Hochbunker Poppelsdorf
Der Hochbunker im Bonner Ortsteil Poppelsdorf wurde 1941 errichtet. Er diente im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker, wurde nach dem Krieg als Studentenwohnheim genutzt, während des Kalten Krieges instand gehalten und ist seit dem Jahr 2006 Fundament für ein Wohngebäude. Der Bunker liegt an der Trierer Straße 24 und steht seit 1995[1] als Baudenkmal unter Denkmalschutz.[2]
Geschichte
Bei der Bunkerplanung im Jahr 1940 war Bonn in die Liste der 61 „Luftschutzorte 1. Klasse“ des Führer-Sofortprogramms zur Errichtung von Luftschutz-Sonderbauten aufgenommen worden.[3] In Bonn und Beuel wurden 14 Schutzgroßbauten vom Reich finanziert. Damit sollten der Bevölkerung wenigstens 12.000 Plätze in der höchsten Schutzkategorie zur Verfügung stehen. Nach der Umwidmung von Liege- zu Sitzplätzen im Jahr 1944 erhöhte sich die Zahl auf 15.000. Fünf Bunkeranlagen waren Mitte 1941 fertiggestellt, die restlichen bis Jahresende. Die Bauzeit betrug je etwa 6 Monate. Ein Drittel der eingesetzten Bauarbeiter waren französische Kriegsgefangene aus dem Stalag VI G in Bonn-Duisdorf.[3]
Der Bunker an der Trierer Straße ist ein dreigeschossiger Hochbunker, der in den Hang des Kreuzbergs hineingebaut wurde. Er ist 20 Meter tief; an der rückwärtigen Seite wurden außerdem zwei je 44 Meter lange Stollen in den Hang getrieben. Luftschutzstollen erzeugten kostengünstigeren Schutzraum als Betonbunker, die darüberliegende Erdschicht musste zwischen 6 und 15 Metern betragen; neben dem Bunker in Poppelsdorf wurden solche Hangstollen auch beim Dransdorfer Krankenhausbunker gegraben.[3] Die Poppelsdorfer Stollen haben eine Breite von 3,50 Meter und verfügen über 60 cm starke Ziegelmauern. Heute nicht mehr vorhandene Zellen unterteilten die Stollen.[1] Der Bunker selbst hat bis zu 4,70 Meter starke Stahlbetonwände und 1,40 Meter starke Decken.[4] Er verfügte insgesamt über 105 Liege- und 724 Sitzplätze.[1] Der Bunker blieb während des alliierten Luftkriegs unversehrt.[5]
Studentenwohnheim
Nach dem Krieg wurde der Bunker nicht gesprengt, da hier im Falle einer erneuten militärischen Auseinandersetzung die Bonner Stadtverwaltung untergebracht werden sollte.[5] Kurz nachdem die Bonner Universität wieder ihren Betrieb aufgenommen hatte, wurde der Bunker als Studentenwohnheim umgenutzt. Spätestens ab 1948[4] lebten männliche Studenten in der „Wohngemeinschaft Poppelsdorf e. V.“[6] Studentenwohnheime gab es damals kaum.[7] In Bonn wurden drei Bunker als Wohnheime für Studenten genutzt, neben dem Poppelsdorfer waren das die Bunker in Beuel (Auf der Schleide) und an der Bonner Theaterstraße. Sie stellten kulturhistorisch ein Bonner Kuriosum dar; nur in Münster und Mannheim gab es weitere „Studentenbunker“.[8] Die Bunker wurden von den Bewohnern selbst verwaltet.
