Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg
Das Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg ist ein Museum für zeitgenössische Kunst in Magdeburg (Sachsen-Anhalt).
Das Museum befindet sich mitten in der Altstadt, in der Nähe des Elbufers und des Magdeburger Doms, in einem mittelalterlichen Gebäudekomplex, dem Kloster Unser Lieben Frauen. Im Mittelalter war es das wichtigste deutsche Prämonstratenserstift, heute ist es der bedeutendste Sammlungs- und Ausstellungsort für internationale Kunst der Gegenwart im Land Sachsen-Anhalt. Ein großes Kunstmuseum für Gegenwartskunst in einem sehr gut erhaltenen romanischen Gebäude ermöglicht einen kulturellen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart, der in der deutschen Museumslandschaft einzigartig ist.
Die Sonderausstellungen und der Sammlungsaufbau widmen sich gattungsübergreifend der internationalen und nationalen Kunst der Gegenwart. Den Schwerpunkt in der Sammlung bildet die Kunst seit 1945 bis heute, vor allem die Gattungen Skulptur, Medienkunst und Fotografie. Die historischen Sammlungsbereiche umfassen Werke der Bildhauerei seit der Antike über das Mittelalter bis hin zum Barock. Dieser Sammlungsbereich ist heute abgeschlossen. Von 1976 bis 1990 fokussierte sich die Sammeltätigkeit auf Plastik aus der DDR. Dieser Sammlungsbereich ist ebenfalls heute abgeschlossen. Weitere Sammlungsbereiche sind die Skulptur von der Moderne bis in die Gegenwart.
Museums- und Sammlungsgeschichte
1906–1945
Die historische Skulpturensammlung des Museums basiert zum Teil auf der Skulpturensammlung des ehemaligen Kaiser Friedrich Museums (gegründet 1906) in Magdeburg. Der erste Magdeburger Museumsdirektor Theodor Volbehr (1862–1931) vervollständigte, unterstützt vom Berliner Museumsexperten Wilhelm von Bode, die größtenteils aus Stiftungen von Magdeburger Bürgern zusammengefügte Kunstsammlung. Theodor Volbehr verfolgte von Anfang an die Absicht, Werke aus den wichtigsten Kunstzentren Europas für die Magdeburger Sammlung zusammenzutragen. Theodor Volbehr und sein Nachfolger Walter Greischel fügten auch moderne und zeitgenössische Kunstwerke der deutschen und französischen Avantgarde in die Ausstellungen und Sammlungen ein. Bis zum Zweiten Weltkrieg war im damaligen Kaiser-Friedrich-Museum europäische Kunst- und Kulturgeschichte aller Epochen seit der Antike repräsentiert. Im Zweiten Weltkrieg verbrannten große Teile der Malerei- und Plastiksammlung an ihrem Auslagerungsort.
1958–1974
Per Ratsbeschluss wurde 1958/1959 die kulturelle Nutzung des seit dem 19. Jahrhundert säkularisierten und seither unterschiedlich genutzten Gebäudekomplexes des Klosters Unser Lieben Frauen festgelegt. Ehemalige Räume der Klosteranlage wurden bereits ab 1965 für museale Zwecke saniert und zunächst für stadtgeschichtliche Ausstellungen, später zunehmend für wechselnde Kunstausstellungen genutzt.
1975–1989
Am 11. Juni 1975 legte der Rat der Stadt Magdeburg Nutzung des Klosterkomplexes als Kunstmuseum fest. In der Folge wurden sowohl der Plan für die baulichen Investitionen als auch das Nutzungskonzept vom Rat bestätigt. Fertiggestellt waren zu diesem Zeitpunkt drei tonnengewölbte Räume auf drei Etagen mit einer Grundfläche von ca. 800 m² und der in schlichter Funktionalität des Industriebaues wiederaufgebaute zweigeschossige Westflügel. Dem größten Raum im Erdgeschoss wurde ab 1975 die Plastiksammlung des 20. Jahrhunderts zugeordnet, dem zweiten Skulpturen der Antike und des Mittelalters bis zum Barock.
Ab 1975 zeigten die drei übereinanderliegenden tonnengewölbten Räume des ehemaligen Klosters die Plastik des 20. Jahrhunderts sowie Skulptur der Antike und von Mittelalter bis Barock. Das Ministerium für Kultur der DDR traf 1976 die Entscheidung, in Form der Sammlung „Nationale Sammlung Kleinplastik“ ein nationales Zentrum der Bildhauerei in Magdeburg zu gründen. Später wurde der Fokus auf Nationale Plastik erweitert. Die Standortwahl wurde mit dem in Magdeburg in den Kunstsammlungen vorhandenen hochwertigen Bestand europäischer Skulpturen aus allen Epochen der Kunstgeschichte begründet. Ein jährlich zur Verfügung stehender Ankaufsetat der Magdeburger Museen und zusätzliche Gelder des Ministeriums für Kultur ermöglichten in den Jahren von 1976 bis 1989 den rasanten Sammlungsaufbau.
