Kotlin (Programmiersprache)
Kotlin ist eine plattformübergreifende, statisch typisierte Programmiersprache, die in Bytecode für die Java Virtual Machine (JVM) übersetzt wird, aber auch in JavaScript-Quellcode oder (mittels LLVM) in Maschinencode umgewandelt werden kann. Kotlin lässt sich außerdem zur Entwicklung von Android- und iOS-Apps verwenden.[4] Google unterstützt seit 2017 offiziell die Entwicklung von Android-Apps in Kotlin, und diese ist seit Mai 2019 die dafür bevorzugte Sprache.[5][6]
Kotlin | |
---|---|
Basisdaten | |
Paradigmen: | objektorientierte Programmierung, funktionale Programmierung, imperative Programmierung, strukturierte Programmierung, deklarative Programmierung, generische Programmierung, Reflexion, nebenläufige Programmierung |
Erscheinungsjahr: | 2011 (erste Erscheinung) 2016 (stabil) |
Designer: | JetBrains |
Entwickler: | JetBrains und Open-Source-Entwickler |
Aktuelle Version | 1.6.10[1] (14. Dezember 2021) |
Typisierung: | Statische Typisierung, Typinferenz, starke Typisierung |
Beeinflusst von: | Java, Scala, C#, Groovy[2], Gosu, JavaScript |
Betriebssystem: | Java Virtual Machine, Dalvik Virtual Machine, JavaScript, iOS, Watch OS, tvOS, macOS, Linux, Microsoft Windows, WebAssembly |
Lizenz: | Apache 2[3] |
kotlinlang.org |
Entwicklung
Hauptsächlich wird die Sprache von den in Sankt Petersburg ansässigen JetBrains-Programmierern entwickelt.[7][8] Daher stammt auch der Name: Kotlin ist eine Insel vor St. Petersburg.[9] Nach einem Jahr Entwicklung stellte JetBrains im Juli 2011 das Projekt „Kotlin“ der Öffentlichkeit als neue Sprache für die JVM vor.[10][11] Im Februar 2012 veröffentlichte JetBrains den Quellcode unter einer Apache-2-Lizenz.[12] Am 15. Februar 2016 wurde die Version 1.0 von Kotlin veröffentlicht.[13] Diese Version wird als erster offizieller Stable-Release betrachtet.
Der leitende Entwickler Dmitry Jemerow erklärte, dass die meisten Sprachen nicht die Merkmale zeigten, nach denen sie gesucht hätten, mit Ausnahme von Scala. Diese jedoch habe einen langsamen Compiler.[11] Daher war eines der erklärten Ziele für Kotlin die hohe Kompiliergeschwindigkeit, wie man sie von Java her kenne.
Tools
Auch die von JetBrains entwickelte IDE IntelliJ IDEA unterstützt seit der Version 15 Kotlin nativ via eines Plug-ins.[14][15] Für Eclipse und Visual Studio Code stehen ebenfalls Plugins zur Verfügung.[16][17][18] Es existieren zudem Plugins für Apache Maven und Gradle und ein Task für Apache Ant.[19] Die offizielle Android-Entwicklungsumgebung Android Studio unterstützt von Version 3.0 an Kotlin als native Sprache zum Entwickeln von Android-Apps.[20]
Im Java-Umfeld gibt es zahlreiche Frameworks und Bibliotheken, die bei der Test-Erstellung helfen. Da Kotlin vollständig interoperabel mit Java ist, können alle diese Tools ohne Weiteres für Tests von Kotlin-Code verwendet werden.[21]
Syntax
Die Sprache ist syntaktisch nicht zu Java kompatibel, aber so gestaltet, dass sie mit Java-Code interoperieren kann. Außerdem nutzt sie bestehenden Code der Java Class Library (JCL), z. B. das Java Collections Framework (JCF).
Anders als in Java wird bei Kotlin der Datentyp einer Variable bei ihrer Deklaration nicht vor dem Variablennamen, sondern danach, abgetrennt durch einen Doppelpunkt, notiert. Allerdings unterstützt Kotlin auch Typinferenz, sodass der Typ oft auch weggelassen werden kann, wenn er aus dem Zusammenhang klar ist. Als Anweisungsende genügt der Zeilenumbruch, ein Semikolon ist hierbei nur notwendig, wenn eine Zeile aus mehreren Anweisungen besteht.[22] Zusätzlich zu Klassen und Methoden (in Kotlin: member functions) aus der objektorientierten Programmierung unterstützt Kotlin prozedurale Programmierung unter Verwendung von Funktionen sowie bestimmte Aspekte der funktionalen Programmierung.[23] Als Einstiegspunkt dient wie bei C u. ä. eine main-Funktion.
