Kaltenleutgeben
Kaltenleutgeben ist eine Marktgemeinde im Bezirk Mödling in Niederösterreich mit 3350 Einwohnern (Stand 1. Jänner 2021).
Marktgemeinde Kaltenleutgeben | ||
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Wappen | Österreichkarte | |
Basisdaten | ||
Staat: | Österreich | |
Bundesland: | Niederösterreich | |
Politischer Bezirk: | Mödling | |
Kfz-Kennzeichen: | MD | |
Fläche: | 17,51 km² | |
Koordinaten: | 48° 7′ N, 16° 12′ O | |
Höhe: | 356 m ü. A. | |
Einwohner: | 3.350 (1. Jän. 2021) | |
Bevölkerungsdichte: | 191 Einw. pro km² | |
Postleitzahl: | 2391 | |
Vorwahl: | 02238 | |
Gemeindekennziffer: | 3 17 13 | |
Adresse der Gemeindeverwaltung: |
Hauptstraße 78 2391 Kaltenleutgeben | |
Website: | ||
Politik | ||
Bürgermeisterin: | Bernadette Geieregger (ÖVP) | |
Gemeinderat: (Wahljahr: 2020) (23 Mitglieder) |
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Lage von Kaltenleutgeben im Bezirk Mödling | ||
Rathaus | ||
Quelle: Gemeindedaten bei Statistik Austria |
Geografie
Kaltenleutgeben liegt im Industrieviertel in Niederösterreich, im südlichen Wienerwald. 73,41 Prozent der Fläche sind bewaldet, wobei die Fläche der Marktgemeinde 17,5 Quadratkilometer umfasst. Die Gemeinde grenzt direkt an den äußersten Südwesten der Stadt Wien an und ist ein beliebtes Naherholungsgebiet der Wiener Bevölkerung.
Die Bebauung Kaltenleutgebens befindet sich im Tal der Dürren Liesing, die nach Perchtoldsdorf (nach Osten) fließt. Das recht enge und bis zu 80 Meter tiefe Tal weist eine teilweise erhebliche Hangneigung auf. Das Kaltenleutgebener Tal dient aufgrund seiner Orographie dem Wiener Südraum als eine Frischluftschneise.
Es existieren keine weiteren Katastralgemeinden außer Kaltenleutgeben.
Das Gebiet von Kaltenleutgeben ist wegen seiner komplizierten geologischen Struktur in einer Reihe geologischer Fachpublikationen eingehend untersucht worden.[1] Viele ältere, teilweise aber überholte geologische Untersuchungen aus dem 19. Jahrhundert wurden 1905 im Literaturverzeichnis einer Arbeit von Franz Toula zusammengefasst.[2]
Geschichte
Am Lauf des Baches lagen eine Reihe von Mühlen, deren Namen (Waldmühle, Neumühle, Polsterer-Mühle) noch darauf hinweisen.[3]
Kaltenleutgeben war ein frühes Wintersportgebiet: Bereits 1890 hatte auf einer Waldwiese westlich des Ortes, der „Norwegerwiese“, der aus Norwegen stammende Bäckergeselle Wilhelm Bismark Samson durch seine Schilaufkenntnisse beeindruckt, wobei er auch 15 m weite Sprünge über selbstgebaute Schanzen zeigte.[4] Vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Kaltenleutgeben bereits einen Schiverleih mit 30 Paar Schiern, auf der Wiese wurden Schirennen abgehalten.[5] 1952 wurde auf der Wiese ein 198 m langer[4] Schischlepplift gebaut, der bis zu seiner Abtragung 2015 als der wahrscheinlich älteste noch im Originalzustand befindliche Schilift der Welt galt.[6] Diese Anlage war in den letzten Jahrzehnten, nachdem ihr Besitzer bereits den Betrieb einstellen wollte, nur mehr fallweise von freiwilligen Helfern der Bergrettung betrieben worden.[7]
Am 15. Juli 1934 kam es auf der Predigtstuhlwiese zu einer Sozialistenkundgebung mit Rosa Jochmann (spätere Nationalratsabgeordnete) zum Gedenken an den Justizpalastbrand. Durch einen Hinterhalt der Heimwehr wurden hierbei die Fahnenträger Johann Fröhlich und Richard Lehmann erschossen. Heute zeugt hiervon ein 2004 gelegter Gedenkstein bei der Wiese.
