Karl Gölsdorf
Karl Gölsdorf (* 8. Juni 1861 in Wien; † 18. März 1916 am Wolfsbergkogel am Semmering) war ein österreichischer Ingenieur und Lokomotiv-Konstrukteur.
Leben
Bereits als Schüler wurde Karl Gölsdorf von seinem Vater Louis Adolf Gölsdorf, der Maschinendirektor der k.u.k. Südbahn war, an die Lokomotivkonstruktion herangeführt. Er besuchte von 1880 bis 1884 die Technische Hochschule in Wien und schloss sein Diplom mit Auszeichnung ab. 1885 trat er in die Wiener Maschinenfabrik zunächst als Konstrukteur ein. 1889 wurde er dort Montageleiter in der Lokomotivfertigung. Am 1. November 1891 trat er als Ingenieur-Adjunkt dem Konstruktionsbüro der Österreichischen Staatseisenbahn bei, und damit begann sein kreatives Schaffen. 1893 war er als Ingenieur gemeinsam mit Hermann von Littrow im Bureau 3/a (Constructions-Bureau) der Unterabtheilung für Zugförderung und Werkstättendienst und die Bodensee-Schiffahrt in der K. k. General-Direction der österreichischen Staatsbahnen ab 1. Jänner 1993 mit Dienstclasse VIII. angestellt.[1]
Er erfand 1893 eine leistungsfähige Anfahrvorrichtung für Verbunddampflokomotiven, da die bisher gebräuchlichen Vorrichtungen in Österreich mit seinen teilweise schwierigen Streckenverläufen einen Zug nicht zuverlässig genug anfahren ließen. Ihm zu verdanken war auch der praktische Nachweis, dass die hohe Kessellage bei Dampflokomotiven keine Nachteile mit sich brachte. Eine Studienreise nach England im Jahr 1899 sollte weiters die Formensprache seiner Konstruktionen maßgeblich beeinflussen.
Gölsdorf wurde insbesondere durch seine Erfindung der seitenverschiebbaren Kuppelachsen für Dampflokomotiven bekannt, die so genannte Gölsdorf-Achse. Die erste damit ausgerüstete Maschine war eine vierfach gekuppelte Dampflok im Jahr 1897, die Reihe 170. Von dieser schweren Lokomotive, die zu den meistgebauten ihrer Zeit zählte, wurden über 800 Stück produziert. Die Reihe 180 mit fünf gekuppelten Achsen, von denen die erste, dritte und fünfte seitenbeweglich im Rahmen gelagert war, bewies, dass in den allermeisten Fällen Lokomotiven mit mehrteiligem Rahmen und komplizierten Gelenkskonstruktionen überflüssig waren. Diese Bauart sollte fortan zum Standard für schwere Güterzuglokomotiven werden.
Karl Gölsdorf war von 1893 bis 1916 Chefkonstrukteur der k.k. österreichischen Staatsbahnen (kkStB) und entwickelte in seinem beruflichen Werdegang 25 Grundtypen (in 47 Varianten) bemerkenswerter Dampflokomotiven. Zu seinen Konstruktionen zählen unter anderen so bekannte Typen wie die Reihe 30 der Wiener Stadtbahn, die Atlantics der Reihe 108 und die 310. An bemerkenswerten Sonderkonstruktionen schuf er die Zahnradbahnlokomotiven Reihe 269 der Erzbergbahn und die schmalspurige Yv für die Ybbstalbahn.
Karl Gölsdorf nutzte stets die technischen Möglichkeiten der Zeit. Seine Reihe 310 aus dem Jahre 1911, eine dreifach gekuppelte Schnellzuglok mit einem Vierzylinder-Heißdampf-Verbundtriebwerk, gilt als eine der schönsten dieser Epoche und seit der Reaktivierung der 310.23 im Jahr 1986 als bekannteste Schöpfung des Konstrukteurs.
Aufgrund seines Schaffens wurde er 1910 von der Technischen Hochschule Hannover zum Dr.-Ing. e. h. ernannt. 1913 wurde er zum Sektionschef im k. k. Eisenbahnministerium bestellt. Karl Gölsdorf war aktives Mitglied im Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen. Sein Fachwissen brachte er als Mitherausgeber der Zeitschrift Eisenbahntechnik der Gegenwart ein. Besondere Berühmtheit in diesem Zusammenhang erlangte seine Fotosammlung, die sich heute im Besitz des Deutschen Museums befindet.