Hallo Welt
Ein Programm, das die Zeichenkette „Hallo Welt“ ausgibt.
fun main() { // Einsprungpunkt (Main-Funktion)
println("Hallo Welt!") // Gib den String 'Hallo Welt!' aus
}
Funktionen
// Definition einer Funktion "funktionsBeispiel"
fun funktionsBeispiel() {
// ...
}
// Funktion mit zwei Argumenten und einem Rückgabewert
fun add(x: Int, y: Int): Int {
return x + y
}
// Besteht eine Funktion aus nur einem Ausdruck, dürfen die geschweiften Klammern, der Rückgabetyp und das "return" weggelassen werden.
fun add2(x: Int, y: Int) = x + y
// Einsprungpunkt (Main-Funktion)
fun main(args: Array<String>) {
// Definition einer verschachtelten Funktion, die nur in main aufgerufen werden kann.
fun test() {
println("Hello World!")
}
// Aufrufen der Funktion
test()
}
Kontrollstrukturen
Kotlin unterstützt die gängigen Kontrollstrukturen.
If-Anweisung
// Weist der schreibgeschützten lokalen Variable 'x' die Tastatureingabe (standard input stream) als Integer-Wert zu.
val x = readLine()!!.toInt()
// if..else-Anweisung, die prüft ob der Integer-Wert größer, kleiner oder gleich null ist.
// Mit Ausgabe von Text auf der Konsole.
if (x > 0) print("positiv") else if (x < 0) print("negativ") else print("null")
// Int-Eingabe: 10 -> String-Ausgabe: positiv
When-Anweisung
Die when-Anweisung dient dem Pattern Matching. Nicht spezifizierte Fälle können mit "else" abgefangen werden (vergleichbar mit "default" bei switch-case-Anweisungen in Java).
// Weist der schreibgeschützten lokalen Variable 'x' die Tastatureingabe (standard input stream) als Integer-Wert zu.
val x = readLine()!!.toInt()
when (x) {
1 -> print("x == 1")
2 -> print("x == 2")
3, 4 -> print("x == 3 oder x == 4")
in 5..7 -> print("x zwischen 5 und 7")
else -> print("x ist kleiner als 1 oder größer als 7.")
}
Repeat-Anweisung
// Wiederholt die Funktionsanweisung 2x
repeat(2) {
println("Hello Wiki")
}
// Hello Wiki
// Hello Wiki
For-Schleife
// Iteriert i innerhalb der 7-downTo-1-Range in Zweierschritten
for (i in 7 downTo 1 step 2) print("$i ")
// 7 5 3 1
Higher-Order Functions
Kotlin unterstützt die Verwendung von Funktionen höherer Ordnung sowie von Closures mithilfe von Funktionszeigern, anonymen Funktionen und Lambda-Ausdrücken.
// Funktion, die eine andere Funktion entgegennimmt
fun callWithInt(number: Int, fn: (Int) -> Int) {
val result = fn(number)
println(result)
}
// Funktion, die eine andere Funktion zurückgibt
fun makeAdder(a: Int): (Int) -> Int {
fun add(b: Int) = a + b
return ::add
}
// Anders als in Java dürfen in Kotlin Closures auf Variablen auch schreibend zugreifen
var number = 0
fun makeCounter(): () -> Int {
fun counter() = ++number
return ::counter
}
fun double(x: Int) = x * 2
fun main() {
// Aufruf mit Funktionszeiger
callWithInt(42, ::double)
// Aufruf mit anonymer Funktion
callWithInt(42, fun(x: Int) = x * 2)
// Aufruf mit Lambda-Ausdruck
callWithInt(42, { x -> x * 2})
// Als letztes Argument dürfen Lambdas außerhalb der runden Klammern geschrieben werden.