Nach dem Anschluss Österreichs 1938 wurde der Ort nach Groß-Wien zum 25. Bezirk eingemeindet.
Erst 1954 wurde der Ort wieder eigenständig und fiel an Niederösterreich zurück. Im Zuge der Ausgemeindung wurden die Gemeindegrenzen neu festgelegt. So kam ein Teil der Kuhheide zu Gießhübl, sowie die Rotte Wassergspreng zur damaligen Nachbargemeinde Weissenbach.
Zu Jahresbeginn 2012 tauschte Kaltenleutgeben mit Perchtoldsdorf einen kleinen Teil seines Gemeindegebietes in der Größe von 58 Hektar, wodurch sich die Gemeindegrenzen etwas verschoben. Einige Grundstücke der Perchtoldsdorfer Tirolerhofsiedlung lagen bis dahin auf Kaltenleutgebener Gebiet, obwohl die Bewohner alle Einrichtungen der Marktgemeinde Perchtoldsdorf und nicht ihrer Heimatgemeinde nutzten. Kaltenleutgeben war auf direktem Weg für sie nicht erreichbar. Perchtoldsdorf trat im Gegenzug eine ebenso große Fläche auf den Grundstücken der ehemaligen Perlmooser AG an Kaltenleutgeben ab.[8][9]
Zwei Bergbaue auf Kohle östlich der Mündung des Flösselgrabens und an der Einmündung des Wienergrabens[10] sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts ebenfalls eingestellt.
Zementwerk Perlmooser
Der Hauptbetrieb in Kaltenleutgeben war mehr als 100 Jahre die Zementfabrik Perlmooser, für welche am Ortsbeginn von Kaltenleutgeben und östlich davon der dort vorhandene Kalkstein (Jurahornsteinkalk, Schrambach-Neokomaptychenschichten) in drei großen Steinbrüchen (Fischerwiese, Flössel, Eisgraben) abgebaut wurde. Der Betrieb lag in drei Gemeinden: in Wien-Rodaun die Produktionsanlagen mit werkseigenem Elektrizitätswerk, in Perchtoldsdorf Werkswohnungen, Kohlenmühle, Bahnhof und Versandanlage, in Kaltenleutgeben die Steinbrüche. Die Steinbrüche wurden mit Feldbahnanlagen mit Dampflokomotiven, später Dieselloks betrieben (der Steinbruch Fischerwiese hatte zusätzlich auch eine elektrisch betriebene Bahnanlage). Sie waren mit einer Seilbahn an das Werk angeschlossen. Die Seilbahnanlage bestand seit dem 19. Jahrhundert, sie wurde 1929 größer erneuert und in den 1960er-Jahren abgebaut. Den Transport des Gesteins besorgten ab dann schwere Lastkraftwagen auf eigens gebauten Straßen. Nach Einstellung der Zementproduktion Mitte der 1990er-Jahre wurden die Werksanlagen noch als Zementlager und Abfüllanlage des Unternehmens Holcim verwendet, das zum Konzern Lafarge gehörte. Die Werksanlagen wurde ab 2012/13 abgetragen. An ihrem Standort, soweit er in Wien-Rodaun lag, wurde eine Wohnhausanlage mit ca. 500 Wohnungen errichtet.[11]
Für das Werk, speziell die Anlieferung der Kohle zum Betrieb der Brennöfen und den Abtransport von Zement, aber auch bereits für die vor seiner Einrichtung verbreitete Kalkproduktion wurde die Kaltenleutgebener Bahn zur Südbahn nach Liesing betrieben. Diese Strecke wurde für den öffentlichen Betrieb 2014 eingestellt und wird seither nur mehr als Anschlussbahn geführt.
