Janusz Palikot
Janusz Marian Palikot ([ˈjanuʂ paˈlʲikɔt]; * 26. Oktober 1964 in Biłgoraj) ist ein polnischer Unternehmer, Politiker (TR, zuvor PO) sowie Vorsitzender und Gründer von Twój Ruch, für die er auch im Sejm saß.
Leben
Palikot wuchs in seinem Geburtsort Biłgoraj im Südosten Polens auf und ging dort zur Schule. Während des Gymnasiums zog er nach Warschau. Nach dem Abitur wollte er Mathematik studieren, entschied sich allerdings aus praktischen Gründen für ein Philosophiestudium an der Katholischen Universität Lublin.[1] Das Studium schloss er wiederum an der Universität Warschau mit dem akademischen Grad eines Magisters der Philosophie ab.[2] Anschließend war er an der Polnischen Akademie der Wissenschaften als Dozent tätig. Nach der politischen Wende gründete Palikot 1990 den Schaumweinhersteller Ambra (Cydr Lubelski) und 2001 die ebenfalls auf Alkoholherstellung spezialisierte Aktiengesellschaft Jabłonna.[3]
Mit seiner ersten Frau hat Palikot zwei Kinder, mit seiner zweiten ebenfalls.
Politische Karriere
Das erste Mal wurde Palikot bei den Parlamentswahlen in Polen 2005 als Mitglied der Platforma Obywatelska (dt. Bürgerplattform) in den Sejm gewählt. Er erhielt im Wahlkreis 6 in Lublin 26.275 Stimmen.[4]
Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Polen 2007 trat Palikot erneut im Wahlkreis 6 in Lublin an und konnte mit 44.186 Stimmen ein Mandat für den Sejm erringen.[5] Er arbeitete 2007 bis 2008 in den Sejmkommissionen für Kultur und Massenmedien und Beziehungen mit Auslandspolen mit. 2008 bis 2010 war er führend in der Sejmkommission Bürokratieabbau – Freundlicher Staat und der Verfassungskommission tätig.[6] Für seine Verdienste um die Stadt wurde Palikot am 25. Juli 2008 zum Ehrenbürger von Biłgoraj ernannt.[7]
Innerhalb der Bürgerplattform, die im politischen Spektrum als liberalkonservativ betrachtet werden kann, zählte Palikot zum linken bzw. antiklerikalen Flügel. Als Abgeordneter des Sejm setzte er sich landesweit für eine Liberalisierung der polnischen Abtreibungsregelungen ein, forderte die Begrenzung des öffentlichen Einflusses der katholischen Kirche und die Legalisierung der In-vitro-Fertilisation in Polen. Diese Forderungen werden größtenteils vor allem vom sozialdemokratischen Lager der polnischen Parteien erhoben.[8]
Am 2. Oktober 2010 gründete Palikot die linksliberale Bürgerbewegung Nowoczesna Polska (dt. Modernes Polen) und kündigte seinen Austritt aus der Bürgerplattform für Anfang Dezember 2010 an.[9] Am 18. Oktober 2010 gründete er die nach ihm benannte Bewegung zur Unterstützung von Palikot (poln. Ruch poparcia Palikota). Am 10. Januar 2011 legte er vorzeitig sein Mandat als Abgeordneter des Sejm nieder.
Am 1. Juni 2011 registrierte Palikot am zuständigen Warschauer Gericht schließlich eine neue Partei mit dem Namen Ruch Palikota (dt. Palikot-Bewegung). Bei den Parlamentswahlen in Polen am 9. Oktober 2011 kam diese Partei auf 10,1 Prozent der Stimmen und war damit mit 40 Abgeordneten im Sejm vertreten[10].
Im Sejm sowie in den Medien griff Palikot heftig die polnischen Bischöfe sowie den verstorbenen polnischen Papst an. Innerhalb der neugegründeten Partei kam es sofort zu Streitigkeiten, Palikot griff zuerst die stellvertretende Sejmmarschallin Wanda Nowicka an. Infolge der Konflikte verließen viele Abgeordnete seine Partei, so dass Palikot am Ende der Legislaturperiode mit ganz wenigen Abgeordneten übrigblieb. Die zwischendurch erfolgte Umbenennung der Partei zu „Twój Ruch“ (Deine Bewegung) hatte nichts geholfen.
