Hun Sen
Samdech Hun Sen (Khmer សម្តេច ហ៊ុន សែន; * 5. August 1952 in Peam Koh Sna, Provinz Kampong Cham) ist ein kambodschanischer Politiker. Er ist seit 2015 Generalsekretär der Kambodschanischen Volkspartei (französisch Parti populaire cambodgien, abgekürzt PPC) und seit 1985 Ministerpräsident. Der Namensteil Samdech wurde ihm 1993 von König Norodom Sihanouk als Ehrentitel verliehen.
Politik
Sen wurde als drittes von sechs Kindern einer Bauernfamilie geboren. Im Alter von 13 Jahren verließ er seine Heimat, um als Schüler in einer buddhistischen Klosterschule in Phnom Penh zu leben. Als Prinz Sihanouk im März 1970 durch Lon Nol gestürzt wurde, schloss er sich der Guerilla der Roten Khmer auf dem Land an. Während des Kambodschanischen Bürgerkriegs wurde er fünf Mal verwundet, wobei er die schwerste Verletzung, die ihn das linke Augenlicht kostete, im April 1975 kurz vor dem Fall der Hauptstadt erlitt, als er ein Bataillon kommandierte. Auf einer von Pol Pot angeordneten Massenhochzeit heiratete er Anfang Januar 1976 Bun Sam Hieng, besser bekannt unter dem Namen Bun Rany, nachdem beide durch Angka angeordnete Ehen ausgeschlagen und auf ihrer Verbindung bestanden hatten, was ein gefährlicher Schritt gewesen war.[1] Noch im gleichen Jahr ging aus der Ehe ein Kind hervor, das kurz nach der Geburt verstarb. Im Juni 1977 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Vietnam und dem „Demokratischen Kampuchea“ drastisch. Als Sen in diesem Monat den Befehl erhielt, vietnamesische Dorfbewohner in der östlichen Verwaltungszone Kambodschas anzugreifen, und er erfuhr, dass 20 seiner Kameraden in den Killing Fields ermordet worden waren, lief er mit 200 seiner Männer zu den Vietnamesen über.[2]
Gegen Ende 1978 gründete Vietnam zur Vorbereitung der Invasion Kambodschas die Vereinigte Bewegung zur Rettung Kambodschas (VBRK), die aus Soldaten und Parteikadern bestand, die vor dem Genozid in Kambodscha und den politischen Säuberungen in den Killing Fields nach Vietnam geflohen waren. Als eine der Führungsfiguren neben Heng Samrin und Chea Sim installierte Hanoi Sen.[3] Nachdem die Vietnamesische Volksarmee im frühen Januar 1979 Pol Pot gestürzt und die Roten Khmer aus der Hauptstadt vertrieben hatte, wurde Sen Außenminister der Volksrepublik Kampuchea. Das genaue Datum seines Eintritts in die Volksrevolutionäre Partei Kambodschas (VRPK) ist nicht bekannt. Im Januar 1985 wurde Sen Premierminister der Volksrepublik Kambodscha und somit Leiter des Ministerrats. Während dieser Zeit bekämpfte er die Roten Khmer, die gemeinsam mit den Anhängern von Sihanouk und Son Sann einen Guerillakrieg gegen Phnom Penh führten und Gebiete im westlichen Grenzgebiet zu Thailand kontrollierten. Nach internationalen Friedensverhandlungen zog sich die Vietnamesische Volksarmee im Jahr 1989 aus Kambodscha zurück, das sich nun offiziell Staat Kambodscha nannte. Am 19. Oktober 1991, vier Tage vor Unterzeichnung der Pariser Friedensverträge, die den zweiten Kambodschanischen Bürgerkrieg beendeten, wurde Sen stellvertretender Parteivorsitzender der VRPK. In der gleichen Sitzung beschloss das Gremium die Umbenennung der VRPK in die PPC. Neue Parteiziele wurden die Schaffung eines Mehrparteiensystems und Unternehmens- sowie Religionsfreiheit, wobei der Buddhismus als Staatsreligion festgesetzt wurde.[4]
1993 erzielte die Partei Hun Sens bei den von den Vereinten Nationen beaufsichtigten Wahlen nur das zweitbeste Wahlergebnis, dennoch wurde er neben Prinz Norodom Ranariddh (dem „ersten Ministerpräsidenten“) zum sogenannten „zweiten Ministerpräsidenten“ ernannt. Vor dem Hintergrund heftiger politischer Auseinandersetzungen zwischen Hun Sen und Prinz Norodom Ranariddh setzte Hun Sen diesen 1997 durch einen Staatsstreich kurzerhand ab und herrschte fortan allein. Auch 2003 misslang der CCP bei der Wahl die Erringung einer Mehrheit und die Bildung einer Regierung. Erst 2004 kam es unter Vermittlung von König Norodom Sihanouk zu einem politischen Kompromiss und zur Bildung einer handlungsfähigen Regierung unter Führung von Hun Sen.