Karl Gölsdorf starb überraschend während eines Aufenthaltes am Semmering an einem akuten Halsleiden und nicht, wie in zeitgenössischen Medien fälschlicherweise verlautbart, an den Folgen eines Unfalls mit einer Lokomotive. Gölsdorf wurde in einem ehrenhalber gewidmeten Grab am Hietzinger Friedhof (Gruppe 31, Nummer 23) bestattet.[2]
Zitate
Weit hinaus über die Grenzen der jeweiligen Erkenntnis und des jeweiligen Wissens liegen aber – nur verschleiert dem Auge der Phantasie erkennbar – die Grenzen des auf dem Gebiet der Technik Erreichbaren.[3]
Gölsdorf wird die Formulierung zugeschrieben: Es ist schwer, bei der Konstruktion der Lokomotive an einer Stelle eine Tonne an Gewicht zu ersparen; leicht ist es jedoch, kiloweise die Tonne zusammenzusparen, indem man an diesen oder jenen Lokomotivteilen überflüssigen Baustoff einfach wegnimmt.[4]
Ehrungen
Im Jahr 1919 wurde in Wien Innere Stadt (1. Bezirk) die Gölsdorfgasse nach dem Konstrukteur benannt.
Am 22. März 2011 brachte die Österreichische Post zum 150. Geburtstag eine Sondermarke im Wert von 0,65 Euro heraus.[5]
Literatur
- Gölsdorf Karl. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1959, S. 16 f. (Direktlinks auf S. 16, S. 17).
- Siegfried Baum: Vater einer Ära – Zum 150. Todestag von Karl Gölsdorf. In: Eisenbahn Geschichte. Nr. 45. DGEG Medien, April 2011, ISSN 1611-6283.
- Josef Dultinger: Leben und Werk großer Persönlichkeiten der österreichischen Eisenbahngeschichte. Wort und Welt Verlag, Thaur/Tirol 1993, ISBN 3-85373-164-3.
- Adolf Hofbauer: Über 6 Jahrzehnte nach Gölsdorfs Tod – Rückblick auf sein Wirken im Dampflokbau unter besonderer Berücksichtigung der Typisierung und seiner letzten Lokomotiv-Konstruktion. In: Lok Magazin, Heft 87, November/Dezember 1977, S. 483–486, Heft 88, Januar/Februar 1978, S. 56–60 und Heft 89, März/April 1978, S. 142–150.
- Hans Steffan: Dr. Ing. h. c. Karl Gölsdorf †. In: Die Lokomotive, Jahrgang 1916, S. 69 ff. (Online bei ANNO)
- Gregor Gatscher-Riedl: Perchtoldsdorf als Schauplatz europäischer Eisenbahngeschichte. Der Sommerwohnsitz der genialen Lokomotivkonstrukteure Gölsdorf. In: Heimatkundliche Beilage [zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mödling], 46. Jgg., F. 4, (Mödling 5. Dezember 2011), S. 4f.
- Paul Mechtler: Gölsdorf, Karl. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 517 f. (Digitalisat).
- Richard Spiro: Die Gölsdorf-Sammlung im Deutschen Museum in München. Die Lokomotive, Dezember 1926, Wien 1926, S. 227–229 ().
Weblinks
- Literatur von und über Karl Gölsdorf im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Karl Gölsdorf im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- 2011: – Karl Gölsdorf – sein Geburtstag jährt sich zum 150. Mal (Memento vom 17. Oktober 2012 im Internet Archive) auf Bahnportal
Einzelnachweise
- Selbstverlag der K. K. Österreichischen Staatsbahnen: Almanach für das Personale der K. K. Österreichischen Staatsbahnen pro 1893. Wien, Seite 222
- Ehrengrab Gölsdorf Friedhof Hietzing, abgerufen am 6. Dezember 2011.
- in H. Strach, Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie, Band 2, S. 470, Verlag Karl Prochaska, 1898
- Josef Otto Slezak: Die Lokomotiven der Republik Österreich, S. 12, Verlag Slezak, 1970
- Eintrag zu Karl Gölsdorf im Austria-Forum (als Briefmarkendarstellung)