Institute of Science and Technology – Austria
Das Institute of Science and Technology – Austria (ISTA) ist eine postgraduale Wissenschaftseinrichtung in Österreich, die nach dem Vorbild ausländischer Einrichtungen wie dem Weizmann-Institut oder der Rockefeller University Spitzenforschung im Bereich der Grundlagenforschung betreiben soll.[1] Im Unterschied zu den Universitäten werden keine Grundstudien, sondern ausschließlich ein interdisziplinäres PhD-Programm angeboten. Grundlage des Instituts ist ein eigenes Gesetz,[2] das im März 2006 beschlossen wurde. Das Institute of Science and Technology Austria hat seinen Sitz in Maria Gugging, einem Stadtteil von Klosterneuburg, nördlich von Wien. Im Jahr 2019 wurde das Institut im „Academic Nature Index“ (eine größengewichtete Auswertung der Publikationen in international etablierten Fachjournalen) der wissenschaftlichen Fachzeitung „Nature“ auf dem weltweit dritten Platz bewertet.[3][4] ISTA belegt den 1112. Platz im Center of World University Ranking (CWUR).[5]
Institute of Science and Technology – Austria | |
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Gründung | 2007 |
Trägerschaft | staatlich |
Ort | Maria Gugging, Stadtteil von Klosterneuburg, Österreich |
Bundesland | Niederösterreich |
Land | Österreich |
Leitung | Thomas Henzinger (Präsident)
Michael Sixt (Executive Vice President) Georg Schneider (Managing Director) Eva Benková (Dekanin der Graduate School) Gaia Novarino (Vice President für Science Education) Bernd Bickel (Vice President für Technology Transfer) |
Professoren | 67 (2021) |
Website |
Geschichte
Auf Initiative des Wiener Experimentalphysikers Anton Zeilinger wurde das Konzept einer „University of Excellence“ entworfen, in der Wissenschaftler naturwissenschaftlich-technische Forschungen auf höchstem Niveau betreiben sollen. Im Februar 2006 entschied sich die damalige Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer, entgegen dem Wunsch der von ihr eingesetzten Expertenkommission für den Standort Klosterneuburg-Maria Gugging. Daraufhin legte Zeilinger seine Mitarbeit an dem Projekt nieder, ebenso wie der Physiker Arnold Schmidt und der Chemiker Peter Schuster. In einer Presseaussendung begründeten sie das damit, dass durch diese Standortentscheidung eine „suboptimale Lösung“ und kein „möglichst breiter politischer Konsens“ erreicht worden sei.
Die Entscheidung für Klosterneuburg-Maria Gugging und gegen Wien wurde der höheren finanziellen Beteiligung des Landes Niederösterreich und der sofortigen Verfügbarkeit der Baulichkeiten zugeschrieben. Von Beobachtern wurde sie aber teils als politisch motiviert betrachtet, da Niederösterreich von einem ÖVP-Landeshauptmann regiert wird, Wien aber einen SPÖ-Bürgermeister hat.
Die anfänglichen Schwierigkeiten konnten durch die Erstellung eines Berichts des „International Committee“, bestehend aus Haim Harari (1988–2001 Präsident des Weizmann-Instituts, Israel), Olaf Kübler (1997–2005 Präsident der ETH Zürich) und Hubert Markl (1996–2002 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft), überwunden werden. Kernaussagen des Berichts sind:
- Streben nach höchster wissenschaftlicher Qualität
- Fokussierung auf Grundlagenforschung
- Unabhängigkeit von Politik und Wirtschaft
Durch die konsequente Verfolgung dieser Pläne konnten bedeutende Wissenschaftler wie Anton Zeilinger oder Eric R. Kandel (Nobelpreisträger für Medizin 2000) (wieder) gewonnen werden.
Der Name wurde auf „Institute of Science and Technology Austria“ geändert. Am 29. März 2006 wurde das Projekt im Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien (ÖVP/FPÖ-BZÖ) und der damals oppositionellen SPÖ beschlossen.
Die Vorbereitungsarbeiten für das ISTA wurden im Frühjahr 2007 in den Gebäuden der früheren Landesnervenklinik Gugging aufgenommen. Die Positionen des ersten Präsidenten sowie der Professoren- und Assistant Professorenstellen wurden im Herbst 2007 ausgeschrieben.
Am 28. Juni 2008 wurde der deutsche Neurobiologe Tobias Bonhoeffer als Gründungspräsident vom Kuratorium nominiert.[6] Am 21. Juli 2008 verzichtete Bonhoeffer auf das Amt.[7] Am 4. Dezember wurde der Informatiker Thomas Henzinger als erster Präsident präsentiert.[8] Seine vierjährige Amtszeit begann am 1. September 2009.[9] Im November 2012 wurde er für weitere vier Jahre im Amt bestätigt.[10]
2022 wurde die Abkürzung des Institutnames von "IST Austria" auf "ISTA" geändert.
