John M. Armleder
John M. Armleder (* 24. Juni 1948 in Genf) ist ein Schweizer Konzeptkünstler, Performance- und Objektkünstler, Maler, Bildhauer und Kunstkritiker. Er entwickelt minimale Eingriffe ebenso wie raumfüllende Installationen.
Leben und Werk
John Michael Armleder entstammt einer Genfer Hotelierfamilie. Sein Urgroßvater Richard Rodolphe Armleder gründete 1875 das Genfer Luxushotel Le Richemond, in dem John Michael Armleder seine Jugend verbrachte. Mitte der 1960er Jahre hatte er seine ersten öffentlichen Auftritte als Musiker und mit Happenings, die von der Musik John Cages beeinflusst waren. Von 1966 bis 1967 studierte er an der École des Beaux-Arts in Genf und war an Fluxus-Aktionen beteiligt. 1969 besuchte er die Glamorgan Summer School in Wales/Großbritannien. Im gleichen Jahr gründete er zusammen mit Patrick Lucchini und Claude Rychner, mit denen er seit seiner Kindheit befreundet war, die Fluxus-Gruppe Groupe Ecart. Die Gruppenmitglieder produzierten unter anderem zahlreiche Super-8-Filme. Aus der Groupe Ecart ging die von 1973 bis 1980 bestehende Galerie Ecart hervor, die in Genf Ausstellungen und Performances von Joseph Beuys, John Cage und Andy Warhol veranstaltete. 1978 und 1979 erhielt Armleder das Eidgenössische Kunststipendium. Ende der 1970er Jahre entfernte er sich von der Fluxus-Bewegung und begann reduzierte, flächige, am Minimalismus orientierte Bilder zu malen, bei denen er nicht nur die klassische Leinwand, sondern auch Lochplatten und alte Möbelstücke als Malgrund einsetzte. Er malte – die Kunstgeschichte zitierend – abstrakte Bilder, die er mit gebrauchten Wohnungseinrichtungen in Rauminstallationen kombinierte und die sich dem Kitsch nicht entzogen.
In den 1980er Jahren entwickelt Armleder die Furniture Sculptures, die Fragen des Ready-made aufgriffen. 1987 kaufte der Künstler bei einem Altmöbelhändler ein Wandregal, auf dem mehr als fünfundzwanzig gebrauchte Stühle ausgestellt waren. Regal und Stühle brachte er in eine benachbarte Galerie, wo sie anschließend als Werk FS 172 in einer Ausstellung präsentiert wurden. Drei aufrecht stehenden Teppichrollen (FS 234) erwarb er 1990 als Restposten aus einem Laden und nahm «Sylvie Fleury beim Wort, als sie ihn darauf hinwies, dass die Teppichzylinder wie Objekte für eine Ausstellung aussahen. Nach Aussage des Künstlers sein erstes Werk, das er weder produziert noch dazu die Idee hatte.»[1] Hier, wie in seinen weiteren Werken, setzte er «ein beständiges Wechselspiel in Szene, zwischen Kunst und Leben, zwischen High und Low, zwischen Ironie und Pathos. Ein spannendes Spiel mit Assoziationen und Kunstgeschichte, das seine Nähe zur Ästhetik von Dada und Fluxus bis heute nicht verleugnet.»[2]
Für galeriefüllende Environments in der Tate Gallery, Liverpool arrangierte er 2005 ausgestopfte Waldtiere, laufende Fernsehgeräte, Spiegel, Blumensträuße, Weihnachtsbäume, Holzscheite, blinkende LCD-Lampen und Tierfelle und gruppierte sie zu irritierenden Rauminstallationen.[3] Für das Objekt Flash. Flash. Flash., 2004 Höhe 461 × Tiefe 600 × Länge 520 cm, ausgestellt 2005 im Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe, setzte er für eine Raumskulptur fünf Lichtbäume, Leuchtstäbe, LEDs, Metall, Kunststoff, Kabel und Transformatoren ein und liess die Lichtfolge programmieren.[4]
