Kelter
Eine Kelter (von lateinisch calcatorium, deutsch Fußtretung, nach der anfangs üblichen Arbeitsweise, das Pressgut barfüßig zu zerstampfen), in Graubünden, Südtirol und Schwaben Torkel oder Torgg(e)l, in der Ostschweiz und in der Oberrheinregion Trotte genannt, ist eine Presse zur Gewinnung von Frucht- und Obstsäften, auch als Vorstufen von Wein und vergorenem Most. Zur Verstärkung des Pressdrucks werden dabei unterschiedliche mechanische Umsetzungsverfahren (Hebel, Zahnräder usw.) sowie Antriebsverfahren (Muskelkraft von Tier und Mensch, elektrische Energie usw.) benutzt. Moderne Keltern verwenden zum Pressen Druckluft und/oder Unterdruck.
Als Verkürzung steht sowohl die Bezeichnung Kelter als auch der Torkel und die Trotte auch für ein Press- oder Kelterhaus, den Raum oder das Gebäude, in dem die Presse steht.
Name und Geschichte
Keltern (von lateinisch calcare, deutsch mit den Füßen treten) bezeichnet das Pressen von Weintrauben oder anderen Früchten. Die Früchte liegen meist in bereits zerkleinerter Form als Maische vor, um die Saftgewinnung zu erleichtern. Oft wird keltern auch synonym für die Weingewinnung im Allgemeinen verwendet („Wein wird gekeltert“, d. h. hergestellt).
Landschaftlich, auch im Bündner Rheintal, sind für Kelter auch die Begriffe Torkel, Torggel oder Torggl gebräuchlich (von mittellateinisch torcula, lateinisch torcular, torculum „Presse“, abgeleitet von torquere „drehen“), vor allem im höchstalemannischen Raum, in der Schweiz, auch Trotte. In Südwestdeutschland bezeichnet der Begriff „Kelter“ oder „Torkel“ die Baumkelter, während sich der Begriff „Trotte“ auf die Spindelkelter bezieht.
Über Jahrhunderte wurden Weintrauben ausgepresst, indem die Maische mit den Füßen gestampft wurde. Bei den Römern kamen dann hölzerne Hebelpressen zum Einsatz, sogenannte Kelterbäume oder Baumkeltern. Später wurden Spindelkeltern verwendet, wie sie modernisiert auch heute noch in Gebrauch sind. Diese Spindelkeltern werden inzwischen durch pneumatisch betätigte Keltern ersetzt, bei denen also Druckluft verwendet wird, um eine Membran aus Kunststoff gegen das Pressgut zu drücken. Diese Membrane ist dabei in einer tankförmigen Presstrommel montiert („Tankpresse“), die in unterschiedlichen Bauweisen ausgeführt werden kann:
- Bei der offenen Bauweise ist die gesamte Trommel rundum mit Schlitzen versehen, durch die der ausgepresste Saft fließen kann. Sie bietet deshalb eine sehr große Filterfläche.
- Bei der halboffenen Bauweise ist nur ein Teil der Trommel geschlitzt. Die Filterfläche ist deshalb kleiner als bei der offenen Bauform. Dafür kann die Membran einfacher ausgeführt werden.
- Die geschlossene Bauform wurde entwickelt, um auch unter Sauerstoffabschluss pressen zu können. Zur Ableitung des Saftes sind innenliegende Saftkanäle notwendig.
Inzwischen existieren auch Keltern, die das Pressgut durch Unterdruck an die Saftkanäle ziehen („Vakuumtankpresse“). Bei kleineren Keltern, zum Beispiel für den Hobbybereich, wird auch Wasser für das „Aufblasen“ der Pressmembrane verwendet. In diesem Fall ist die Pressmembrane meist aus Gummi.
Technik
Baumkelter
Nördlich der Alpen wurden die Baumkeltern vermutlich direkt von den Römern übernommen; möglich ist jedoch auch eine Wiederbelebung des Kelterbaumes im Rahmen der frühmittelalterlichen Klosterkultur. Die Tatsache, dass viele Bauteile einer Baumkelter lateinische Bezeichnungen tragen, lässt keinen Schluss über deren zeitliche Übernahme im südwestdeutschen Raum zu. Allerdings gibt es bereits in mittelalterlichen Handschriften Abbildungen von Baumkeltern, die fast unverändert bis ins 20. Jahrhundert als Traubenpressen eingesetzt wurden. Wenn die Baumkelter entsprechend groß war, konnte man damit einen Pressdruck erzeugen, der dem moderner Pressen kaum nachstand.