2013/14 unterstützte Palikot zusammen mit dem Europaabgeordneten Marek Siwiec und Polens ehemaligem Präsidenten Aleksander Kwaśniewski die Initiative Europa Plus, die nach ihrem Scheitern bei der Europawahl im Mai 2014 aufgelöst wurde.
Im Dezember 2014 gab er bekannt, bei der Präsidentschaftswahl 2015 zu kandidieren,[11] was der Politikwissenschaftler Aleks Szczerbiak als „letztes Aufgebot“ (,last hurrah‘) Palikots unsteter politischer Karriere sieht.[12] Bei den Präsidentschaftswahlen am 10. Mai 2015 erreichte Palikot den 7. Platz mit 1,42 Prozent der Wählerstimmen. Das bedeutete praktisch das Ende seiner Sejm-Laufbahn. Er verhalf aber einigen bisher unbekannten Personen zur politischen Karriere: dem Journalisten Andrzej Rozenek, der Transsexuellen Anna Grodzka, dem Homosexuellen Robert Biedroń, der zum Bürgermeister von Słupsk gewählt wurde sowie der Sejm-Vizemarschallin Wanda Nowicka.
Aufgrund sehr niedriger Umfragewerte für die bevorstehenden Parlamentswahlen im Herbst 2015 bildete Palikots Partei im Juli jenes Jahrs gemeinsam mit der SLD und anderen Links-Parteien das Wahlbündnis Zjednoczona Lewica (Vereinigte Linke), um den Verbleib im Sejm zu sichern. Seine Ko-Vorsitzende Barbara Nowacka wurde Spitzenkandidatin, Palikot selbst hielt sich aus dem Wahlkampf vollkommen heraus. Mit einem Wahlergebnis von 7,55 % verpasste die Links-Koalition knapp den Wiedereinzug.
Politische Kontroversen
Palikot sorgte für zahlreiche Kontroversen in Polen. Bei einer Pressekonferenz der Bürgerplattform im April 2007 trug er ein T-Shirt, auf dem stand Ich bin schwul (polnisch Jestem gejem) und Ich bin von der SLD (pl. Jestem z SLD). Später sagte er dazu, er wollte damit zeigen, dass die Bürgerplattform diese Gruppen als Minderheiten schützen müsse.[13] Einige Tage später kam er zu einer Pressekonferenz mit einem Vibrator und einer Spielzeugpistole. Er sagte „...das sind heute die Symbole für Recht und Gerechtigkeit in Polen und das sind die Symbole der Polizei in Lublin“.[14] Er bezog sich damit auf Vorwürfe von Gewalt und sexuellem Missbrauch durch Lubliner Polizisten.
Im polnischen Nachrichtensender TVN24 sagte Palikot im Juli 2008, er halte den polnischen Präsidenten Lech Kaczyński für einen Rüpel.[15] Eine Beleidigung des polnischen Präsidenten kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Der Bruder des Präsidenten Jarosław Kaczyński sagte dem Sender, er würde eine Aufhebung der Immunität Palikots durch den Sejm fordern. Ein anderes Mal erschien Palikot im Fernsehstudio mit einem abgehauenen Schweinskopf. Seine Fernsehinterviews brachten die Parteiführung der Bürgerplattform somit oft in Verlegenheit.
