Kapelle Sainte-Apolline
Die Kapelle Sainte-Apolline (französisch Chapelle de Sainte-Apolline) liegt am Jakobsweg in der Schweiz zwischen Freiburg und Romont auf dem Gemeindegebiet von Hauterive. Sie befindet sich an der gleichnamigen Brücke (französisch Pont de Sainte-Apolline) über der Glâne. Auf der anderen Brückenseite liegt die Gemeinde Villars-sur-Glâne. Brücke und Kapelle gehören unter KGS-Nr. 10500 zu den Kulturgütern von nationaler Bedeutung.
Kapelle Sainte-Apolline | |
---|---|
Kapelle Sainte-Apolline mit Sainte-Apolline Brücke | |
Daten | |
Ort | Hauterive FR und Villars-sur-Glâne |
Baujahr | ca. 12. Jahrhundert |
Koordinaten | 575386 / 181510 |
Sainte-Apolline Kapelle und Brücke auf OpenStreetMap |
Geschichte
Die kleine Kapelle ist der Heiligen Apollonia (französisch Apolline) von Alexandria geweiht. Gemäss der Legende starb Apollonia um 249 nach Chr. als Märtyrerin, wobei ihr u. a. die Zähne ausgeschlagen wurden. Sie wurde bei Zahnschmerzen und -leiden angerufen und ist die Patronin der Zahnärzte. Wurden bis ins Mittelalter noch regional verehrte Heilige in Klöstern und Kirchen für alle Notlagen um Hilfe angerufen, so ist ab dem Hochmittelalter eine wachsende Spezialisierung des zugeschriebenen Heilungsvermögens auf ganz bestimmte Heilige festzustellen. Diese erhielten sogenannte Sonderpatronate. Für die Zahnheilung genoss die Hl. Apollonia einen besonders guten Ruf. Der Höhepunkt des Apollonia-Kultes war in Europa im 15. und 16. Jahrhundert mit einem zweiten Aufschwung in der Gegenreformation.[1] Aus der Zeit des 16. Jahrhunderts haben Archäologen 1990 im Innern der heutigen Kapelle neben Geld auch zahlreiche Zähne mit Karies-Schäden gefunden.[2]
Die Gründung der zum Zisterzienserkloster Hauterive (Altenryf) gehörenden Kapelle reicht möglicherweise bis in die Anfänge des Klosters im 12. Jahrhundert zurück; als Gründungsjahr wird in einer Inschrift das Jahr 1147 überliefert.[3] Die Kapelle liegt am westlichen Brückenkopf der gleichnamigen Brücke Sainte-Apolline über dem Fluss Glâne. Sie markierte den Eingang in den klösterlichen Gerichtsbezirk. Urkundlich ist die Kapelle erstmals 1473 bezeugt.[4] 1566 wurde sie nach einem Brand wieder errichtet und um 1690 baulich verändert. Nach der Aufhebung des Klosters Hauterive – 1848 im Rahmen des Kulturkampfes und der Säkularisierung – erfolgten mehrere Reparaturen und 1943 eine Restaurierung des Gebäudes und der Gemälde, die letzte 1991. Heute gehört die Kapelle der Pfarrei Ecuvillens.
Baubeschreibung
Der kleine Bau ruht – in der gegenwärtigen Form von 1566 – auf einem Ufersandstein-Sockel in einem Flussknie der Glâne. Er bietet den Raum für einen auf einer Molasse-Platte stehenden Altar mit Altaraufsatz; den Raum für die Gläubigen gewährt die Natur ausserhalb der Kapelle. Ein Kopfwalmdach mit einem Giebelreiter mit Glocke bedeckt das Gebäude. Ein Stabwerkgitter aus sich überkreuzenden Stäben gibt den Blick frei von aussen auf den Altar.[4]
Altar und Malereien
Der Altar in seiner heutigen Form und sein Aufbau mit den Bildern stammen aus dem 17. Jahrhundert. Sie wurden unter dem Abt von Hauterive Candide Fivaz (1670–1700) errichtet, dessen Wappen am Altar mit dem Datum 1680 versehen ist. Das frontale Altarbild und die vier Gemälde werden durch den weiss-blau marmorierten Aufbau eingerahmt.
