Integrierte Entwicklungsumgebung
Eine integrierte Entwicklungsumgebung (IDE, von englisch integrated development environment) ist eine Sammlung von Computerprogrammen, mit denen die Aufgaben der Softwareentwicklung möglichst ohne Medienbrüche bearbeitet werden können.
IDEs stellen hilfreiche Werkzeuge bereit, die Softwareentwicklern häufig wiederkehrende Aufgaben abnehmen, einen schnellen Zugriff auf einzelne Funktionen bieten, mit denen die Arbeits(zwischen)ergebnisse verwaltet und in spätere Bearbeitungsfunktionen direkt überführt werden können. Entwickler werden dadurch von formalen Arbeiten entlastet und können ihre eigentliche Aufgabe, das Entwickeln/Programmieren von Software, mit Systemunterstützung effizient ausführen.
IDEs gibt es für nahezu alle Programmiersprachen und Plattformen. Oft wird damit nur eine Programmiersprache unterstützt. Es gibt aber auch Anwendungen, die mehrere spezielle IDEs unter einer gemeinsamen Benutzeroberfläche zusammenfassen. Auch gibt es sie für Konzepte, die darauf zielen, mehr oder weniger „programmierfrei“ Anwendungssoftware per Konfiguration zu erstellen (z. B. Universal Application), und die somit nicht auf eine bestimmte Programmiersprache ausgerichtet sind; siehe Deklarative Programmierung.
Synonym verwendete Bezeichnungen sind unter anderem: Softwareentwicklungsumgebung (SEU),[1] Softwareproduktionsumgebung (SPU), software engineering environment system (SEES), integrated design environment (für Teilaspekte). Auch bieten Entwicklungswerkzeuge, die als Software Development Kit (SDK), RAD-Tool (siehe Rapid Application Development),[2] Low Code Development[3] oder unter ähnlichen Bezeichnungen vertrieben werden, Funktionalitäten zur „Integrierten Softwareentwicklung“.
Abweichende Bedeutung: Der Ausdruck Entwicklungsumgebung wird als Abgrenzung zu anderen Systemumgebungen nicht zwangsläufig als Hardwareplattform verstanden, sondern in engerem Sinn als die zur Softwareentwicklung (integriert) benutzte Funktionalität, unabhängig von der technischen Systemarchitektur.
Integriert / nicht integriert
Den Überbegriff für jegliche Art von „rechnergestützte Softwareentwicklung“ (= „CASE“) gliederte Alfonso Fuggetta in drei Kategorien:[4]
- „Tools“ (deutsch ‚Werkzeuge‘, für einzelne Aktivitäten im Software Life-cycle),
- „Workbenches“ (deutsch ‚Werkbank‘, sie umfassen mehrere Werkzeuge),
- „Environments“ (deutsch ‚Umgebung‘, die Kombination mehrerer Workbenches und Werkzeuge zur Unterstützung des kompletten Software Life-cycle).
Als nicht integriert, trotzdem gelegentlich verallgemeinernd Entwicklungsumgebung genannt, gilt demnach der Einsatz nur einzelner Programmierwerkzeuge, zum Beispiel: Texteditor, Compiler bzw. Interpreter, Linker, evtl. ein Debugger. Die Entwickler müssen die einzelnen Arbeitsschritte gezielt anstoßen. Beispiel: a) Quelltext öffnen, ändern/editieren, speichern; b) Compiler aufrufen, Ergebnis prüfen; c) Aufrufen Linker, Ergebnis prüfen; d) Programm ausführen (z. B. zum Testen).
Der Aspekt integriert erfordert dagegen mehr als einzelne getrennt operierende Werkzeuge. Eigenschaften/Funktionen einer IDE können beispielsweise folgende sein:
- Aufeinander abgestimmte Methoden mit ähnlicher Philosophie[1]
- Die Prozesse der Softwareentwicklung oder auch des gesamten Software-Lebenszyklus werden begleitet und unterstützt.[1]
- Eine Entwicklungsdatenbank (siehe auch Repository und Data-Dictionary) speichert (Zwischen-)Ergebnisse und macht sie für die jeweils nächsten Werkzeuge verfügbar – die über eine einheitliche/gemeinsame Benutzeroberfläche aktiviert werden können.