In seinem persönlichen Blog stellte Palikot im Januar 2009 die Frage, ob Jarosław Kaczyński, 2006 bis 2007 Ministerpräsident Polens, schwul sei.[16][17]
Als Antwort auf Informationen über den Einkauf von größeren Mengen Alkohol durch die Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen veranstaltete Palikot im April 2009 vor seinem Haus ein Happening. Palikot trank dabei Alkohol und verteilte ihn auch an Passanten. Dabei stellte er mehrfach die Frage nach einem übermäßigen Alkoholgenuss von Präsident Kaczyński. Am 26. April 2010 wurde Palikot vom Amtsgericht in Lublin zu einer Geldstrafe von 1200 Złoty für das Trinken von Alkohol auf öffentlichen Plätzen verurteilt.[18]
Palikots aufsehenerregenden Auftritte führten in Polen zur Entstehung des Begriffs Palikotyzacja (dt. Palikotisierung) für vulgäre oder ungewöhnliche Auftritte und Aussagen.[19][20]
Im Sejm galt Palikot als Enfant terrible. Mit einem Vermögen von schätzungsweise 330 Millionen Złoty im Jahr 2006 (etwa 80 Millionen Euro) war er der reichste polnische Abgeordnete.[3]
Werke
- Myśli o nowoczesnym biznesie (Gedanken über modernen Business), mit Krzysztof Obłój, Gdańsk 2003, ISBN 83-89405-26-1
- Płoną koty w Biłgoraju (Es brennen Katzen in Biłgoraj), Gdańsk 2007, ISBN 978-83-7453-699-8[21]
- Poletko Pana P. (Der Acker des Herrn P.), Gdańsk 2008, ISBN 978-83-7453-861-9
- Pop-polityka (Pop-Politik), Gdańsk 2009, ISBN 978-83-7453-926-5
- Ja, Palikot (Ich, Palikot), mit Cezary Michalski, Warszawa 2010, ISBN 978-83-7700-001-4
- Kulisy Platformy (Die Kulissen der [Bürger]plattform), mit Anna Wojciechowska, Warszawa 2011, ISBN 978-83-7700-026-7
Verweise
Weblinks
Fußnoten
- Kim jest Janusz Palikot? (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Internetpräsenz der Stadt Biłgoraj, 1. Dezember 2006
- Internetpräsenz von Janusz Palikot, Korzenie i nauka (Memento vom 18. Dezember 2007 im Internet Archive) im
- Stan majątkowy posłów PO za 2007 rok (część 9). (Memento des Originals vom 4. Oktober 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Gazeta Podatnika, 10. September 2008 ()
- Janusz Palikot. Money.pl, 1. Februar 2009
- Posłowie VI kadencji – Janusz Palikot. Internetpräsenz des Sejm, 1. Februar 2009
- Janusz Palikot – Przynależność do komisji i podkomisji. Internetpräsenz des Sejm, 1. Februar 2009 (WebCite (Memento vom 1. Februar 2009 auf WebCite))
- Janusz Palikot honorowym obywatelem Biłgoraja. (Memento des Originals vom 6. Februar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Gazeta Wyborcza, 25. Juli 2008 ()
- Polska czeka na Zapatero. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Newsweek Polska, 28. August 2010
- SF Tagesschau, Harte Töne gegen Polens Eliten. 3. Oktober 2010
- Amtliches Endergebnis der Parlamentswahlen in Polen 2011. (PDF; 2,7 MB) 13. Oktober 2011
- Liberal maverick Palikot announces presidential bid. In: TheNews.pl, 15. Dezember 2014.
- Aleks Szczerbiak: Polish politics in 2014 (Part 4): Has the left hit rock bottom? In: The Polish Politics Blog, 19. Januar 2015.
- PO powinna bronić gejów, Żydów i ludzi z SLD. (Memento des Originals vom 12. Dezember 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Interia.pl, 14. April 2007 ()
- „...to są rzeczywiście symbole prawa i sprawiedliwości dzisiaj w Polsce i to są symbole policji w Lublinie.“ Palikot z silikonowym penisem w ręce. (Memento des Originals vom 22. Januar 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Interia.pl, 24. April 2007 ()
- „Uważam prezydenta za chama.“ onet.pl, Palikot znieważył prezydenta? 23. Juli 2008 (WebCite (Memento vom 1. Februar 2009 auf WebCite))
- „Ja – niepytany – oświadczam, że jednoznacznie preferuję kobiety. A Pan, Panie Jarosławie?“; Ich erkläre – ungefragt –, dass ich eindeutig Frauen bevorzuge. Und Sie Herr Jarosław? Janusz Palikot Blog: Jarosław Kaczyński? (Memento des Originals vom 26. Januar 2009 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. 11. Januar 2009 ()
- Polish Politician to Former Polish Prime Minister: Are You Gay? (Memento des Originals vom 2. Februar 2009 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. UK Gaynews, 11. Januar 2009 ()
- Palikot skazany za happening z “małpkami”. (Memento des Originals vom 20. April 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Wirtualna Polska, 26. April 2010 ()
- Słownik 2008 – Palikotyzacja – Burdel, wieprze i Belzebub – świat oczami pewnego posła. Wirtualna Polska, 15. Dezember 2008
- Pali-hipokryci. (Memento des Originals vom 8. Februar 2009 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Gazeta Wyborcza, 14. Januar 2009 ()
- „Palikot“ bedeutet etwa „Katzenbrenner“