Das zentrale Gemälde des Altaraufsatzes stellt die Taufe von Jesus durch den Heiligen Johannes dar, signiert vom deutschen Maler „Johann Ackert“ aus dem 17. Jahrhundert. Über diesem befindet sich ein Bild der Lactatio des Heiligen Bernhards. Mit ihm ist der Bezug zum Kloster Hauterive gegeben: Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153) hatte im frühen 12. Jahrhundert wesentlich zur Verbreitung der Zisterzienser in Europa beigetragen.[5] Der Bildinhalt der Lactatio ist seit dem Hochmittelalter zu finden: Die Jungfrau Maria richtet mit ihrer rechten Hand die Brust ein, um dem in einiger Distanz knienden Hl. Bernhard von Clairvaux den Genuss ihrer Milch – metaphorisch für die spirituelle Ernährung – zu gewähren. Mit dem linken Arm umgreift sie den kleinen Jesus. Maria und Jesus sind auf den Hl. Bernhard gerichtet. Das köstliche Spektakulum wird auf dem Bild von zwei Zisterziensernonnen durch ein Fenster beobachtet. Das Gemälde ist nicht signiert und stammt vermutlich vom gleichen Maler Johann Ackert.[4]
Das Gemälde links von der Taufe Jesu stellt den Gründer des Klosters Hauterive Wilhelm von Glâne in Ritterrüstung mit einem Kreuz in der Hand dar. Dieser hatte 1127 im blutigen Zwist zwischen den Zähringern und den Grafen von Burgund seinen Burgund zugewandten Vater und seinen Bruder verloren.[5] Im sich fortsetzenden Konflikt wurde 1132 Bernhard von Clairvaux um Vermittlung gebeten. Der überlebende Wilhelm von Glâne fasste den Entschluss, das Kloster zu gründen, vermutlich für das Seelenheil der verstorbenen Familienangehörigen. Damit sollte wohl auch das Besitztum vom Zugriff der Zähringer geschützt werden.[2] 1138 wurde das Kloster Hauterive eingeweiht.[5]
Rechts vom zentralen Gemälde der Taufe Jesu befindet sich jenes der Hl. Apolline. Sie wird hier in Übereinstimmung mit einer Version ihrer Legende, wonach sie eine Königstochter gewesen sei, in fürstlichem Gewand als Dame aus edlem Geschlecht dargestellt: Enges Miederoberteil mit tief herunter gezogener Spitze, bauschige Ärmel und an das Mieder angenähte geschlitzte Schösse repräsentieren typische Merkmale eines festlichen Barockkleides einer hochgestellten Dame.[6] Seit der Renaissance wurden Heilige gerne in der modischen Bekleidung der Zeit dargestellt.[7] In der rechten Hand trägt sie eine grosse Zange, das Instrument ihres Martyriums, und in der linken einen Palmzweig als Zeichen ihres Martyriums. Das Bild ist wie jenes von Wilhelm von Glâne ohne Signatur und Jahresangabe, wohl ebenfalls aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.[4]
Das den Altarcorpus frontal schmückende Bild (ohne Signatur, Jahreszahl 1680) thematisiert die Flucht der Hl. Familie nach Ägypten: Josef überquert mit dem Esel, der Maria und ihr Kind trägt, gerade die Apolline-Brücke. Im Hintergrund ist die legendären Burg der Herren von Glâne zu sehen.[4]
Kapelle, Altar und Bilder sind renovierungsbedürftig.
Sainte-Apolline Brücke
Die Überquerung der Glâne an dieser Stelle spielte vermutlich schon früh eine Rolle für die Strassenverbindung von der Genfersee-Region zum Rhein-Becken entlang dem linken Ufer der Saane (franz. Sarine). Das Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS) klassiert diese Verbindung mit der Bewertung "Von nationaler Bedeutung". Wohl nach einer anfänglichen Furt ist eine erste Holzbrücke an dieser Stelle über die Glâne seit dem 13. Jahrhundert belegt;[2] sie wird als Glâne-Brücke (pont de la Glâne) bezeichnet. 1508/09 wurden die vorausgegangenen Holzbrücken durch eine Bogenbrücke im 16. oder 17. Jahrhundert aus Tuffstein ersetzt,[2] die später mehrmals erneuert wurde, zuletzt 1990/91.[8] Bis 1756 führte die wichtige Strassenverbindung von Freiburg nach Bulle und ins Greyerzerland über diese Brücke. Heute sind die Brücke und die Kapelle eine Wegmarke auf dem Jakobsweg, der von Freiburg über Romont führt.[9]
Weblinks
- Pont de Ste-Apolline (Villars-sur-Glâne) auf fribourgtourisme.ch (französisch)
- Le pont de Sainte-Apolline et sa chapelle auf alaredecouvertedefribourg.wordpress.com (französisch)
- Pont de Sainte-Apolline in der französischen Wikipedia
Einzelnachweise
- Dieter Pack: Die historische Entwicklung des Apollonia-Kults unter besonderer Berücksichtigung des sog. 'kleinen Andachtsbildes'. Dissertation. Hrsg.: Universität, Medizinische Fakultät. urn:nbn:de:bvb:20-opus-7029. Würzburg 2003, S. 311.
- Gilles Bourgarel: Pont et chapelle de Sainte-Apolline. In: Archéologie fribourgeoise: chronique archéologique. Band 92. Fribourg 1989.
- Louis Waeber: Eglises et chapelles du canton de Fribourg. Saint-Paul, Fribourg 1957.
- Victor Buchs (1950). Villars-sur-Glâne. La paroisse et la commune. Chapitre: Les Chapelles : (S. 93–98) und Chapitre: Le pont de Sainte Apollline, (S. 114–118). Colmar : Imprimerie Alsatia.
- Ernst Tremp (1988). Wie gründet man ein Zisterzienserkloster? Die Anfänge der Abteien Hauterive und Hautcrêt. Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte, 115–141.
- Kostümgeschichte, Barock ca. 1610–1715. In: Costumeantique.de. Abgerufen am 19. Oktober 2020.
- Wilhelm Bulk: St. Apollonia-Patronin der Zahnkranken. Ihr Kult und Bild im Wandel der Zeit. Dissertation. Universität Münster. Selbstverlag, Bielefeld 1967, S. 111.
- Ernst Tremp (1999). Religiöse, wirtschaftliche und politische Bedeutung Altenryfs im Mittelalter. Patrimoine Fribourgeois, 11, 6–12.
- Verein Jakobsweg.ch: Wegabschnitt von Freiburg (Fribourg) nach Romont (Variante A) 29.22 km. Abgerufen am 29. September 2020.