Die weitreichende Entscheidung des Ministeriums führte schließlich bis 1989 dazu, dass keine andere Sammlung auf dem Territorium der DDR über einen annähernd umfangreichen und bedeutenden Bestand an Bildhauerei der DDR verfügt. Unter dem Titel „Plastikkolloquien“ zwischen 1976 und 1986 fast jährlich stattfindende Tagungen, auf denen sich Bildhauer und Kunstwissenschaftler aus dem ganzen Land zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch zusammenfanden, führten zu einer schnell wachsenden Akzeptanz der jungen Sammlung.
In den folgenden fünfzehn Jahren wurde die Sammlung intensiv ausgebaut. Sie wuchs bis 1989 auf über 1200 Skulpturen und ca. 600 Bildhauerzeichnungen an, darunter auch viele Arbeiten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neben dem jährlichen Ankaufsetat standen von 1976 bis 1989 für den Sammlungsaufbau zusätzliche Mittel des Ministeriums für Kultur und der Stiftung Kulturfonds zur Verfügung. Zum 40. Jahrestag der DDR wurden im Herbst 1989 circa 50 Großplastiken im Außenraum des Museums aufgestellt und damit der Skulpturenpark gegründet, der bis heute das Gebäude umgibt und gelegentlich um neue Skulpturen ergänzt wird. Noch vor der Deutschen Wiedervereinigung 1989 ging die „Nationale Sammlung Kleinplastik“ an die Stadt Magdeburg.
1990
Nach 1990 verlangsamte sich der Ausbau der Sammlung zugunsten eines Ausstellungsprogramm internationaler Kunst. Im Laufe der 1990er Jahre wurde ein neues Konzept für die Sammlungstätigkeit entwickelt, in dem eine inhaltliche Neuorientierung, ein neues Finanzierungsmodell für den Erwerb von Kunstwerken und die Aufnahme von Kontakten zu Privatsammlern zu berücksichtigen waren. Standen in den fast fünfzehn Jahren staatlich gestützter Sammeltätigkeit ausreichend Mittel zur Verfügung, so blieben die Möglichkeiten nun stark begrenzt. Das Ausstellungswesen hingegen konnte schnell dem internationalen Geschehen angepasst werden, so mit Sonderausstellungen wie „Kunstregion Südfrankreich 1980–1990“ (1991), „Wege. Kunst aus Ton“ (1993), „Befragung der Räume. Kunst aus Ton“ (1997) und „Gärten der Flora“ (1999) im Rahmen der Bundesgartenschau.
2002–2009
2004 war die Sammlung durch Mithilfe verschiedener Fördermittelgeber, durch das Land Sachsen-Anhalt und durch private Schenkungen so weit gewachsen, dass die Dauerausstellung im Oberen Tonnengewölbe neugestaltet werden konnte. Sie präsentiert das Ergebnis der Sammeltätigkeit der letzten zehn Jahre und öffnet sich erstmals seit über 60 Jahren wieder europäischen Kunstentwicklungen.
An die Stelle eines geschlossenen Werkkorpus seit den 1960er Jahren trat zusätzlich die Präsentation neuer Strömungen und Positionen der internationalen Kunst. Berücksichtigt wurden jetzt auch prozessuale Kunstansätze, Fotografie, neue Medien, Film- und Videoarbeiten. Ausgestellt wurde internationalen Kunst seit den 1960er Jahren, wie beispielsweise Werke von Enrico Castellani, Giovanni Anselmo, Gilberto Zorio, Jenny Holzer und Leiko Ikemura die auch in der Dauerausstellung gezeigt werden.
Ausstellungen in dieser Zeit waren:
- 2003: La Poetica dell’ Arte Povera
- 2004: Paris des photographes
- 2005: Fluxus und Freunde. Sammlung Maria und Walter Schnepel
- 2005: Faszination Kunst. Kunstmuseen in Sachsen-Anhalt
- 2007: Second View. Amerikanische Fotografie der Sammlung Niedersächsische Sparkassenstiftung Hannover
- 2006: John Smith
Seit 2009
In den 2010er-Jahren entwickelte sich das Museum kontinuierlich weiter. Von 2009 bis 2012 wurde die Ausstellungsfläche auf ca. 2000 m2 vergrößert. Neben der Erschließung weiterer Räume für die Öffentlichkeit wurde eine Ausstellungsetage hinzugewonnen. Wichtige Ausstellungen u. a. mit Bjørn Melhus, Jannis Kounellis, Judith Joy Ross, Christiane Möbus, Kōji Kamoji, Matthias Hoch, Maix Mayer, Olaf Wegewitz u. a. wurden neben thematischen Ausstellungen präsentiert.
