Klubschule Migros
Die Klubschule Migros ist eine Schweizer Weiterbildungsinstitution. Neben der Kalaidos Bildungsgruppe und der KV Bildungsgruppe gehört die Klubschule Migros zu den größeren Anbietern beruflicher Fortbildung in der Schweiz.[1] Jährlich besuchen knapp 400.000 Menschen einen Kurs oder eine Weiterbildung an insgesamt 50 Standorten in der Schweiz. Zur Auswahl stehen mehr als 600 verschiedene Angebote.
Gründung und Finanzierung
Der Gründer der Einzelhandelskette Migros, Gottlieb Duttweiler, regte im November 1943 zur Schaffung einer Sprachschule für Erwachsene an.[2] Bei dieser Anregung liess sich Duttweiler wohl von den Ergebnissen einer Umfrage unter 4000 Migros-Genossenschaftern inspirieren, der zufolge von vielen (besonders von den Frauen) gewünscht wurde, dass die Migros auch Kurse abhalten solle. Laut dem Publizisten Karl Lüönd war es Elsa Gasser, die Duttweiler zur Gründung der Klubschule anregte.[3] Denn die Frauen hatten abends Zeit, die sie gerne produktiv angelegt hätten.[4] Ein Inserat im Brückenbauer vom März 1944, in dem die Sprachschule Schmidt an der Universitätsstrasse 15 in Zürich (nach Absprache mit dem Migros-Genossenschafts-Bund) Kurse in Italienisch, Französisch, Englisch, Spanisch und Russisch zu fünf Frankren pro Monat (1 1/4h pro Woche) anbot, stiess auf große Resonanz. Am folgenden Tag waren bereits 110 Anmeldungen eingetroffen, nach zwei Wochen waren es 1400. Der spätere langjährige Schulleiter Paul Link (1906-?) musste im Auftrag des MGB deshalb neue Räumlichkeiten suchen und fand sie in der Privatschule Athenäum.[5]
So fanden im Mai 1944 die ersten Klubschulkurse statt. Die Teilnehmenden der ersten Kurse waren Erwachsene; hauptsächlich Berufstätige, die Fremdsprachen lernen wollten. Duttweiler kombinierte die Belehrung mit Unterhaltung, sodass sich die Kursleitenden und Kursteilnehmenden um einen Tisch herum setzten und sich sozusagen wie in einem Klub zusammenfinden sollten.[5] Neben der Anregung zur Klubschule bildete auch die Gründung des Schweizer Buchclubs, das Finanzieren von Konzerten oder auch die Förderung des Schweizer Films Teil des sozialen Engagements der Familie, und dies lange, bevor Sponsoring allgemein als Marketingmassnahme entdeckt wurde.[6]
Zur Finanzierung der Klubschulen geben die zehn Migros-Genossenschaften im Rahmen des Migros-Kulturprozents ein halbes Prozent ihres Umsatzes und der Migros-Genossenschafts-Bund ein Prozent seines Grosshandelsumsatzes.[7]
Geschichte
Bereits im Herbst 1944 wurde das Angebot erweitert. Zu den Sprachkursen kamen Kurse in Kunst und Kunstgewerbe. Die Nachfrage nach Kursen hielt weiter an und schon zehn Jahre später überstieg die Teilnehmerzahl 50'000. Inzwischen arbeiteten 400 Kursleitende und 100 Angestellte für die Migros-Klubschulen.[7] Der Sprachlehrer Erhard J. C. Waespi (1923-?), der bis zu seiner Pensionierung 1985 für die Migros tätig blieb, leitete ab 1956 die Klubschule und baute die Eurocentres auf, die im Januar 1960 in eine selbstständige Stiftung umgewandelt wurden, wo bis 1985 (Jubiläumsjahr) erfolgreich 400.000 Kursteilnehmende im jeweiligen Sprachgebiet in einer Fremdsprache unterrichtet wurden.[8] Am 10. Mai 1969 konnten die Klubschulen das 25-jährige Jubiläum feiern. Die Feier fand in der Klubschule Wengihof in Zürich statt. Bundesrat Hans-Peter Tschudi und der spätere Bundesrat Georges-André Chevallaz würdigten bei diesem Anlass die Schule, die sich inzwischen zur bedeutendsten Erwachsenenbildungsinstitution des Landes entwickelt hatte. Schon bald nach der Gründung erweiterten die Klubschulen ihre Angebote. Musizieren, Fotografieren, Malen, Segeln oder Reiten wurden ebenso angeboten wie Tanzen, Fechten, Pflanzenbetreuung oder Autofahren.[9] Im Jubiläumsjahr 1969 konnten die Klubschulen an 93 Standorten 223'608 Kursteilnehmenden Kurse anbieten.[10] 1972 besuchten 17.000 Personen einen Eurocenter-Kurs und 268'000 Personen Kurse an einer Klubschule.[11] 1984 erweiterten sich die Klubschulen erneut und boten in 14 Städten neu Informatikkurse an. Sie waren sofort ausgebucht.[12] Wegen der COVID-19-Pandemie musste der Betrieb Mitte März 2020, bis voraussichtlich 4. April 2020, schweizweit eingestellt werden.