Die Studenten lebten im Poppelsdorfer Bunker in Ein- oder Zweibettzellen, Examenskandidaten bekamen die beliebteren Einzelzellen zugewiesen. Es gab einen Waschraum für alle Bewohner. Die Miete in dem fensterlosen Bunker war niedrig, sie betrug zwischen 8 und 15 DM im Monat (umgerechnet auf heutige Verhältnisse etwa 22 bis 41 Euro).[6] Die natürliche Temperatur in dem Gebäude lag jahreszeitenunabhängig bei acht bis zehn Grad Celsius, weshalb regelmäßig warme Luft durch die Lüftungsrohre geblasen wurde und viele Studenten ganzjährig elektrische Heizöfen betrieben.[4] Den Strom mussten sich die Bewohner von den Hauptleitungen in den Fluren selbst in ihre Zimmer legen. Damenbesuch war laut Hausordnung zwischen 23 Uhr und acht Uhr morgens nicht gestattet.[6] Im Sommer fanden auf dem Bunkerdach manchmal Tanzveranstaltungen statt.[9]
Anfang der 1950er Jahre begannen die Stadt Bonn und das Studentenwerk die Nutzung der Bunker als Wohnheim zu kritisieren; in der Folge kam es mehrfach zu Protesten gegen angekündigte Räumungen.[6] Auch die Poppelsdorfer Bunkergemeinschaft widersetzte sich Bestrebungen, den Bunker zu räumen, und wandte sich an den AStA mit der Bitte um Unterstützung. Vertreter in den Verhandlungen mit der Stadt war Arno Müller. Eine vom Studentenwerk und dem AStA im Jahr 1952 gegründete „Bunkerkommission“ stellte fest, dass viele Bewohner auch weiterhin in dem Bunker leben wollten, eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt könne man sich nicht leisten. Im Oktober 1952 wohnten 270 Studenten in den drei Bonner Bunkern.[8]
Hausfundament
Bis in die 2000er Jahre nutzte dann das Technische Hilfswerk den Bunker zur Lagerung von Einsatzmitteln sowie für Katastrophenschutzübungen. Sanitär-, Heizungs- und Lüftungsanlagen wurden in der Zeit instand gehalten.
Im Jahr 2006 erhielt der Immobilienentwickler Rheinvest GmbH & Co KG die Erlaubnis, das Bunkerdach zu bebauen.[10] Der Entscheidung waren jahrelange Diskussionen in der Bonner Bürgerschaft zu einer zukünftigen Nutzung des Gebäudes vorausgegangen.[11] Ein von Rheininvest vorgelegter Entwurf des Bonner Architektenbüros Scherfarchitekten (Architekt: Raimund Restle) zur gleichzeitigen Bebauung des Bunkerdaches sowie einer Lücke rechts neben dem Bunker mit einem sechsgeschossigen (fünf Geschosse plus Staffelgeschoss) Haus mit zehn Eigentumswohnungen (Größe: 40 bis 100 Quadratmeter) wurde vom Bauordnungsamt und vom Denkmalamt akzeptiert. Auf dem Bunkerdach sollten zwei dazu passende, exklusive, zweigeschossige Doppelhaushälften mit je 180 Quadratmeter Wohnfläche entstehen.[10] Die Stadt behielt sich bei Vertragsabschluss ein Nutzungsrecht für die Schutzräume vor; die Zivilschutzfunktion muss von den neuen Eigentümern erhalten werden.[12]
Das Apartmenthaus sowie die Bunkerbebauung wurden von der Trierer Straße aus errichtet. Das Tiefbauunternehmen S+H aus Neustadt-Wied verfestigte den Hang vor Baubeginn in der Methode Berliner Verbau mit bis zu acht Meter tiefen Armierungen.[10] Der Zugang zu den auf dem Bunker stehenden Haushälften erfolgt über den direkt hinter dem Bunker am Hang liegenden Wallfahrtsweg. Die Haustüren des Flachdachgebäudes liegen im Obergeschoss, das auf dem größeren Untergeschoss steht. In der Außenfassade des in Niedrigenergiebauweise errichteten Gebäudes befinden sich Gussglaselemente.[13] Vom Bunkerdach bleiben vier Meter zur Straßenseite, die zur Anlage einer Terrasse genutzt wurden. Zum Wallfahrtsweg hin liegt der Garten. Der Bunker erhielt einen sandfarbenen Anstrich.[10] Nach Verkauf und Bezug der Doppelhaushälften auf dem Bunkerdach erhielten die Neueigentümer auch die Nutzungsrechte für das Innere des Bunkers.[5]