Evaluierung
Im Jänner 2011 wurde die erste Evaluierung des neuen Institutes durch ein Komitee von zwei Nobelpreisträgern (David Baltimore, Erwin Neher), dem ehemaligen Präsidenten des California Institute of Technology, sowie Professoren der Rockefeller University, des Okinawa Institute of Science and Technology und das Stanford Linear Accelerator Centers durchgeführt.[11] Im März 2011 stellte das Gutachterkomitee dem ISTA ein hervorragendes Zeugnis aus. In einer allgemeinen Erörterung heißt es, dass das Institut auf dem Weg ist in Ausbildung wie in Forschung neue Maßstäbe zu setzen, welche nicht nur national, sondern auch europaweit und darüber hinaus von Bedeutung sein werden, und dass es auf dem besten Weg zur Exzellenz sei.[11][12][13]
Finanzierung
2012 wurde die Finanzierung des ISTA bis 2026 gesichert. Eine Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Land Niederösterreich, die die weitere Finanzierung des Instituts von 2017 bis 2026 regelt, wurde im Juli 2012 von Parlament und Landtag verabschiedet. Der Bund investiert im Schnitt € 99 Mio. pro Jahr, ein Drittel dieses Geldes ist an die erfolgreiche Einwerbung von Drittmittel und die Erfüllung forschungsimmanenter Qualitätskriterien gebunden. Die niederösterreichische Landesregierung trägt außerdem € 368 Mio. für die Infrastruktur, die Gebäude und den Betrieb des ISTA Campus bei. Diese Finanzierung erlaubt ISTA bis 2026 auf eine Größe von circa 90 bis 100 Forschungsgruppen mit bis zu 1000 Wissenschaftlern zu wachsen.[14]
Am 30. September 2021 wird berichtet, dass ISTA für den Zeitraum 2026–2036 eine Finanzierungszusage über insgesamt 3,3 Mrd. Euro erhalten hat. 3/4 kommen dabei vom Bund, 1/4 vom Land.[15]
Organisation
Kuratorium
Das Kuratorium ist das oberste, leitende Gremium des Instituts und wird vom Bund (4 Mitglieder), vom Land Niederösterreich (3 Mitglieder) sowie aus der Scientific Community (7 Mitglieder) bestellt. Die Hauptaufgaben des Kuratoriums bestehen im Beschluss des Organisationsstatuts und der strategischen Ausrichtung, der Bestellung des/der Präsidenten/in, des Wissenschaftlichen Rats und des/der Verwaltungsdirektors/in sowie der Genehmigung des Verfahrens zur Berufung und Beförderung des akademischen Personals und der Wissenschaftler.
Aktuelles Kuratorium:[16]
- bestellt vom Wissenschaftsfonds FWF, Wissenschaftsrat und RFT:
- Catherine Cesarsky (Directeur de recherche à la Direction des Sciences de la Matière (DSM), CEA-Saclay)
- Alice Dautry (Präsidentin Institut Pasteur, Paris)
- Haim Harari (ehem. Präsident des Weizmann-Instituts)
- Eric R. Kandel (Columbia-Universität in New York, Nobelpreis Medizin 2000)
- Olaf Kübler (ehemaliger Präsident der ETH Zürich)
- Kurt Mehlhorn (Direktor, Max-Planck-Institut, Saarbrücken)
- Wolfgang Schürer (Vorsitzender der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen am Bodensee und Vizepräsident des Kuratoriums für die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau e.V., Lindau, Deutschland)
- Ernst-Ludwig Winnacker, (Generalsekretär der Human Frontier Science Program Organization)
- Anton Zeilinger (Universität Wien), stellvertretender Vorsitzender
- bestellt durch das Land NÖ:
- Alexander Hartig (Mitglied des Vorstandes der Constantia Industries AG)
- Elisabeth Stadler (Vorstand der Vienna Insurance Group, Wien)
- Peter Layr (Vorstandsdirektor EVN, Maria Enzersdorf)
- vom Bund bestellt:
- Gisela Hopfmüller (ehemalige Leiterin der ORF-Hauptabteilung „Bildung und Zeitgeschehen“)
- Claus Raidl (Präsident OeNB), Vorsitzender
- Wolfgang Ruttenstorfer (Mitglied des Aufsichtsrates, Vienna Insurance Group, Wien)
Exekutivausschuss
Als Unterausschuss des Kuratoriums fungiert der aus sechs Mitgliedern bestehende Exekutivausschuss. Unter Anderem obliegen dem Exekutivausschuss das Handeln im Namen des Kuratoriums in Bezug auf alle Angelegenheiten zwischen den Versammlungen des Kuratoriums und das Führen von vorbereitenden Diskussionen zu Themen, die dem Kuratorium zur Entscheidung vorgelegt werden sollen, z. B. das Jahresbudget.
