Inzidenzgeometrie
Unter einer Inzidenzgeometrie versteht man in der Mathematik eine Geometrie, die durch eine so genannte Inzidenzrelation charakterisiert wird. Anschaulich gesprochen erklärt die Inzidenzrelation, welche Punkte in einer bestimmten Geraden enthalten sind, bzw. wie und ob sich Geraden schneiden.
Die Inzidenzgeometrie bietet einen axiomatischen Zugang zur Geometrie und stellt die sonst sehr anschaulichen (weil aus der Beobachtung der Natur erwachsenen) Definitionen auf eine abstrakte Ebene, indem sie zunächst nur elementare Begriffe aus der Mengenlehre verwendet.
Allgemeine Inzidenzgeometrie
Definition
Eine Inzidenzstruktur ist ein Tripel bestehend aus einer Menge von Punkten, einer Menge von Blöcken (Geraden) und einer Inzidenzrelation , also einer Teilmenge . Die Inzidenzstruktur heißt Inzidenzgeometrie, wenn je zwei beliebige Punkte mit genau einer Geraden inzidieren.
Beispiele für Inzidenzgeometrien
- Der Raum wird wie folgt zu einer Inzidenzgeometrie: Die Menge der Punkte ist , die Menge ist die Menge aller affinen Geraden in . Zwei Elemente inzidieren, wenn ist, d. h. .
Teilräume und Dimension in der Inzidenzgeometrie
Eine Menge heißt Linearmenge, wenn für jede Gerade , die mit zwei Punkten aus inzidiert, jeder weitere Punkt, der mit inzidiert, in liegt. Eine Linearmenge von bildet gemeinsam mit ihren zugehörigen Geraden eine Inzidenzgeometrie, welche als Teilraum oder Teilgeometrie von bezeichnet wird.
Damit definiert man den Begriff der linearen Hülle ganz ähnlich wie in der linearen Algebra: Die lineare Hülle einer Menge ist der Schnitt über alle Linearmengen, die enthalten. ist daher die kleinste Linearmenge, die enthält.
Eine Menge heißt Basis der Menge , wenn und wenn es keine kleinere Menge gibt, die dieselbe Eigenschaft hat. Die Dimension eines Raumes lässt sich dann so definieren, dass sie um 1 kleiner ist als die Mächtigkeit einer Basis.
Unterschiede zur Euklidischen Geometrie
- Der Begriff der Dimension ist in der Inzidenzgeometrie weit weniger anschaulich als in der euklidischen Geometrie. Betrachtet man die Geometrie in der rechten Abbildung, welche aus 9 Punkten besteht (eingezeichnet sind nur die Geraden, die mehr als 2 Punkte enthalten), so bilden die Punkte eine Basis, d. h. der Raum hat die Dimension 2. Die Punkte hingegen bilden gemeinsam eine Linearmenge. Gemeinsam mit ihren zugehörigen Geraden bilden sie also einen Teilraum. Nun ist aber die Menge eine Basis dieses Teilraumes, der damit die Dimension 3 hat. D. h. es ist möglich, dass ein Raum eine kleinere Dimension als einer seiner Teilräume besitzt.
Besondere Inzidenzgeometrien
Projektive Geometrie
Eine projektive Geometrie ist eine Inzidenzgeometrie, welche das Veblen-Young-Axiom erfüllt: Sind , die Geraden durch bzw. , und gibt es einen Punkt, mit dem sowohl als auch inzidieren, so gibt es auch einen Punkt, mit dem sowohl als auch inzidieren.
Diesem Axiom kann man noch ein weiteres Axiom hinzufügen, welches verlangt, dass jede Gerade mindestens mit 3 Punkten inzidiert und dass es mindestens 2 Geraden gibt. Eine projektive Geometrie, welche dieses Axiom nicht erfüllt, nennt man entartet.
Das Veblen-Young-Axiom besagt, dass zwei Geraden, die in einer gemeinsamen Ebene verlaufen, immer einen Schnittpunkt besitzen (d. h. es gibt keine parallelen Geraden).
Affine Geometrie
Eine affine Geometrie ist eine Inzidenzgeometrie mit folgenden Eigenschaften:
- Die Geometrie besitzt einen Parallelismus, d. h. eine Äquivalenzrelation, welche bei einem fest gewählten Punkt jeder Geraden eine eindeutige Gerade zuweist, so dass und inzidieren,
- Sind parallele Geraden, ein Punkt, der weder mit noch mit inzidiert und sind Geraden, die mit inzidieren und die schneiden, so schneiden sich die Geraden und , wenn sich und schneiden (Trapezaxiom).
Wiederum kann man das Axiom hinzufügen, dass es zwei Geraden gibt und dass jede Gerade mit mindestens 3 Punkten inzidiert. Eine affine Geometrie, welche dieses Axiom nicht erfüllt, nennt man ebenfalls entartet.
Anschaulich gesprochen besagt das Trapezaxiom, dass zwei parallele Geraden immer in einer gemeinsamen Ebene verlaufen.
Wird der Parallelismus als Äquivalenzrelation verstanden, wie in dieser Definition, dann gilt insbesondere, dass eine Gerade zu sich selbst parallel ist, sonst wäre die Relation nicht reflexiv.
Literatur
- F. Buekenhout: Handbook of Incidence Geometry. North Holland 1995. ISBN 978-0-444-88355-1
- Albrecht Beutelspacher, Ute Rosenbaum: Projektive Geometrie. Von den Grundlagen bis zu den Anwendungen. Vieweg + Teubner, Braunschweig u. a. 1992, ISBN 3-528-07241-5 (2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Vieweg, Wiesbaden u. a. 2004, ISBN 3-528-17241-X)
- Johannes Ueberberg: Foundations of Incidence Geometry. Springer Monographs in Mathematics, Springer, 2011, doi:10.1007/978-3-642-20972-7, ISBN 978-3-642-26960-8.
Weblinks
- G. Eric Moorhouse: Incidence Geometry. Skript, University of Wyoming, August 2007
- Inzidenzgeometrie (definition, engl.) (Memento vom 26. April 2009 im Internet Archive)
- Inzidenzgeometrie bei PlanetMath