Zur Bedienung waren mehrere Kelterknechte erforderlich. Zunächst „öffnete“ man den Kelterbaum, indem der schwere Stein auf den Boden gesenkt wurde. Dann schütteten die Kelterknechte die Trauben auf den Presstisch und bedeckten ihn mit Balken, um den Druck gleichmäßig zu verteilen. Der vorab ohne Druck ablaufende Saft, der „Vorlass“, ergab den besten Wein. War er abgelaufen, dann drehten die Kelterknechte den schweren Stein am einen Ende des Kelterbaums nach oben, indem sie das Gewinde an der Spindel nach oben bewegten.
Der Stein hing nun frei in der Luft und drückte die schweren Stämme des Kelterbaums nach unten. War der Saft gepresst, musste der Baum erneut geöffnet werden. Mit Hilfe einer Axt zerteilte man den Trester und schichtete ihn neu auf, damit der Pressvorgang wiederholt und so die Saftausbeute erhöht werden konnte. Erst wenn der Trester weitgehend trocken war, endete das Pressen. Allerdings schüttete man häufig noch Wasser auf den Trester und presste dann noch einmal. Der wässrige Traubensaft wurde zu Wein vergoren und als Haustrunk verbraucht. In manchen Gegenden wurde der frisch gepresste Wein „unter der Kelter“ verkauft, also von den Weingärtnern nicht eingelagert.
Das Keltern von weiteren Obstsorten vollzog sich weitestgehend gleich, nur größere und stabilere Früchte wie beispielsweise Äpfel und Birnen mussten vorher zerkleinert werden.
Bereits im 14. Jahrhundert sind Baumkeltern auch in schriftlichen Quellen erwähnt. Vielleicht standen die Baumkeltern anfänglich im Freien, aber spätestens in der Frühen Neuzeit errichtete man Gebäude um sie, damit man die Trauben bei jedem Wetter pressen konnte. Die älteste bekannte Baumpresse im deutschsprachigen Raum steht im Weinschlössl Godfried Steinschaden in Engabrunn (Weinbaugebiet Kamptal in Österreich). Den Pressbaum ziert die Jahreszahl 1564. Die Baumpresse befand sich ursprünglich im Göttweiger Lesehof zu Engabrunn. In den Gegenden mit intensivem Weinbau sind die Kelterhäuser nicht selten die größten historischen Gebäude am Ort – abgesehen von den Kirchen –, größer als Rathäuser oder Bürgerhäuser. Um die Ordnung in den Kelterhäusern aufrechtzuerhalten, erließen die Herrschaften Kelterordnungen, die in den Lagerbüchern oder Urbaren aufgezeichnet sind. Oft waren die Herrschaften für den Unterhalt der Keltern verantwortlich und bekamen dafür einen Teil des gepressten Traubensaftes als Gegenleistung.
Im Weinbaumuseum Metzingen in Baden-Württemberg gibt es das weltweit größte Ensemble von Kelterhäusern. Auf einem ursprünglich am Rande der Stadt gelegenen Platz stehen heute noch sieben Kelterhäuser, die heute anders genutzt werden. Im Weinbaumuseum ist noch ein Kelterbaum von 1655 zu sehen. Mit den eingemeindeten Orten Neuhausen an der Erms, wo ebenfalls ein Kelterbaum aus dem frühen 17. Jahrhundert erhalten ist, und Glems verfügt die Stadt über zehn ehemalige Keltern. Nur in einer Kelter in Neuhausen werden heute noch Trauben gepresst.
Die Keltern mit ihren Kelterbäumen wurden zum Teil bis in die 1960er Jahre benutzt und erst dann durch elektrische Pressen verdrängt. In den Kelterhäusern waren zumeist mehrere Kelterbäume untergebracht. Nachdem diese nicht mehr gebraucht wurden, baute man die meisten ab, so dass nur noch wenige funktionsfähige Baumkeltern als historische Kulturdenkmale erhalten sind. Überflüssige Kelterhäuser brach man ebenfalls ab oder erhielt sie als markante Gebäude, indem man sie umnutzte. So werden die sieben Kelterhäuser auf dem Platz in Metzingen heute als Festkelter, Wein- und Obstbaumuseum, Verkaufsraum der Weingärtnergenossenschaft, Restaurant, Obstlager, Stadtbibliothek und Marktkelter genutzt.
Spindelkelter
Die ersten mechanischen Keltern erzeugten den zum Pressen nötigen Druck mit Hilfe einer Spindel. Diese Spindelkeltern genannten Spindelpressen benötigen deutlich weniger Platz als Baumkeltern. Wie aus den Abbildungen ersichtlich, bestanden bei den ersten Modellen sowohl Rahmen wie auch Spindel aus Holz. Aus Gründen der Haltbarkeit wurde der Werkstoff im Laufe der Zeit durch Metall ersetzt.
Moderne Keltermaschinen
Moderne Keltermaschinen funktionieren mit Druckluft und automatischer Steuerung.