Gebäude und Ausstellungsbereiche
Der geschlossene Baukomplex aus Basilika, Kreuzgang, angrenzenden Konventsgebäuden, ehemaligem Pädagogium und modernem Ausstellungstrakt, errichtet im 11. bis 13. sowie im 19. und 20. Jahrhundert, gehört zu den bedeutendsten Baudenkmalen im Land Sachsen-Anhalt. Der denkmalgerecht und ästhetisch anspruchsvolle Um- und Ausbau der Konventsgebäude auf ca. 2.500 m² Ausstellungsfläche ermöglichen das Zusammenspiel historischer Substanz und internationaler Kunst der Gegenwart. Zum Gebäudekomplex der Klosteranlage gehören neben dem Dauerausstellungsbereich und den Ausstellungsräumen für Sonderausstellungen auch die romanische Marienkirche, der Kreuzgang mit Brunnenhaus (genannt „Tonsur“), das aus dem 19. Jahrhundert stammende Schulgebäude, das heute als Verwaltungstrakt genutzt wird und der neu Westbau mit Café und Museumsshop.
Der Dauerausstellungsbereich umfasst drei Tonnengewölbe: die sogenannte Obere Tonne (ehemaliges Sommerrefektorium des Klosters), Mittlere Tonne (ehemalige Klosterküche) und Untere Tonne, die die Sammlung dauerhaft präsentieren. In der Oberen Tonne wird seit 2004 eine Auswahl aus dem Sammlungsbereich der Kunst der Gegenwart gezeigt. Unter anderen sind Arbeiten von Ruth Francken, Jannis Kounellis, Anthony Caro, Olaf Wegewitz, Heinz Breloh, Auke de Vries, Enrico Castellani, John Smith, Thomas Virnich und Maurizio Nannucci dauerhaft zu sehen. In der Mittleren Tonne befinden sich historische Skulpturen zwischen Mittelalter und Barock. Die Werke von Auguste Rodin, Aristide Maillol, Ernst Barlach und Wilhelm Lehmbruck in der Unteren Tonne bringen Skulptur der Antike und der Moderne in den Dialog.
Das weitläufige Gelände um die Klosteranlage ist seit 1989 als Skulpturenpark, der sich weit in die Magdeburger Altstadt hinein ausdehnt, gestaltet und zeigt eine Auswahl der Sammlung mit Werken seit 1945. Der Obere Kreuzgang und das Pönitentiarium, die Kabinette, der Saal und die Medienlounge werden für Sonderausstellungen genutzt. Gelegentlich werden auch die Kirche und die Kapelle, die sich an das nördliche Querhaus der Basilika anschließt, in Ausstellungsprojekte miteinbezogen. Die Marienkirche wird seit 1977 auch als Konzerthalle „Georg Philipp Telemann“ vom Gesellschaftshaus Magdeburg genutzt.
Ausstellungen
Wechselnde Sonderausstellungen zeigen zeitgenössische Kunst in Einzel- oder Gruppenausstellungen. Dabei richtet sich die Konzentration auf künstlerische Positionen, die, zum Teil auch abseits des populären Kanons, eine wichtige inhaltliche Setzung vornehmen. Gruppenausstellungen wie „Heute.Malerei“ (2012), „Everyday Ideologies“ (2008 und 2010), „Farbe“ (2007), „La Poetica dell’Arte Povera“ (2003) oder „Daily Memories“ (2014) widmeten sich wichtigen künstlerischen Tendenzen, Methoden, Gattungen oder Themen. Einzelausstellungen präsentieren sowohl Arbeiten international etablierter als auch junger, aufstrebender Künstler, deren Positionen aus dem konventionellen Kanon herausragen.
Bedeutende Einzelausstellungen waren bisher unter anderem die Werkschauen von Ruth Francken (2006), Rashid Johnson (2008), Judith Joy Ross (2012), Jannis Kounellis (2012), Kōji Kamoji (2013), und Max Uhlig (2014). Die 2012 eingeweihte Medienlounge im Dachgeschoss präsentiert regelmäßig Highlights aus der Mediensammlung oder aktuelle zeitgenössische Medienkunst.
Literatur
- Tobias von Elsner: Alles verbrannt? Die verlorene Gemäldegalerie des Kaiser-Friedrich-Museums Magdeburg. Sammlungsverluste durch Kriegseinwirkungen und Folgeschäden. Cuno, Calbe 1995. (= Magdeburger Museumshefte. 5).
- Uwe Gellner: Aspekte einer späten Genese – Das Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen. In: Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg. Magdeburg 1995, S. 277–288.
- Annegret Laabs: Das Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg. Ein Museum der sich verändernden Gegenwarten. In: Ausstellungskatalog Faszination Kunst. Kunstmuseen in Sachsen-Anhalt. Hrsg. Annegret Laabs, Uwe Gellner, Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen, Cuno, Calbe 2005, S. 98–123.
- Annegret Laabs, Andreas Hornemann: Kunstmuseum Magdeburg Kloster Unser Lieben Frauen (= DKV-Kunstführer. Nr. 438). 6., neu bearb. Auflage, München / Berlin 2008, ISBN 978-3-422-02133-4.
Weblinks