Jakobinische Architektur
Die jakobinische Architektur ist die zweite Phase der Renaissance in England. Sie war eine Weiterentwicklung der elisabethanischen Architektur und ist nach König Jakob I. von England benannt, zu dessen Regierungszeit (1603–1625) sie in Mode war.
Charakteristiken
In die Regierungszeit König Jakobs VI. von Schottland (auch König Jakob I. von England) fällt die erste wesentliche Einführung von Renaissancemotiven in freier Form in England, die durch deutsche und flämische Baumeister und nicht durch italienische geschah. Die Grundlinien der elisabethanischen Architektur blieben, aber die Formensprache wurde durchgängiger und einheitlicher angewandt, sowohl in den Grundrissen als auch in den Fassaden. Säulen und Pilaster, Rundbogenarkaden und flache Dächer mit durchbrochenen Brüstungen wurden häufig verwendet. Diese und andere klassische Elemente tauchten in einer freien, phantastischen Eigenheit und nicht in klassischer Reinheit auf. Prismatische Rustizierungen und ornamentale Details waren eingemischt, Beschläge und Rauten, die auch für den elisabethanischen Stil typisch waren. Dieser Baustil beeinflusste auch den Stil der Möbel und der Kunstgegenstände.
Geschichte und Beispiele
Reproduktionen klassischer Muster fanden bereits während der Regentschaft Elisabeth I. ihren Weg in die englische Architektur, oft basierend auf John Stutes The First and Chief Grounds of Architecture von 1563 und den Wiederauflagen von 1579 und 1584. 1577, drei Jahre vor dem Baubeginn von Wollaton Hall, brachte Hans Vredeman de Vries in Antwerpen ein Heft mit klassischen Mustern heraus. Nominell basierte dieses Heft auf der Beschreibung der Muster von Vitruv, der Autor wich aber davon nicht nur in ihrer Darstellung ab, sondern machte selbst Vorschläge, wobei er zeigte, wie diese Muster in verschiedenen Gebäuden eingesetzt werden konnten. Diese Vorschläge waren so außerordentlich dekadent, dass selbst der Autor es für ratsam hielt, einen Brief von einem Kanoniker der Kirche zu veröffentlichen, der aussagte, dass kein Detail seiner Architektur der Religion widerspreche. Diesen Publikationen verdankt die jakobinische Architektur die Perversion ihrer Formen und die Einführung von Beschlagwerk und durchbrochenen Brüstungen, die erstmals in der Wollaton Hall (1580) auftauchten. Im Bramshill House in Hampshire (1607–1612) und im Holland House in Kensington (1624) erfuhren sie ihre stärkste Ausprägung.
Weitere wichtige Gebäude im jakobinischen Stil sind Crewe Hall in Cheshire, Hatfield House in Hertfordshire, Knole House bei Sevenoaks in Kent, Charlton House in Charlton (London), Holland House von John Thorpe, Plas Teg bei Pontblyddyn zwischen Wrexham und Mold in Wales, Bank Hall in Bretherton, Castle Bromwich Hall bei Solihull und Lilford Hall in Northamptonshire.
Obwohl mit dem Begriff der jakobinischen Architektur der Baustil bezeichnet wird, der in England im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts vorherrschte, findet man ihre besonders dekadenten Details bereits fast 20 Jahre früher in Wollaton Hall in Nottinghamshire, und in Oxford und Cambridge gibt es Beispiele hierfür bis 1660, ganz zu schweigen von der Einführung des reineren, italienischen Stils durch Inigo Jones 1619 in Whitehall.
In der Neuen Welt
In den Jahren 1607 und 1620 gründete England seine ersten erfolgreichen Kolonien: Jamestown in Virginia und Plymouth in Massachusetts. Wie andere Siedler in der Neuen Welt erstellten diese Männer und Frauen ihre Häuser und Gebäude, die die Infrastruktur dieser Städte bildeten, in einem Stil, der dem jakobinischen der Gebäude aus dem Teil von England, aus dem sie kamen, glichen, und so handelten auch die, die ihnen in den späteren Jahrhunderten folgten. So wurde z. B. die Stülpschalung, die heute noch bei Häusern in Neuengland und Nova Scotia üblich ist, von der örtlichen Architektur im Nordosten Englands Anfang bis Mitte des 17. Jahrhunderts abgeleitet. Historiker klassifizieren diese Architektur oft als Untertyp der amerikanischen Kolonialarchitektur, der First-Period-Architecture genannt wird. Es gibt aber große Übereinstimmungen zwischen der Architektur der einfacheren Klasse Anfang des 17. Jahrhunderts in England und der amerikanischen Kolonialarchitektur. Dort haben wegen des geringen Kontaktes zwischen den amerikanischen Kolonisten und der Mode in England einige entscheidende Elemente der jakobinischen Ära oft König Jakob I. von England deutlich überlebt.
Als die Puritaner im Winter 1620 in Neuengland ankamen, gab es wegen des bitterkalten Wetters keine Zeit zu verlieren: Viele Siedler, die mit der Mayflower gekommen waren, waren sehr krank und brauchten Häuser, bevor die Umstände die Krankheiten an Bord sich weiter ausbreiten ließen. Diejenigen, die noch gesund genug waren, mussten schnell handeln und so ähnelten die ersten Gebäude in Neuengland stark den Flechtwerk-Bauernhöfen der einfachen Leute zu Hause, insbesondere denen von East Anglia und Devonshire, mit ihren Strohdächern, die bis 1660 in England üblich waren. Das Material zum Decken der Häuser war allerdings Gras, das man in den Salzmarschen fand.[1] Die meisten dieser Häuser hatten nur zwei Räume und einen einfachen Kamin in der Mitte, so wie die einfachen Häuser in Großbritannien seit der früheren elisabethanischen Zeit gebaut wurden. Sie hatten einen Holzrahmen, einen Unterboden und einen Oberboden aus rohen Brettern sowie Platz zur Einlagerung der Vorräte.[1] Vermessungen an den ausgegrabenen Überresten der Häuser von Myles Standish und John Alden, die Mitte des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts in Duxbury in Massachusetts, einer Siedlung auf der anderen Seite des Hafens von Plymouth, die auch von den Pilgervätern besiedelt und acht Jahre lang bewohnt wurde, vorgenommen wurden, zeigen, dass die alten Häuser sehr klein und schmal waren, durchschnittlich nur 12 Meter lang und 4,5 Meter breit. Dies entspricht in etwa der Größe der Häuser, die die einfacheren Leute (besonders Yeomen und Kleinbauern) in England bewohnten. Dies konnten man in Steuerrollen aus der jakobinischen Zeit sehen, die bis heute überlebt haben.
Beispiel der originalen jakobinischen Architektur in der Amerika sind z. B. Drax Hall Great House und die St Nicholas Abbey, beide in Barbados und Bacon’s Castle im Surry County (Virginia).
Einzelnachweise
- Vernacular House Forms in Seventeenth Century Plymouth Colony. The Plymouth Colony Archive Project. Abgerufen am 16. Januar 2015.
Literatur
- M. Whiffen: An Introduction to Elizabethan and Jacobean Architecture (1952).
- J. Summerson: Architecture in Britain, 1530–1830. Überarbeite Auflage 1963.
- The Columbia Encyclopedia. 6. Auflage 2001.