Im Jahr 2016 wurde bekannt, dass das Flachdach des Doppelhauses auf dem Bunker einsturzgefährdet ist. Anders als ursprünglich geplant hatte der Bauträger statt eines Betondaches ein Holzdach gebaut. Die Holzschalung war nach Meinung eines Gutachters verrottet, sodass Wasserschäden in den Wänden entstanden seien. Die 165 Quadratmeter große Dachfläche sei nicht sanierbar, sondern müsse komplett neu errichtet werden. Die Schäden führten zu einem Streit zwischen Eigentümern und Bauträger. Vor dem Landgericht wurde ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet. Darüber hinaus stellten die Eigentümer Strafanzeige wegen Betruges gegen den Bauträger. Der verwies auf die beim Bau unbekannte Tragfähigkeit des Bunkerdaches, weshalb man sicherheitshalber eine leichtere Konstruktion in Holz gewählt habe.[14]
Weblinks
- Historische Aufnahme des Bunkers, vermutlich aus den 1950er Jahren, Universitätsarchiv Bonn[15]
- Historische Aufnahme des Eingangs zum „Studentenbunker“, 1950er Jahre, Universitätsarchiv Bonn[15]
- Foto des Bunkers im Jahr 2010, in: Kneipe, Galerie, Wohnung Was wird aus den 20 Bonner Bunkern?, 23. September 2010, Express (Ausgabe Bonn)
Einzelnachweise
- Zeitzeugen im Bunker (Mai 2006), Kolpingsfamilie Bonn-Poppelsdorf e.V., Fotos und Berichte aus dem Vereinsleben, via: www.poppelsdorf.de, 27. Februar 2007
- Denkmalliste der Stadt Bonn (Stand: 15. Januar 2021), S. 54, Nummer A 3186
- Bonn im Bombenkrieg 1939-1945, Portal Rheinische Geschichte, Landschaftsverband Rheinland
- Rolf Kleinfeld, Überleben im Poppelsdorfer Studentenbunker, 25. März 2011, Bonner General-Anzeiger
- Dimitri Soibel, Familienwohnheim mit großem Keller: Frau Storck hat einen Bunker zu vermieten, 14. Februar 2011, Express (Ausgabe Bonn)
- Die im Bunker wohnen ...: Studentenherrlichkeit in trübem Glanz – Den Anschluß verpaßt?, 4. Mai 1962, Die Zeit
- Waldemar Krönig und Klaus-Dieter Müller, Nachkriegs-Semester: Studium in Kriegs- und Nachkriegszeit, Veröffentlichung der HIS Hochschul-Informations-System GmbH, ISBN 978-3-51505-5-970, Franz Steiner Verlag, 1990, S. 184
- Christian George, Studieren in Ruinen: Die Studenten der Universität Bonn in der Nachkriegszeit (1945–1955), Band 1 von: Bonner Schriften zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, ISBN 978-3-86234-1-115, Vandenhoeck & Ruprecht, 2010, S. 204f.
- Ein Blick auf fast 200 Jahre Studieren in Bonn, Pressemitteilung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 12. April 2011
- Richard Bongartz, Auf dem Bunker wächst ein Doppelhaus, 31. März 2006, Bonner General-Anzeiger
- Wohnen auf dem Bunker, Website des Bonner Architekturbüros Scherfarchitekten.
- Holger Willcke, Weltkriegsbunker: Geheimtüren noch nicht gefunden, 24. Juni 2010, Kölner Stadt-Anzeiger
- Website der Rheinvest GmbH & Co. KG
- Rolf Kleinfeld, Poppelsdorfer Bunker: Haus auf dem Dach ein Sanierungsfall, 14. April 2016, Bonner General-Anzeiger
- Christian George, Der Neubeginn der Universität Bonn nach 1945, S. 13/14