Katalonien
Zu den originellsten Kelterbauten zählen die runden und überdachten Kelterbottiche oder Keltertröge (katalanisch tines oder spanisch lagares) aus dem frühen 19. Jahrhundert im Nordwesten Kataloniens (z. B. bei El Pont de Vilomara i Rocafort und Talamanca). Diese im äußeren rustikal und altertümlich aussehenden, siloähnlichen Bauwerke (Fotos und Infos → Weblink) waren im Innern bis etwa zur halben Höhe mit großen Steingutkacheln ausgekleidet. Sie stammen noch aus der Zeit vor der Reblauskrise, standen unmittelbar am Rand der Weinfelder und dienten der unverzüglichen Weiterverarbeitung (Kelterung und Gärung) der gelesenen Trauben. Manchmal hatten die Rundbauten einen kleinen hausartigen Vorbau, in dem Arbeitsgeräte aufbewahrt wurden und der oft als Umkleideraum vor und nach dem Keltern diente.
Galerie
- Kelterszene auf dem Sarkophag des römischen Stadtpräfekten Iunius Bassus Theotecnius
- Baumkelter aus dem 17. Jahrhundert (Stadt Blankenberg)
- Kornspeicher in Ravensburg
- Spindelkelter in Dirmstein, Nachbau 1984
- Weinpresse mit zwei Spindeln (Hoflößnitz in Radebeul)
- Spindelkelter mit hölzerner Spindel aus dem Jahre 1801 (Kloster Eberbach, Rheingau)
- Spindelkelter mit Metallspindel (frühes 20. Jahrhundert, Freilichtmuseum Roscheider Hof)
- Moderne Kelter aus nichtrostendem Stahl. Der Pressvorgang erfolgt durch ein Presstuch, das durch Druckluft aufgeblasen wird.
- Äpfel im Wasserbad vor dem Keltern
- Abfüllung von Apfelsaft in einer modernen Kleinkelterei
Kelterfeste
In Südtirol war das Törggelen im Anschluss an die Traubenlese schon seit geraumer Zeit ein festliches Ereignis. Im Zuge der Rückbesinnung auf traditionelle Qualitätsbegriffe bei der Weinherstellung in der Zeit um 1990 entstanden auch in deutschen Wein- oder Mostgegenden Kelterfeste beziehungsweise Keltertage. Dabei werden Weintrauben oder Obst öffentlich gekeltert, das Ergebnis kann dann an Ort und Stelle verkostet werden. Typischerweise kommen hier handbetriebene Spindelpressen zum Einsatz. Eine Besonderheit sind die rekonstruierten römischen Keltern an der Mosel. In diesen wird bei Kelterfesten die Maische traditionell mit den Füßen gestampft.
Literatur
- Eberhard Fritz: Die Verbesserung des Weinbaus in Württemberg unter König Wilhelm I. (1816–1864). Silberburg-Verlag, Tübingen u. a. 1994, ISBN 3-87407-179-0.
- Robert Fritz: Die Arbeit im Jahreslauf eines Weingärtners in alter Zeit. In: Schwäbische Heimat. Nr. 44, 1993, ISSN 0342-7595, S. 352–363 (mit ausführlicher Beschreibung der Funktionsweise einer Baumkelter).
- Karl-Josef Gilles: Neuere Forschungen zum römischen Weinbau an Mosel und Saar (= Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier. Nr. 11). Rheinisches Landesmuseum, Trier 1995, ISBN 3-923319-33-9.
- Michael Matheus, Lukas Clemens: Keltertechnik in karolingischer Zeit. In: Friedhelm Burgard, Christoph Cluse, Alfred Haverkamp (Hrsg.): Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit. Beiträge zur mittelalterlichen und geschichtlichen Landeskunde (= Trierer historische Forschungen. Bd. 28). THF – Verlag Trierer Historische Forschungen, Trier 1996, ISBN 3-923087-27-6, S. 255–265.
- Michael Matheus, Lukas Clemens: Weinkeltern im Mittelalter. In: Uta Lindgren (Hrsg.): Europäische Technik im Mittelalter. 800 bis 1200. Tradition – Innovation. Ein Handbuch. Gebr. Mann, Berlin 1996, ISBN 3-7861-1748-9, S. 133–136.
- Karl Heinz Stocker: Der Kelterbau im Stromgebiet des Neckars. Verlag am Klosterthor, Maulbronn 1990, ISBN 3-926414-01-4.
- Franz Olck: Calcatorium. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 1337–1340.
Weblinks
- Römische Keltern an der Mosel
- Keltertag im Freilichtmuseum Roscheider Hof, Konz/Mosel: Video
- Kelterbottiche in den Weinfeldern, Geschichte und Funktionsweise – Fotos + Infos (Wikipedia, katalanisch)