Siedlung Doktorberg
Diese Siedlung besteht aus 125 Einfamilienwohnhäusern in verdichteter Flachbauweise aus dem Jahr 1969 im Norden des Ortskerns von Kaltenleutgeben ⊙ . Sie wurde von den Architekten Harry Glück und Carl Auböck entworfen. Fünf Arten von Häusern, davon nur ein Typ zweigeschoßig, wurden in Flächen von 93 bis 135 m² samt Freizeiteinrichtungen (Clubhaus, Swimmingpool, Tennisplätze, Sauna, anfangs auch ein Kindergarten) gebaut. Angesichts der zu Beginn nur sporadischen Busverbindung nach Wien (über die Buslinie von Wien-Liesing nach Kaltenleutgeben Ellinggraben bzw. Sulz im Wienerwald) war ein eigenes Kraftfahrzeug Voraussetzung für die Bewohner, was mehrfach kritisch zum Thema gemacht wurde. 2021 wurde diskutiert, die Dächer der Häuser, die rund 12.000 m² groß sind, für eine ökologische Stromversorgung einzurichten.[12]
Bevölkerungsentwicklung
Volkszählung | 1971 | 1981 | 1991 | 2001 | 2011 |
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Einwohner | 2.520 | 2.552 | 2.699 | 2.998 | 3.357 |
Politik
Bürgermeisterin der Marktgemeinde ist Bernadette Geieregger (ÖVP), obwohl die ÖVP bei der Gemeinderatswahl nur den zweiten Platz belegte. Die Grünen sind der Koalitionspartner.
Im Marktgemeinderat gibt es bei insgesamt 23 Sitzen nach der Gemeinderatswahl 2020 folgende Mandatsverteilung: SPÖ 10 (−1), ÖVP 9 (+1), Die Grünen 3 (+1) und FPÖ 1 (−1).
Wirtschaft
Nichtlandwirtschaftliche Arbeitsstätten gab es im Jahr 2001 124, land- und forstwirtschaftliche Betriebe nach der Erhebung 1999 11. Die Zahl der Erwerbstätigen am Wohnort betrug nach der Volkszählung 2001 1403. Die Erwerbsquote lag 2001 bei 48,93 Prozent.
Sonst ist die Gemeinde eher eine Wohnsitzgemeinde. Viele Wiener haben hier ihre Zweitwohnsitze aufgebaut, da Wien recht nahe liegt.
Öffentliche Einrichtungen
In Kaltenleutgeben befindet sich ein Kindergarten[14] und eine Volksschule.[15]
Kultur und Sehenswürdigkeiten
- Katholische Pfarrkirche Kaltenleutgeben hl. Jakobus der Ältere: Die Kirche, 1728–1729 geplant und 1729–1732 ausgeführt, ist das Hauptwerk des Barockbaumeisters Jakob Oeckhl. Er errichtete und finanzierte den Bau nach dem Tode seiner zweiten Frau aufgrund eines Gelübdes zur Geburt seines Sohnes. Das Hochaltarbild entstammt der Heiligenkreuzer Schule um Martino Altomonte, die aus Lindenholz geschnitzte Dreifaltigkeitsgruppe wird Giovanni Giuliani zugerechnet.
Persönlichkeiten
- Söhne und Töchter der Gemeinde
- Joe Berger (1939–1991), Lyriker, Dramatiker, Erzähler, Journalist, Schauspieler und Aktionist, Mitglied der Grazer Autorenversammlung
- Personen mit Bezug zur Gemeinde
- Mark Twain (1835–1910), US-amerikanischer Schriftsteller, Autor der Bücher über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn, lebte 1898 ein halbes Jahr[16][17] in der Villa Paulhof in Kaltenleutgeben
- Henryk Sienkiewicz (1846–1916), polnischer Schriftsteller, hielt sich ab 1885 mehrmals als Kurgast in Kaltenleutgeben auf.