// Wenn die Funktion nur ein Argument erwartet, heißt dieses "it", falls nicht anders festgelegt.
callWithInt(42) { it * 2 }
val add2 = makeAdder(2)
println(add2(5)) // gibt 7 aus
val counter = makeCounter()
println(counter()) // Gibt 1 aus
println(counter()) // Gibt 2 aus
}
Funktionen höherer Ordnung werden auch in der Standardbibliothek verwendet, insbesondere bei Collections-Datentypen wie Listen, Maps oder Sets.
val list = setOf(1, 2, 3, 4, 5)
println(list.map { it * 2 }) // [2, 4, 6, 8, 10]
println(list.filter { it > 2 }) // [3, 4, 5]
println(list.groupBy { it % 2 }) // {1=[1, 3, 5], 0=[2, 4]}
val cities = listOf("Berlin", "Hamburg", "München", "Köln", "Frankfurt")
// Die Anfangsbuchstaben der drei Städte mit den kürzesten Namen hintereinander
val result = cities
.sortedBy { it.length }
.take(3)
.map { it[0] }
.fold("" target="_blank" rel="nofollow") { acc, char -> acc + char }
println(result) // KBH
Null Safety
Die falsche Verwendung von Null-Pointern, die zu sogenannten „Null Pointer Exceptions“ führen können, ist in vielen Programmiersprachen eine häufige Fehlerursache. Daher stellt Kotlin eine Reihe von Features zu Verfügung, die das Auftreten solcher Null Pointer Exceptions bereits zur Kompilierzeit verhindern sollen. So muss der Entwickler zum Beispiel beim Deklarieren einer Variable explizit angeben, ob diese den Wert null annehmen darf oder nicht. Variablen, die null sein können, werden „nullable“ (etwa: nullbar) genannt.
// Erstellt eine Variable vom Typ "Int" (darf nicht "null" sein)
var a: Int = 123
// Erstellt eine Variable, die den Wert "null" annehmen darf.
var b: Int? = 456
// Nicht erlaubt (Erzeugt einen Kompilierfehler)
a = null
// Zugelassen
b = null
Wenn eine Variable, die null werden kann, verwendet wird, ohne sie vorher auf null geprüft zu haben, führt dies beim Kompilieren ebenfalls zu einem Fehler.
fun nullSafety() {
val test: String? = "Test"
// Kompilierfehler (könnte "Null Pointer Exception" verursachen)
println(test.length)
// Erlaubt, da auf null abgeprüft wird.
if (test != null)
println(test.length)
// Auch erlaubt (zweite Bedingung wird nur überprüft, wenn die erste falsch ist)
if (test == null || test.length == 0)
println("Leerer String")
// Ebenfalls erlaubt
if (test == null)
return
println(test.length)
}
Kotlin bietet außerdem für einige typische Fälle besondere Syntax, um den benötigten Code zu verkürzen.
val ort = kunde?.adresse?.ort
val ortOderLeer = ort ?: "" target="_blank" rel="nofollow"
// Obiger Code ist gleichbedeutend mit:
val ort: String?
if (kunde == null || kunde.adresse == null)
ort = null
else
ort = kunde.adresse.ort
val ortOderLeer: String
if (ort == null)
ortOderLeer = "" target="_blank" rel="nofollow"
else
ortOderLeer = ort
Rezeption
- Google hat Kotlin auf der Entwicklerkonferenz I/O 2019 zur bevorzugten Programmiersprache für Android erklärt.[24]
- In der Ausgabe Januar 2012 des Dr. Dobb’s Journal wurde die Programmiersprache zur Sprache des Monats (language of the month) erklärt.[25]
Der Kotlin-Website zufolge setzen kleine wie große Projekte die Sprache ein:
- Pinterest nutzen monatlich 150 Millionen Anwender.
- Gradle setzt Kotlin für Installationsskripte ein.
- Evernote verwendet Kotlin für seinen Android-Client.
- Uber nutzt Kotlin für interne Werkzeuge.
- Corda, eine vollständig in Kotlin entwickelte Open-Source-Software, wird von mehreren Großbanken verwendet.[26]
- Coursera entwickelt Android-Apps zum Teil mit Kotlin.
- Atlassian verwendet Kotlin für das Werkzeug Trello unter Android.[27]
Literatur
- Stephen Samuel, Stefan Bocutiu: Learn Kotlin Programming: A comprehensive guide to OOP, functions, concurrency, and coroutines in Kotlin 1.3, 2nd Edition. Packt Publishing, 29. Mai 2019, ISBN 978-1-78980-874-2.
- Irina Galata, Joe Howard: Kotlin Apprentice: Beginning Programming with Kotlin 9. Juli 2018, ISBN 978-1-942878-50-6.