Obwohl Hun Sen bis 1977 Mitglied der Kommunistischen Partei Kampucheas war, haben Nachforschungen ihm bislang keine Verbindungen zu den Morden unter der Herrschaft Pol Pots nachweisen können. Dennoch gilt Hun Sen als Mann ohne Skrupel, der auch vor Morden an politischen Rivalen und Gegnern nicht zurückschreckt. Hun Sen hat enge Verbindungen zum Großunternehmertum, unter anderem zum berüchtigten Tycoon Teng Bunma, welcher die CCP finanziell massiv unterstützte. Trotz seiner korrupten Machenschaften und der Verwicklung in den illegalen Export von Edelhölzern erfreut sich Hun Sen weiterhin großer Unterstützung durch das Ausland, da er als einziger Politiker gilt, der die Kontrolle über Militär, Polizei, Justiz und Verwaltung besitzt und damit eine gewisse Stabilität in Kambodscha zu gewährleisten vermag.
Im Hinblick auf das seit Jahren geplante Internationale Rote-Khmer-Tribunal wird Hun Sen vorgeworfen, die Anklage und Verurteilung der am Genozid in Kambodscha beteiligten Khmer-Rouge-Funktionäre vorsätzlich seit Jahren verzögert zu haben.
„Ich würde dieses Tribunal lieber scheitern lassen, als zu sehen, wie ein neuer Bürgerkrieg in diesem Land ausbricht. Daran gibt es nichts zu rütteln. Das Tribunal soll sich auf die früheren Anführer der Roten Khmer konzentrieren, die bereits angeklagt sind.“
Privatleben
Mit seiner Frau Bun Rany hat er drei Söhne und zwei Töchter. 1988 adoptierte das Paar noch ein 18 Tage altes Mädchen.[6] Über die Familie wird so gut wie nie berichtet.
Literatur
- Markus Karbaum: Kambodscha unter Hun Sen. Informelle Institutionen, Politische Kultur und Herrschaftslegitimität. LIT, Münster 2008, ISBN 978-3-8258-1645-2.
- Harish C. Mehta, Julie B. Mehta: Strongman: The Extraordninary Life of Hun Sen. Marshall Cavendisch, Singapur 2013, ISBN 978-981436-129-3.
- Sebastian Strangio: Hun Sen’s Cambodia. Yale University, New Haven 2014, ISBN 978-0-300-19072-4.
Weblinks
- Hans Christoph Buch: “Sorry, very sorry”. In: Die Zeit. 10/1999, archiviert vom Original am 14. März 2014 .
- Alan Knight: Hun Sen and Democracy. In: mekong.net. 1997 (englisch).
- Samdech Akka Moha Sena Padei Techo Hun Sen. In: Cambodia New Vision. 25. April 2019 (englisch, Biografie).
Anmerkungen
- Harish C. Metha, Julie B. Mehta: Strongman: The Extraordninary Life of Hun Sen. S. 84–86.
- Arthur J. Dommen, Stephen Denney: Hun Sen. In: Paul R. Bartrop, Steven Leonard Jacobs (Hrsg.): Modern Genocide: The Definitive Resource and Document Collection. Band 1. ABC-Clio, Santa Barbara 2015, ISBN 978-1-61069-363-9, S. 500–501, hier: S. 500.
Ben Kiernan: The Pol Pot Regime. Race, Power and Genocide in Cambodia under the Khmer Rouge, 1975–1979. 2. Auflage. Yale University Press, New Haven (CT) 2002. Silkworm Books, Chiang Mai (Thailand) 2005, ISBN 974-9575-71-7, S. 370. - Daniel Chandler: Kampuchea United Front for National Salvation. In: Paul R. Bartrop, Steven Leonard Jacobs (Hrsg.): Modern Genocide: The Definitive Resource and Document Collection. Band 1. ABC-Clio, Santa Barbara 2015, ISBN 978-1-61069-363-9, S. 507.
- Arthur J. Dommen, Stephen Denney: Hun Sen. In: Paul R. Bartrop, Steven Leonard Jacobs (Hrsg.): Modern Genocide: The Definitive Resource and Document Collection. Band 1. ABC-Clio, Santa Barbara 2015, ISBN 978-1-61069-363-9, S. 500–501, hier: S. 500.
- Bernd Musch-Borowska: Plädoyers im ersten Rote-Khmer-Prozess: Urteil gegen Chef-Folterer „Duch“ rückt näher. In: tagesschau.de. 23. November 2009, archiviert vom Original am 26. November 2009; abgerufen am 5. August 2019.
- AP: Cambodian PM cuts ties with gay daughter, TheAge.com.au, 30. Oktober 2007