- Michael Pewny (* 1963), Pianist und Wirtschaftswissenschaftler spielte zwischen 1995 und 2018 im Kaltenleutgebener Hof und Restaurant Kaiserziegel, unter anderem mit Christian Dozzler, Oscar Klein, Al Cook, Dana Gillespie, Herbert Swoboda und Big Jay McNeely.
- Wilhelm Winternitz (1834–1917), Internist, Hydrotherapeut und Balneologe, errichtete die Kaltwasseranstalt.[18]
Weblinks
- Eintrag zu Kaltenleutgeben in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
- 31713 – Kaltenleutgeben. Gemeindedaten, Statistik Austria.
Einzelnachweise
- Georg Rosenberg: Der kalkalpine Wienerwald um Kaltenleutgeben (Niederösterreich und Wien). Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt. Band 108, Wien 1965. Seiten 115–153. (PDF; 4,3 MB) mit umfangreichem Literaturverzeichnis und farbiger geologischer Karte 1:10.000.
- Franz Toula: Geologische Exkursionen im Gebiete des Liesing- und des Mödlingbaches. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt Bd. LV, 1905. S. 245–256.
- Ferdinand Opll: Karten als Quelle topographischer Erkenntnis. Der Liesinger Raum im Süden Wiens zur Zeit Maria Theresias. In: Wiener Geschichtsblätter. Hrsg. vom Verein für Geschichte der Stadt Wien. 68. Jahrgang. Heft 2/2013. ISSN 0043-5317 ZDB-ID 2245-7. S. 117.
- Christine Mitterwenger: Winterfreuden auf der Perchtoldsdorfer Heide. Zum Après-Ski in die Rablhütte. In: Perchtoldsdorf Rundschau. Heft 2/3 aus 2015. S. 5.
- BergNews.com Kaltenleutgeben – Höllenstein (abgerufen 20. Dezember 2016).
- Liftdatenbank Seilbahntechnik (abgerufen 20. Dezember 2015).
- Thomas Kaltenegger, Anna-Maria Walli: Bericht der Ortsstelle Wienerwald Süd. In: Jahresbericht 2016/17 des Österreichischen Bergrettungsdienstes, Ausgabe Wien. Hrsg. vom Österreichischen Bergrettungsdienst, Landesorganisation Niederösterreich/Wien. Wien 2016. S. 22.
- Alle Tirolerhofer nun „Landsleute“ in der NÖN Ausgabe Mödling: Woche 04/2012
- grenzänderung zwischen den marktgemeinden kaltenleutgeben und perchtoldsdorf auf der Gemeindehomepage Perchtoldsdorf abgerufen am 28. Jänner 2012
- Rosenberg, Seite 120 und Tafel 1.
- Helmut Kropp: Das Perlmooser Zementwerk Rodaun. Ein Industriestandort, heute ausgelöscht. BOD, Norderstedt, 2019. ISBN 978-3-7481-9348-7.
- Baujuwele in Niederösterreich: Siedlung am Doktorberg in Kaltenleutgeben. In: Gestalte(n). Das Magazin für Bauen, Architektur und Gestaltung. N° 174, Dezember 2021, ZDB-ID 2708987-3, S. 8–13.
- Bevölkerungsentwicklung von Kaltenleutgeben. (PDF)
- Kindergärten in NÖ. NÖ Landesregierung, abgerufen am 29. Oktober 2020.
- Schulensuche. In: Schulen online. Abgerufen am 2. Oktober 2020.
- in Kaltenleutgeben (Personalnachricht.) Badener Zeitung, 22. Oktober 1898, S. 4, links Mitte
- Marktgemeinde Kaltenleutgeben: Kaltenleutgeben von damals bis heute
- Kaltwasseranstalt Winternitz. In: RegiowikiAT. Abgerufen am 12. Februar 2019.