Karin Herrmann
Karin Herrmann (* 15. Februar 1936 in Berlin-Schmargendorf; † 14. März 2018 in Berlin) war eine deutsche Physikerin und Hochschullehrerin, die überwiegend auf den Gebieten Festkörperphysik und Halbleitermaterialien tätig war.
Biografie
Kindheit und Studium
Karin Herrmann war das Kind eines Diplomökonomen, der ebenso — wie ihre Mutter —, seit 1927 der KPD angehörte. Die Eltern ließen sich nach dem Zweiten Weltkrieg scheiden und ihre Mutter, die einer Tätigkeit beim Henschelverlag nachging, heiratete den jüdischen Résistance-Kämpfer, Journalisten, Leiter des Sportverlages und Kommunisten Walter Zwirner.[1][2]
Sie studierte von 1954 bis 1960 Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin.[1] Ihre Diplomarbeit fertigte Karin Herrmann an der Akademie der Wissenschaften der DDR im Institut für Kristallphysik an. Aufgrund ihrer Leistung wurde sie für die weitere akademische Ausbildung an die Lomonossow-Universität Moskau delegiert. Dieses von 1960 bis 1966 dauernde Zusatzstudium führte wegen ihrer guten Leistungen zur Umwandlung in eine Aspirantur.[1] In Moskau spezialisierte sich Herrmann auf das Gebiet der Halbleiterphysik und promovierte am Lehrstuhl für Kristallphysik bei Alexei Wassiljewitsch Schubnikow mit der Arbeit Optische Parameter von n- und p-Typ Indiumantimonid. Nach ihrem Moskauaufenthalt trat sie 1963 der SED bei.[1]
Karriere
Nach ihrer Rückkehr in die DDR erhielt sie eine Anstellung im II. Physikalischen Institut der Humboldt-Uni bei Robert Rompe. Hier wandte sich Karin Herrmann den elektronischen Eigenschaften des damals international stark beachteten Halbleiters Tellur bei tiefen Temperaturen zu. Im Jahr 1969 erhielt sie dort eine Dozentur und erwarb 1970 die Facultas Docendi. Sie übte weitere politische Tätigkeiten aus, so zeitweilig das Amt des Stellvertreters der Sektion für Erziehung und Ausbildung. Ab 1974 gehörte sie der SED-Kreisleitung der Humboldt-Universität an.[1]
1976 habilitierte sich Karin Herrmann mit einer Promotion B[1] zum Thema Tieftemperatur-Eigenschaften von Tellur unter der Wirkung eines angelegten Magnetfeldes über die Oberflächenleitfähigkeit dieses Halbmetalls. Für diese Arbeit war sie ab 1972 von Lehr- und wissenschaftsorganisatorischen Arbeiten freigestellt.[1] Aufgrund der Ergebnisse ihrer Messungen mit der Impedanzspektroskopie interpretierte sie die Oberflächenleitfähigkeit von Tellur in einem schwachen äußeren Magnetfeld als Oberflächen-Supraleitung. Diese Eigenschaft wird seit den 2000er Jahren in topologischen Isolatoren verwendet. Danach wurde Karin Herrmann zur Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin berufen.[1]
Experimentell hatte sie sich in den 1980er Jahren den Bleisalzen zugewendet und ein empfindliches Diodenlaser-Spektrometer entwickelt, das bei tiefen Temperaturen arbeitet.[3] Mit diesem Instrument „direkt aus ihrem Labor heraus“ gelang es in Berlin, die Luftverschmutzung über der Kreuzung Invaliden-/Chausseestraße zu messen. Damit habe sie „schon in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts unabhängig und sehr realistisch die Luftverschmutzung in der Berliner Innenstadt“ bestimmen können, wie ihr Ehemann Rudolf Herrmann 2019 schrieb.[4] Ab 1975 wirkte Herrmann im Wissenschaftlichen Beirat für Physik beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen mit, ab 1982 als Stellvertretende Vorsitzende.[1]
Mit 55 Jahren ging sie 1991, kurz nach der Wende, in den Vorruhestand.[1] Den gab sie aber anschließend für wissenschaftliche Forschungsmöglichkeiten im japanischen Research Institute of Innovative Technology for the Earth (RITE) in Kyoto noch einmal auf.[4]
Im japanischen Konzern HORIBA arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin.[5]
Privates
Karin Herrmann war mit dem Physiker Rudolf Herrmann verheiratet, sie hatten zusammen zwei Kinder. Sie wurde im Mai 2018 auf dem Waldfriedhof Müggelheim beigesetzt.[6]
Veröffentlichungen (Auswahl)
Das Web of Science führt für den Zeitraum 1968 bis 2018 über 50 Publikationen von Karin Herrmann mit einem h-Index von 13 und mehr als 500 Zitierungen auf. Darunter ist auch der Artikel Detection of carbon-monoxide, carbon-dioxide and sulfur-dioxide with pulsed tunable PbS1-xSex-diode lasers, den sie 1989 gemeinsam mit vier Koautoren schrieb.[7]
- Karin Herrmann zusammen mit J. W. Tomm, C. Barthel und U. Barthel, veröffentlicht in physica status solidi (pss), November 1984: On the dispersion of the refractive index in active layers of lead-salt injection lasers[8]
- zusammen mit T. D. Aitikeeva, A. I. Lebedev, A. E. Yunovich, A. W. Jalyschko und P. Schäfer; veröffentlicht in pss, 16. September 1981: Spectra of photo- and electroluminescence of bismuth, doped Pb1−xSnxTe[9]
- zusammen mit Peter Rothkirch, Rainer Link, W. Sauer und F. Manglus veröffentlicht in pss: Anisotropy of the Electric Conductivity of Tellurium Single Crystals[10]
Einzelnachweise
- Heike Amos: Karrieren ostdeutscher Physikerinnen in Wissenschaft und Forschung 1970 bis 2000. Walter de Gruyter, München 2020, ISBN 978-3-11-063379-5 (Volltext in der Google-Buchsuche).
- Walter Zwirner in einer biografischen Datenbank.
- Jens Wolfgang Tomm, Bernd Sumpf, Karin Herrmann: Some aspects of the technology of lead salt diode lasers used in gas monitoring systems. In: Crystal Research and Technology, Juli 1987, Vol. 22, Nr. 7 S. 981–986.
- Rudolf Herrmann: Die Tieftemperaturphysik an der Humboldt-Universität im 20. Jahrhundert. Springer, Berlin 2019, ISBN 978-3-662-59574-9 (231#v=onepage Volltext in der Google-Buchsuche).
- Horiba.com: Column: FuelCon and Relationship with Dr. Rudolf Herrmann and Dr. Karin Herrmann (englisch, abgerufen am 12. Januar 2021)
- Berliner Zeitung vom 14./15. April 2018: Traueranzeigen, S. 14.
- Bernd Sumpf, Dimitrii Göring, Rainer Haseloff, Karin Herrmann und Jens Wolfgang Tomm: Detection of carbon-monoxide, carbon-dioxide and sulfur-dioxide with pulsed tunable PbS1-xSex-diode lasers. In: Collection of Czechoslovak Chemical Communications. Band 54, Nr. 2, Februar 1989, S. 284–296, doi:10.1135/cccc19890284.
- On the dispersion of the refractive index in active layers of lead-salt injection lasers.
- Spectra of photo- and electroluminescence of bismuth, doped Pb1−xSnxTe.
- Anisotropy of the Electric Conductivity of Tellurium Single Crystals