Er lehrt an der École cantonale d’art (ECAL) in Lausanne und ist seit 1995 Professor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Von 1992 bis 2000 war er Mitglied der Eidgenössischen Kunstkommission. Armleder lebt in New York und in Genf. Seit 1990 wohnte er mit der Künstlerin Sylvie Fleury in der Villa Magica, einem alten Stadthaus am Rande von Genf. Fleury wurde 1990 Armleders Assistentin, sie kam durch ihn zur Kunst.[5] 2004 gründete er mit Sylvie Fleury und seinem Sohn Stéphane Armleder (* 1977) das Genfer Plattenlabel Villa Magica Records. Stéphane Armleder (alias John B. Rambo, alias The Genevan Heathen) ist dessen künstlerischer Leiter und zugleich für den Vertrieb des Labels Record Company Records aus Roxbury, Massachusetts (USA) verantwortlich. Beide Labels bringen unter anderem CDs und LPs von John Armleder und Sylvie Fleury, von Gerwald Rockenschaub und John B. Rambo heraus.[6]
2019 fand eine Einzelausstellung von John Armleder in der Frankfurter Kunsthalle Schirn statt, in der die Sentenz Ich mache nichts anderes als das, was andere schon einmal gemacht haben am Treppenaufgang seiner Ausstellung an der Wand geschrieben stand, um sein Konzept der Raumausstattung der besonderen Art zu verdeutlichen.[7] Mit seinen Installationen dekonstruiert er zunächst seine Umgebung und demöbliert so vergangene Kunstformen. Armleders Ausstellung thematisiert die Echtheit von Ausstellungsstücken, den Vorrang der visuellen Überwältigung und die Tiefe der Oberfläche.
Ausstellungen (Auswahl)
- 1986: Biennale Venedig (Schweizer Pavillon); Prospekt, Frankfurt am Main.
- 1987: Documenta 8, Kassel.
- 1991: Metropolis, Berlin; Biennale in Lyon.
- 2000: Open Ends, Museum of Modern Art, New York.
- 2005: ZKM, Karlsruhe.
- 2006: Tate Gallery, Liverpool.
- 2014: John Armleder., Musée National Fernand Léger, Biot (Alpes-Maritimes).
- 2018: Plus ça change, plus c’est la même chose (Je mehr sich die Dinge ändern, umso mehr bleiben sie sich gleich), Museion, Bozen
- 2019: Ca. Ca. Rauminstallationen. Kunsthalle Schirn, Frankfurt am Main[8]
Literatur
- John M. Armleder. (Ausstellungskatalog). Texte von Maurice Besset, Suzanne Page, Dieter Schwarz. Kunstmuseum Winterthur, 1987.
- Margrit Brehm. John Armleder: At Any Speed. Mit Textbeiträgen von Axel Heil. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 1999.
- Ellen de Bruijne, John M Armleder: Pour Paintings 1982–1992. Centraal Museum, Utrecht 1992.
- Charles Goerg, John M Armleder: Furniture Sculpture 1980–1990. Mit Textbeiträgen von John Armleder, Claude Ritschards. Musée Rath, Genf 1990.
- Adolf Krischanitzh: To Choose, Arbeiten 1969–1992. Mit Textbeiträgen von John Armleder, Derek Barley. Wiener Secession, 1993.
Weblinks
- Literatur von und über John M. Armleder im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über John M. Armleder in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Materialien von und über John M. Armleder im documenta-Archiv
- John M. Armleder auf kunstaspekte.de
- Stéphanie Guex: Armleder, John M. In: Sikart
- Biografie in artfacts
- Marguerite Menz: Ganze Möbel - und die Kunst des Versagens. In: Neue Zürcher Zeitung, 5. Dezember 2006
Einzelnachweise
- Pressemitteilung Galerie Caratsch
- Kunstpreis Nord-LB: https://www.nordlb.de/John-M-Armleder.2160.0.html?&=&no_cache=1&print=1 (Link nicht erreichbar seit 2012 und nicht archiviert)
- Tate Galerie, Liverpool
- ZKM, Karlsruhe
- Die Zeit
- discogs.com
- Rose-Maria Gropp: John M Armleder in der Schirn: Alles ist echt, alles ist falsch. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 4. Juli 2020]).
- JOHN M ARMLEDER. CA.CA.