite, mit der Ausnahme von Lactuca sibirica, der bis 70 Grad vorkommen kann. Die westlichste Art ist Lactuca tatarica bei 9 ° West. Die meisten Arten leben in Höhenlagen von 200 bis 600 Meter mit Ausnahmen bis 2000 Meter (Lactuca alpestris, Lactuca tatarica, Lactuca altaica und Lactuca tenerrima). Die meisten europäischen Arten kommen im Mittelmeerraum vor, viele von ihnen nur dort.
Bei einer Exkursion durch Teile Mitteleuropas wurde vor allem Lactuca serriola gefunden.[9] Lediglich in der Provence und Italien gab es eine größere Artenvielfalt. Zu bedenken ist allerdings, dass die Linienführung der Exkursion beispielsweise das Rhein-Main-Mosel-Gebiet nicht berührte, wo mehrere seltenere Arten heimisch sind.
Arten (Auswahl)
Die in Europa vorkommenden 17 Arten sind in mehrere Sektionen und Untersektionen eingeteilt:[9]
- Sektion Phaenixopus (Cass.) Benth.: Der Blütenstand ist pyramidal oder ährenartig mit einzelnen oder in Büscheln stehenden Körbchen. Köpfchen mit vier bis acht Blüten.
- Lactuca acanthifolia (Willd.) Boiss.: Endemisch in Griechenland, Kreta, Türkei.[10]
- Lactuca alpestris (Gand.) Rech.f.: Endemisch auf Kreta.[10]
- Lactuca longidentata Moris: Endemisch auf Sardinien.[11]
- Ruten-Lattich (Lactuca viminea J. et. C. Presl): Die Heimat ist Europa, die Kanaren, Nordafrika, Westasien, Turkmenistan und der Kaukasusraum.[10] Es gibt drei Unterarten.[10]
- Sektion Mulgedium (Cass.) C.B. Clarke: Der Blütenstand mit absteigender Verzweigung und wenigen Körbchen. Zahlreiche Blüten.
- Lactuca sibirica Benth. ex Maxim.: Die Heimat ist der Nordeuropa, Osteuropa, Sibirien, China, Japan, die Mongolei und das fernöstliche Russland.[10]
- Tataren-Lattich (Lactuca tatarica C.A.Mey.): Die Heimat ist Nordeuropa, Ost- und Südosteuropa, Polen, die Slowakei, Westasien, das Kaukasusgebiet, Zentralasien, Indien, Pakistan, Sibirien, die Mongolei, China und Nordamerika.[10] Es gibt zwei Unterarten.[10]
- Sektion Lactucopsis (Sch. Bip. ex Pančić) Rouy: Der Blütenstand ist normalerweise doldentraubig. Körbchen mit sechs bis 15 Blüten.
- Lactuca aurea (Schultz-Bip. ex Panć.) Stebbins: Sie ist endemisch auf der Balkanhalbinsel von Kroatien und Serbien bis Rumänien, Griechenland und den europäischen Teil der Türkei.[11]
- Eichen-Lattich (Lactuca quercina L.): Die Heimat ist Europa, Westasien, Indien und der Kaukasusraum.[10] Es gibt zwei Unterarten.[10]
- Lactuca watsoniana Trelease: Endemisch auf den Azoren.[11]
- Sektion Lactuca: Der Blütenstand ist eine dichte Rispe aus vielen Körbchen. Körbchen mit 10 bis 50 Blüten.
- Untersektion Lactuca. Diese Arten sind ruderal und bevorzugen aufgewühlte Böden.
- Gartensalat (Lactuca sativa L.): Er kommt nur kultiviert vor.
- Stachel-Lattich (Lactuca serriola L.): Diese Art ist die bei weitem häufigste in Mitteleuropa.
- Weiden-Lattich (Lactuca saligna L.): Heimat ist Europa (außer Norden), Nordafrika, Kleinasien.
- Gift-Lattich (Lactuca virosa L.): Heimat ist das submediterrane Europa, Westasien, Nordafrika, Nordamerika.
- Lactuca altaica Fisch. et C.A. Mey.: Die Heimat ist Südostrussland, Zentralasien, Sibirien und Xinjiang.[10]
- Lactuca livida Boiss. et Reut.: Sie wird auch als Lactuca virosa subsp. livida (Boiss. & Reut.) Ladero & A. Velasco zu Lactuca virosa gestellt.[11] Sie ist endemisch in Zentralspanien.[11]
- Untersektion Cyanicae: Überraschenderweise scheinen diese Arten nach neuesten Untersuchungen als am weitesten entfernt vom Gartensalat zu sein und sie sollen daher aus der Gattung Lactuca ausgeschlossen werden.