Wissenschaftlicher Rat
Vorschläge zur wissenschaftlichen Ausrichtung und zur Sicherung der hohen wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit werden vom Wissenschaftlichen Rat unterbreitet. Er soll, so § 9 des Bundesgesetzes über das Institute of Science and Technology, aus zehn „international höchst anerkannten Forscherpersönlichkeiten“ sowie einem Mitglied ohne Stimmrecht bestehen, das auf Grund seiner „hervorragenden Managementerfahrung einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Institute of Science and Technology leisten kann“. Alle Mitglieder sind vom Kuratorium für eine Funktionsperiode von sechs Jahren bestellt.
Wissenschaftler
Im Jahr 2009 wurde mit dem Evolutionsbiologen Nick Barton – Träger der Darwin-Wallace-Medal 2009 – der erste Professor bestellt. Im Jahr 2021 sind 67 Professoren mit ihren Forschungsgruppen[17] am ISTA tätig; ihre Forschung wird, unter anderem, durch 50 ERC (European Research Council) Grants finanziert.[18]
Ziele
- Am ISTA soll durch die Konzentration auf Grundlagenforschung in einigen ausgewählten Bereichen interdisziplinäre, unabhängige und langfristige Forschung höchster Qualität möglich werden. Diese Forschung soll ausschließlich vom Forschungsdrang der Wissenschaftler geleitet sein. Die Einflussnahme durch politische und/oder wirtschaftliche Zwänge soll durch die langfristige (bis 2026) garantierte und fixierte Finanzierung ausgeschlossen werden. ISTA könnte zum Vorbild für die Organisation und Förderung von herausragender Wissenschaft in Österreich und im mitteleuropäischen Raum werden. Bis 2026 soll das Institut auf 90–100 Forschungsgruppen mit circa 1000 Wissenschaftlern wachsen.
- ISTA ist weltweit eines der wenigen Forschungsinstitute, das einen Doktorgrad (PhD) verleihen darf. Das interdisziplinäre PhD-Programm legt einen Fokus auf Biologie, Informatik, Mathematik, Neurowissenschaften und Physik. Die Graduate School steht Bewerbern aus aller Welt offen, die einen Bachelor, Master oder äquivalenten Abschluss vorweisen können. Der institutsweite Auswahlprozess findet einmal jährlich statt, wobei das wissenschaftliche Potential der Bewerber beurteilt wird. Bewerber können jeweils bis Mitte Jänner Unterlagen einreichen, um im September desselben Jahres das Doktoratsstudium aufzunehmen. Potentielle Kandidaten werden zu Bewerbungsinterviews im März eingeladen.
Graduiertenschule
Das PhD-Programm besteht aus zwei unterschiedlichen Phasen: In Phase 1 absolvieren die Studenten eine Rotation durch mehrere Forschungsgruppen, besuchen Kurse in ihrem und außerhalb ihres Spezialgebietes, suchen ihren Supervisor und legen das sogenannte Qualifying Exam, die Berechtigungsprüfung für das weitere Doktoratsstudium, ab. In Phase 2 forschen die Studenten bei einer oder mehreren Forschungsgruppen. Sie sind am Institut angestellt und werden mit einem international vergleichbaren Gehalt bezahlt. Unterrichts- und Arbeitssprache am ISTA ist Englisch. Die Dauer des Doktoratsstudiums ist abhängig von der vorangegangenen Ausbildung und dem individuellen Studienfortschritt und beträgt im Durchschnitt vier bis fünf Jahre.
Viktoriia Sharmanska (Forschungsgruppe Lampert, danach University of Sussex) und Johannes Reiter (Chatterjee Group, danach Harvard Medical School) absolvierten als erste Studenten vollständig ihr Doktorat am ISTA and graduierten im Juni 2015.[19]
Kritik
Kritik an der konkreten Implementierung von ISTA
- Der Standort Klosterneuburg-Maria Gugging wurde von vielen Wissenschaftlern als ungünstig bezeichnet. Andererseits bietet der Campus mitten im Wienerwald sowohl eine attraktive Landschaft und Entwicklungspotenzial für bis zu rund 2000 Beschäftigte sowie für wissenschaftlich-technische Ableger.