- Beispiel: Die für ein Formular oder einen Report per GUI definierten Datenfelder können so im Programmcode-Editor direkt referenziert/verwendet werden.
- Unterstützung bei konzeptionellen Aspekten der Softwareentwicklung wie die sogenannten strukturierten Vorgehensweisen Strukturierte Analyse und Strukturiertes Design (SA/SD), die grafische Notationsweise UML oder Datenmodellierungsmethoden wie Entity-Relationship-Modellierung (ERM/SERM).
- Weitere zur Softwareentwicklung hilfreiche Komponenten können z. B. sein: Eine Versionsverwaltung, Anwendungen zur einfachen Erstellung von grafischen Benutzeroberflächen (auch GUI genannt), Quelltextformatierung, Unterstützung für das Projektmanagement, zum Testen oder bei der Produktivsetzung der Software (Release-/Deployment Management).
Zur Bewertung einer IDE beschreibt[5] weitere „spezifische Kriterien für die Bewertung von integrierten Entwicklungsumgebungen“ – wie besondere Komfortfunktionen von Texteditoren, automatisches Kompilieren und Debugging, das Einrichten von Bedienhilfen wie Tastenkombinationen oder Makros, Generierungsfunktionen u. v. a. Funktionalitäten. Je nachdem, ob und in welchem Maß diese für ein konkretes Softwareentwicklungsprodukt zutreffen, lässt sich dieses als IDE bezeichnen – oder nicht. Die Grenzen sind jeweils fließend.[2]
Geschichte
Integrierte Entwicklungsumgebungen kamen in der ersten Hälfte der 1980er Jahre auf und lösten die damals übliche Praxis ab, Editor, Compiler, Linker und Debugger als vier getrennte Produkte anzubieten, die jeweils getrennt ausgeführt wurden. Maestro I (ursprünglich Programm-Entwicklungs-Terminal-System, PET) von Softlab war weltweit die erste Integrierte Entwicklungsumgebung für Software.[6]
In den 1980er Jahren kamen neben den integrierten Entwicklungsumgebungen für Standardprogrammiersprachen der dritten Generation solche für 4GL-Programmiersprachen wie z. B. Natural auf, die zum Teil bis heute im Markt vertreten sind. Auch diese bieten neben der Programmiersprache in einer interaktiven integrierten Entwicklungsumgebung alle Werkzeuge wie Analyse- und Designwerkzeug, Texteditor, Maskeneditor, GUI Designer, Compiler bzw. Interpreter, Linker, Debugger, Quelltextformatierungsfunktion.
Während die ersten IDEs noch textbasiert arbeiteten, ging der Trend vor allem bei den großen Anbietern ab ca. 1990 zunehmend hin zu visuellen Programmierumgebungen. Vor allem für Spezialsprachen gibt es aber auch heute noch verschiedene Text-IDEs.
Literatur
- Gregor Engels, Wilhelm Schäfer: Programmentwicklungsumgebungen: Konzepte und Realisierung. B.G. Teubner, Stuttgart, ISBN 3-519-02487-X.
- Henner Diederichs: Komplexitätsreduktion in der Softwareentwicklung. Ein systemtheoretischer Ansatz (DSOR-Beiträge zur Wirtschaftsinformatik, Band 3). Books on Demand, Norderstedt 2005, ISBN 3-8334-1790-0 (Dissertation), S. 88 f.
Einzelnachweise
- Gabler Wirtschaftslexikon SEU/Definition
- Linux-Magazin 8/2017 linux-magazin.de Vor- und Nachteile von Tools für das Rapid Application Development
- Computerwoche computerwoche.de Digitalisierung mit Low-Code Development
- Alfonso Fuggetta: A classification of CASE technology. In: Computer. 26, Nr. 12, Dezember 1993, S. 25–38. doi:10.1109/2.247645. Abgerufen am 3. Mai 2021.
- Softguide softguide.de Kriterien für (integrierte) Entwicklungsumgebungen
- Axel Bruns: Die Geschichte des Computers. neobooks.com, 31. März 2015, abgerufen am 17. Oktober 2016.