- Blau-Lattich (Lactuca perennis L.): Heimat ist das submediterrane Europa.
- Lactuca intricata Boiss. (Syn.: Lactuca graeca Boiss.): Sie kommt in Griechenland, Mazedonien, Albanien, in der Ägäis und in der Türkei vor.[11]
- Lactuca tenerrima Pourr.: Sie kommt in Marokko, Spanien, Gibraltar, Andorra, Frankreich und auf den Balearen vor.[11]
- Untersektion Lactuca. Diese Arten sind ruderal und bevorzugen aufgewühlte Böden.
Nur in der Neuen Welt kommen vor (Auswahl):
- Lactuca biennis (Moench) Fernald: Sie kommt in Alaska, Kanada und in den Vereinigten Staaten vor.[10]
- Lactuca canadensis L.: Sie kommt in Kanada und in den Vereinigten Staaten vor.[10]
- Lactuca floridana (L.) Gaertner: Sie kommt in Kanada, in den Vereinigten Staaten und in Puerto Rico vor.[10]
- Lactuca graminifolia Michx.: Sie kommt in den Vereinigten Staaten, in Mexiko, Guatemala und auf den Bahamas vor.[10]
- Lactuca hirsuta Muhlenberg ex Nuttall: Sie kommt in Kanada und in den Vereinigten Staaten vor.[10]
- Lactuca ludoviciana (Nuttall) Riddell: Sie kommt in Kanada und in den Vereinigten Staaten vor.[1]
Quellen
- John L. Strother: Lactuca Linnaeus., S. 258-262 - textgleich online wie gedrucktes Werk. In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 19: Magnoliophyta: Asteridae, part 6: Asteraceae, part 1 (Mutisieae–Anthemideae). Oxford University Press, New York und Oxford, 2006, ISBN 0-19-530563-9.
Einzelnachweise
- John L. Strother: Lactuca Linnaeus., S. 258-262 - textgleich online wie gedrucktes Werk. In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 19: Magnoliophyta: Asteridae, part 6: Asteraceae, part 1 (Mutisieae–Anthemideae). Oxford University Press, New York und Oxford, 2006, ISBN 0-19-530563-9.
- Reuben A. Sessa, Mark H. Bennett, Mervyn J. Lewis, John W. Mansfield, Michael H. Beale: Metabolite Profiling of Sesquiterpene Lactones from Lactuca Species. In: Journal of Biological Chemistry Band 275, Nr. 35, 2000, S. 26877–26884, doi:10.1074/jbc.M000244200
- W. Blaschek et al. (Hrsg.): Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. Folgeband 3: Drogen L - Z. 5. Auflage. Springer-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-540-61619-5, S. 17 ff.
- Theodore A. Bischoff, Charles J. Kelley, Yvette Karchesy, Maria Laurantos, Phuc Nguyen-Dinh, Abdul Ghafoor Arefi: Antimalarial activity of Lactucin and Lactucopicrin: sesquiterpene lactones isolated from Cichorium intybus L. In: Journal of Ethnopharmacology Band 95, Nr. 2–3, 2004, S. 455–457, doi:10.1016/j.jep.2004.06.031.
- J. Sturms Flora von Deutschland in Abbildungen nach der Natur. I–XV, 2. umgearbeitete Aufl., K. G. Lutz, Stuttgart 1900–1907, Band XIV, S. 110.
- John Marion Riddle: Dioscorides on Pharmacy and Medicine. Mit einem Vorwort von John Scarborough, Austin (Texas) 1985 (= History of science series. Band 3), S. 28 und 38.
- Wim J. M. Koopman, Martin J. Zevenbergen, Ronald G. Van den Berg: Species relationships in Lactuca s.l.(Lactuceae, Asteraceae) inferred from AFLP fingerprints. In: American Journal of Botany. Band 88, Nr. 10, 2001, S. 1881–1887, Abstract.
- Wim J. M. Koopman: Zooming in on the lettuce genome. Species relationships in Lactuca s.l., inferred from chromosomal and molecular characters. In: Wageningen University dissertation. Band 3233, 21. Juni 2002, Download.
- Aleš Lebeda, Ivana Doležalová, Eva Křístková, Barbora Mieslerová: Biodiversity and ecogeography of wild Lactuca spp. in some European countries. In: Genetic Resources and Crop Evolution. Band 48, Nr. 2, 2001. S. 153–164. doi:10.1023/A:1011265614395
- Lactuca im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 13. April 2018.
- Werner Greuter (2006+): Compositae (pro parte majore). In: Werner Greuter, E. von Raab-Straube (Hrsg.): Compositae.: Datenblatt Lactuca In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
Weblinks
- Hermann Stadler: Lactuca. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XII,1, Stuttgart 1924, Sp. 367–369.