- Peter Sommerhoff: Kotlin for Android App Development. Addison-Wesley, 2019, ISBN 978-0-13-485419-9.
- Ted Hagos: Learn Android Studio 3 with Kotlin: Efficient Android App Development. Apress, 12. November 2018, ISBN 978-1-4842-3907-0.
- Karl Szwillus: Kotlin, Einstieg und Praxis. mitp, 2019, ISBN 9783958458536.
Weblinks
- Offizielle Website
- kotlinlang.org: Web-Demo und Beispiele, Kotlin Language Documentation.
- android.com: Kotlin and Android
- JetBrains: Interaktiver und kostenloser Kotlin-Kurs, der die Grundlagen vermittelt. (englisch).
- Stefan Tomm: Einführung in Kotlin – Informatik Aktuell. In: informatik-aktuell.de. 14. August 2018 .
- Alexander Neumann: Programmiersprachen: Kotlin profitiert von Android – heise Developer. In: heise.de. 12. Juli 2018 .
- Rainald Menge-Sonnentag: Google bietet einen kostenlosen Kotlin-Kurs für Fortgeschrittene an. In: heise.de. 19. November 2019 .
Einzelnachweise
- github.com. 14. Dezember 2021 (abgerufen am 1. Januar 2022).
- Introduction to Kotlin Programming. In: O'Reilly Media, Inc..
- kotlin/license/README.md. In: JetBrains/kotlin. GitHub, abgerufen am 20. September 2017.
- Supported platforms – Kotlin Multiplatform Mobile Docs. In: Kotlin Multiplatform Mobile Docs Help. 18. August 2021, abgerufen am 31. August 2021 (englisch).
- heise online: Google I/O: Googles Bekenntnis zu Kotlin. Abgerufen am 18. Juni 2019.
- Maxim Shafirov: Kotlin on Android. Now official. In: Kotlin Blog. 17. Mai 2017, abgerufen am 18. Juni 2019 (amerikanisches Englisch).
- Sandra Upson: The Language that Stole Android Developers’ Hearts. WIRED, 19. Mai 2017, abgerufen am 23. Februar 2018 (englisch).
- FAQ – Kotlin Programming Language. Abgerufen am 21. Februar 2018 (englisch).
- Janice Heiss: The Advent of Kotlin: A Conversation with JetBrains' Andrey Breslav. In: oracle.com. Oracle Technology Network. April 2013. Abgerufen am 2. Februar 2014.
- Hello World
- Paul Krill: JetBrains readies JVM language Kotlin. In: infoworld.com. InfoWorld. 22. Juli 2011. Abgerufen am 2. Februar 2014.
- John Waters: Kotlin Goes Open Source. In: ADTmag.com/. 1105 Enterprise Computing Group. 22. Februar 2012. Abgerufen am 2. Februar 2014.
- Andrey Breslav: Kotlin 1.0 Released: Pragmatic Language for JVM and Android. 15. Februar 2016.
- What’s New in IntelliJ IDEA. In: JetBrains.
- Kotlin – Plugins.
- Getting Started with Eclipse Neon – Kotlin Programming Language. In: Kotlin.
- Kotlin for Eclipse.
- Kotlin - Visual Studio Marketplace. 9. Juni 2018, abgerufen am 31. August 2021 (englisch).
- Kotlin Build Tools.
- Rainald Menge-Sonnentag: Entwicklungsumgebung Android Studio 3.0 spricht Kotlin. heise.de. 26. Oktober 2017. Abgerufen am 27. Oktober 2017.
- Kai Schmidt und Markus Schwarz: Testen mit Kotlin. informatik-aktuell.de. 17. Dezember 2019. Abgerufen am 27. Dezember 2019.
- Semicolons. In: jetbrains.com. Abgerufen am 8. Februar 2014.
- functions. In: jetbrains.com. Abgerufen am 8. Februar 2014.
- Jörn Brien: Kotlin: Google macht Java-Alternative zur Nummer eins bei der Android-App-Entwicklung. In: t3n Magazin. 9. Mai 2019, abgerufen am 30. August 2021.
- Andrey Breslav: Language of the Month: Kotlin. In: drdobbs.com. 20. Januar 2012. Abgerufen am 2. Februar 2014.
- Corda.
- Project Kotlin.: „Kotlin in backend, data processing and service development“