Die Genossenschaft Migros Aare will bis Ende 2021 drei Standorte (Biel/Bienne, Wohlen und Zofingen) definitiv schliessen.[13]
Angebot
Die insgesamt 50 Klubschul-Center der zehn Migros Genossenschaften befinden sich meist in zentrumsnaher Lage von grösseren Städten in der Schweiz. Die Klubschule bietet mehr als 600 verschiedene Kurse und Lehrgänge an. Migros ist eine eduQua- zertifizierte Weiterbildungsinstitution. Das Kurs- und Weiterbildungsangebot gliedert sich in sechs Angebotsbereiche: Sprachen, Kultur & Kreativität, Bewegung & Gesundheit, Management & Wirtschaft, Informatik & Neue Medien und Ausbildung für Ausbildende. Alle Angebotsbereiche richten sich auch an die Kundengruppe Firmen & Institutionen. Auch Einbürgerungskurse werden angeboten. Im Auftrag von Gemeinden nimmt die Klubschule zudem Einbürgerungstests für den Kanton Bern vor.[14][15]
Zahlen & Fakten 2019
- 50 Klubschul-Center
- 600 verschiedene Kurse und Lehrgänge
- 1600 Mitarbeitende
- 7500 Kursleitende
- 53'719 durchgeführte Kurse und Lehrgänge
- 328'803 Kurs- und Lehrgangsteilnehmende
- 7'368'789 Teilnehmerstunden[16]
Finanzen und Kulturprozent der Migros
Die 50 Klubschul-Center generieren jährlich einen Umsatz von rund 160 Mio. Franken. Mehr als die Hälfte seines Budgets von jährlich über 100 Millionen Franken investiert das Migros-Kulturprozent in das Kursangebot der Klubschule Migros.
Weblinks
Einzelnachweise
- Dominic Benz. Anbieter: Giganten trotzen dem Wettbewerb. Auf: handelszeitung.ch vom 25. Januar 2012, abgerufen am 30. Oktober 2020.
- N. R. Rudolf Suter in: Idee & Realisation, Jubiläumsbroschüre 25 Jahre Klubschule Migros. ohne Jahrgang, 1969, S. 6.
- Karl Lüönd, Verein für wirtschaftshistorische Studien (Hrsg.): Gottlieb Duttweiler, eine Idee mit Zukunft (= Schweizer Pioniere der Wirtschaft. Band 72). Verein für Wirtschaftshistorische Studien, Meilen 2000, ISBN 3-909059-20-1, S. 66.
- Curt Riess: Gottlieb Duttweiler - Eine Biographie. Wegner, Hamburg 1959/ Verlag Die Arche, Zürich 1959; Neuauflage: Europa Verlag, Zürich 2011, ISBN 978-3-905811-32-2, S. 276.
- Alfred A. Häsler, Pierre Reynes: Das Abenteuer Migros. Die 60 Jahre junge Idee. Migros-Genossenschafts-Bund im Verlag der Migros Presse, Zürich 1985, S. 236.
- Matthias zur Bonsen: Führen mit Visionen: Der Weg zum ganzheitlichen Management. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-91313-5, S. 47.
- Dieter K. Reibold: Die erfolgreiche berufliche Weiterbildung: Anbieter - Inhalte - Kontakte. Expert-Verlag, Renningen 2003, ISBN 978-3-816-92116-5, S. 262.
- Monica Glisenti, Annina Arpagaus, MGB (Hrsg.): Chronik der Migros 1925-2012. Porträt eines dynamischen Unternehmens. 3. erweiterte Auflage, Migros-Genossenschafts-Bund, 2013, S. 38.
- Hans Munz, Ernst Melliger: Das Phänomen Migros. Buchclub Ex Libris, Zürich 1973, S. 138.
- H. Munz, E. Melliger: Das Phänomen Migros. Zürich 1973, S. 52.
- H. Munz, E. Melliger: Das Phänomen Migros. Zürich 1973, S. 393.
- H. Munz, E. Melliger: Das Phänomen Migros. Zürich 1973, S. 67.
- Christian Holzer: Migros Aare schliesst Klubschulen. In: 20min.ch. 11. August 2021, abgerufen am 16. August 2021.
- Migros-Klubschule bietet Einbürgerungs-Kurse an In: Aargauer Zeitung. 31. Dezember 2017, abgerufen am 1. Januar 2018.
- Kurse und Lehrgänge. Auf: klubschule.ch, abgerufen am 1. Januar 2018.
- Klubschule Migros: Zahlen & Fakten 2019. Auf. klubschule.ch; abgerufen am 19. November 2020.