Jurko Prochasko
Juri Bohdanowytsch Prochasko (ukrainisch Юрій Богданович Прохасько, wissenschaftl. Transliteration Jurij Bohdanovyč Prochasʹko; * 28. April 1970 in Iwano-Frankiwsk, Ukrainische SSR) ist ein ukrainischer Essayist, Germanist, Schriftsteller und Übersetzer.
Leben
Jurko Prochasko wurde 1970 im westukrainischen Iwano-Frankiwsk, dem einstigen ostgalizischen Stanislau, geboren und ist der Bruder des Schriftstellers Taras Prochasko. Von 1987 bis 1992 studierte er Germanistik in Lemberg. Seit 1993 ist Prochasko als Literaturwissenschaftler am Institut für Literaturforschung der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften in Lemberg tätig und arbeitet dort u. a. zur Galizien-Rezeption in der polnischen Literatur und Literaturwissenschaft. Ende der neunziger Jahre absolvierte er eine Ausbildung als Psychoanalytiker im österreichischen Altaussee. 1999 gründete er die Ukrainische Übersetzer-Assoziation. Während der Orangen Revolution 2004 gehörte Prochasko zu den Aktivisten auf dem Kiewer Majdan. 2007 war Prochasko als Kurator der Lemberg-Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin tätig. Stipendien und Forschungsaufenthalte führten ihn wiederholt nach Österreich und Deutschland, u. a. in das Künstlerhaus Villa Waldberta in München. 2011/12 weilte er als Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und 2014/15 als Visiting Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien. 2010 wurde er zum Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste berufen.
Aufmerksamkeit erregte die von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, in Kooperation mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und dem Hessischen Rundfunk, organisierte Veranstaltungsreihe „Bewegliche Territorien“, in der Prochasko mit Jurij Andruchowytsch, Serhij Schadan, Tanja Maljartschuk im Februar 2014 mit Hanne Kulessa die Lage und Perspektiven der Ukraine nach der Euromajdan-Revolution thematisierte.[1] Prochasko gilt als ein wichtiger kultureller Vermittler zwischen der Ukraine und Deutschland, der sich aktiv für die Einbindung der Ukraine in Europa einsetzt.[2]
Prochasko schreibt für die in Lemberg auf deutsch, polnisch und ukrainisch erscheinende liberal-demokratische Online-Zeitschrift Ji. Er lebt und arbeitet, u.a. als Psychoanalytiker,[3] in Lemberg.
Auszeichnungen
- 2008: Friedrich-Gundolf-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung für die Vermittlung deutscher Kultur im Ausland
- 2008 Österreichischer Staatspreis für literarische Übersetzung (Translatio)
Aufsätze und Publikationen
- Lwow trzy eseje. Kraków 2005 (mit J. Izdryk und N. Sniadanko) ISBN 83-92045-03-3.
- Galizien-Bukowina-Express. Eine Geschichte der Eisenbahn am Rande Europas. Turia + Kant, Wien 2007, ISBN 978-3-85132-444-0. (Mit Alfred Pranzl, Taras Prochasko und Magdalena Blaszczuk).
- Mythos Czernowitz: Eine Stadt im Spiegel ihrer Nationalitäten. Potsdam 2008, ISBN 978-3-936168-25-9 (Mit Martin Pollack, Helmut Kusdat, Ioan C Lihaciu, Andrei Corbea-Hoisie und Gaby Coldewey).
- Der Mitteleuropäer. Abgesang auf den Nachbarn dazwischen und seine Neuerfindung. In: Christoph Bartmann (Hrsg.): Illusion der Nähe? Ausblicke auf die europäische Nachbarschaft von Morgen. Steidl, Göttingen 2011, ISBN 978-3-86930-371-0.
Übersetzungen
Prochasko hat Werke von u. a. Gottfried Benn, Günter Eich, Catalin Dorian Florescu, Sigmund Freud, Martin Heidegger, Franz Kafka, Heinrich von Kleist, Robert Musil, Katja Petrowskaja, Joseph Roth, Friedrich Schleiermacher und Ingo Schulze ins Ukrainische übersetzt.
Weblinks
- Personalseite mit knapper Biographie und Bibliographie des Iwan-Franko-Instituts der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, ukrainisch
- Interview mit Liane von Billerbeck über die Leipziger Buchmesse, dradio.de
- Interview mit Doris Liebermann (Die Zeit) über Galizien und die Westukraine
- Essay: „Die Ukraine: Rand oder Land?“
- YouTube (deutsch)
Einzelnachweise
- Bewegliche Territorien
- Audio: Jurko Prochasko, ukrainischer Germanist und Übersetzer – ARD Mediathek – SWR2 (Memento des Originals vom 6. Januar 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Ronald Pohl: Aggressor Putin: Intellektuelles Entsetzen über einen "Kriegsverbrecher", Der Standard. 27. Februar 2022.