Grundsätzliche Kritik an dem Konzept einer Eliteuniversität
- Es besteht die Möglichkeit, dass letztlich überwiegend Studierende aus wohlhabenden Schichten am ISTA forschen werden. Dieser Einschätzung wird entgegnet, dass die Auswahl lediglich durch fachliche Kriterien passiert und die PhD-Studierenden angestellt sind, ein Gehalt beziehen und es daher um die größten Talente geht und nicht um eine soziale Selektion.
- Die Wissenschaftsforschung weist darauf hin, dass Forschung eine breite Basis benötigt. In der Praxis werden einzelne Spitzenforscher durch eine breite Schicht an Forschern unterstützt, die den Wissenschaftsbetrieb am Laufen halten.
Verkehrsanbindung
Das ISTA ist von der U-Bahn-Station Wien-Heiligenstadt aus mit einem eigenen Shuttlebus in ca. 25 Minuten erreichbar. Der Shuttlebus fährt unter Woche tagsüber im 60-Minuten-Takt zum Campus nach Klosterneuburg-Maria Gugging, in den Hauptverkehrszeiten halbstündlich. Es wird ein geringer Aufschlag (20 Cent, beim Busfahrer zu bezahlen) zum normalen VOR-Tarif erhoben. Mitarbeiter und Institutsgäste können den Shuttlebus kostenlos benutzen.
Der Campus wird darüber hinaus von normalen Linienbussen angefahren, darunter vom Regionalbus der Linie 400 von Wien-Heiligenstadt nach Maria Gugging. Dadurch wird der Takt verdichtet, die Fahrzeit ist allerdings länger. Eine Umsteigemöglichkeit zur S-Bahn besteht am Bahnhof Klosterneuburg-Kierling, der Campus selbst ist nicht per Schiene erreichbar.
Ein Radweg besteht von Klosterneuburg (dort mit Anbindung an den Donauradweg) zum Campus. Dieser ist allerdings lückenhaft und teilweise muss im dichten Verkehr auf der Hauptstraße gefahren werden. In Richtung St. Andrä existiert kein Radweg, der Campus ist in diese Richtung nur über eine Landstraße zu erreichen.
Sonstiges
Zum Konzept der Forschungseinrichtung passend, insbesondere in Richtung der Nachhaltigkeit, hat die Niederösterreichische Bauträgergesellschaft die Versorgung mit Fernwärme aus einem Biomasseheizwerk, welches direkt am Campusgelände steht, realisiert. Eine kleine Photovoltaikanlage auf den Gebäuden erzeugt Elektrizität.
Weblinks
Einzelnachweise
- Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria (IST-Austria-Gesetz – ISTAG), BGBl. I Nr. 69/2006, Titel geändert durch BGBl. I Nr. 31/2018
- Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology - Austria
- 2019 tables: Institutions | 2019 tables | Institutions by normalized FC - Academic | Nature Index. Abgerufen am 27. Juni 2019.
- IST Austria Nr. 2 der weltweit besten Forschungsinstitutionen. 20. Juni 2019, abgerufen am 27. Juni 2019.
- IST Austria | GLOBAL 2000 LIST BY THE CENTER FOR WORLD UNIVERSITY RANKINGS (en) Abgerufen am 11. Juli 2021.
- ORF.at: I.S.T. Austria: Gehirnforscher Bonhoeffer wird erster Chef (Memento vom 13. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
- Bonhoeffer verzichtet überraschend auf Chefposten Der Standard vom 21. Juli 2008
- derStandard.at: Computerwissenschafter Thomas Henzinger wird erster Chef. Abgerufen am 4. Januar 2019 (österreichisches Deutsch).
- science.orf.at: IST Austria-Präsident trat Amt an (Memento vom 14. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
- http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/3177458/austria-praesident-henzinger-wiederbestellt.story: IST-Austria-Präsident Henzinger wiederbestellt
- 2011 Evaluierung des Institute of Science and Technology Austria
- ORF NOE: Vorbildliche Entwicklung beim IST-Austria. Abgerufen am 23. Juli 2011.
- Die Presse: Positive Evaluierung für IST Austria. Abgerufen am 23. Juli 2011.
- Die Presse: 1,4 Mrd. Euro für Eliteinstitut in Klosterneuburg. 22. Februar 2012. Abgerufen am 3. September 2012.
- Geld für Exzellenz, Kleine Zeitung, Print, 30. September 2021, S. 12.
- IST Austria Website: Kuratorium. Abgerufen am 3. September 2012.
- IST Austria Website: Forschung. Abgerufen am 28. Oktober 2021.
- IST Austria Jahresbericht 2020, Seite 4