Hildegard Trabant
Hildegard Johanna Maria Trabant[1], geborene Pohl, (* 12. Juni 1927 in Berlin; † 18. August 1964 ebenda) war ein Todesopfer an der Berliner Mauer. Bei einem Fluchtversuch wurde sie von zwei Angehörigen der Grenztruppen der DDR im Bereich der damals unterbrochenen Berliner Ringbahn zwischen den Bahnhöfen Schönhauser Allee (Ost-Berlin) und Gesundbrunnen (West-Berlin) entdeckt und durch einen Schuss tödlich verletzt.
Leben
Trabant wuchs in Berlin auf. In der DDR gab sie sich regimetreu; sie trat im Jahr der Gründung der DDR der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands als aktives Mitglied bei. Zusammen mit ihrem Mann, Günter Horst Trabant[1], einem Volkspolizisten, den sie im Jahr 1954 geheiratet hatte, lebte sie in Berlin-Friedrichshain an der Tilsiter Straße 64 (heute Richard-Sorge-Straße 64)[2][3] und arbeitete bei einer kommunalen Wohnungsverwaltung, bei der sie eine leitende Funktion als Hausverwalterin[4] innehatte. Die Ehe war kinderlos, da sie wegen einer Unterleibsoperation unfruchtbar geworden war.[5] Die Gründe, die die 37-Jährige im August 1964 zur Flucht bewogen, lagen vermutlich im privaten Bereich. Zwischen Hildegard Trabant und ihrem Ehemann kam es in der Vergangenheit zu heftigen Auseinandersetzungen, inkl. Misshandlung und Körperverletzung. Im Februar 1964 wurde der VP-Angehörige deshalb von seinen Vorgesetzten zur Rede gestellt. Zur Zeit ihres Todes war ihre Mutter schon tot, ihr Vater war in einem Pflegeheim in West-Berlin, und mit Ausnahme eines Günter Pohl in Marl-Drewer, Kreis Recklinghausen hatte sie keine anderen Verwandten.[6][7][8]
Fluchtversuch
Am 18. August 1964 berichtete Günter Trabant in seinem Büro, dass er seine Frau seit 7.00 Uhr am Vortag, 17. August 1964[6] nicht gesehen hat, und dass einige ihrer Kleider fehlten[4]. Auch am 18. August 1964 um 18:50 Uhr versuchte sie, über ein stillgelegtes S-Bahn-Gelände nach West-Berlin zu fliehen. Nachdem sie die Hinterlandsicherungsmauer bereits unbemerkt überwunden hatte, wurde sie von zwei Posten entdeckt, als sie sich hinter Sträuchern versteckte. Nach Ansprache sprang sie auf und rannte zurück in Richtung Ost-Berlin. Nach einem Warnschuss gab einer der Posten einen gezielten Schuss auf sie ab, der sie im Rücken traf. Getroffen brach sie zusammen und wurde in das Volkspolizei-Krankenhaus verbracht. Dort verstarb sie eine Stunde später.
Unter Anwesenheit seines Vorgesetzten informierten Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) den Ehemann der Verstorbenen am nächsten Tag. Er wurde in Anwesenheit seiner Vorgesetzten befragt, warum seine Frau einen Fluchtversuch unternommen hatte. Angaben dazu konnte oder wollte er im Verlauf des Gesprächs offenbar nicht machen.[7] Sie verpflichteten ihn, über die Umstände des Todes Stillschweigen zu bewahren.
Beerdigung
Auch die Einäscherung, und die anschließende Beerdigung am 23. September 1964[3] auf dem Frieden-Himmelfahrt-Friedhof (heute Evangelischer Friedhof Nordend), nördlich von Pankow in Rosenthal organisierte das MfS. Die Absicht der Behörde war es, möglichst wenige Informationen über den Tod und seine Umstände in die Öffentlichkeit geraten zu lassen, um so zu verhindern, dass der Tod im Westen bekannt wurde. Sie wurde in einem linearen Grab begraben. Ihre Ruhezeit war 1984 abgelaufen, und dieser besondere Teil des Friedhofs wurde neu arrangiert. Ihre Urne ist noch da, wie alle Urnen, die dort begraben sind, aber sie befindet sich jetzt unter einer anderen Grabzahl und unter einem anderen Namen auf dem Grabstein. Früher war ihre Grabzahl UH Him - 234a. Die "neue" Grabzahl ist UH Him - B102.[3] Von allen Berliner Maueropfern, die als Flüchtlinge klassifiziert wurden, war sie wahrscheinlich die einzige, die loyal zum DDR-Regime stand.[7]
Nachwirkung
Anders als bei vielen anderen Todesfällen an der Berliner Mauer blieb der Tod von Hildegard Trabant in Westberlin völlig unbemerkt. Erst im Oktober 1990 nahm die Staatsanwaltschaft in Berlin Ermittlungen zu Trabants Tod auf. Vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Berlin wurde im Jahr 1997 Anklage gegen den zum Tatzeitpunkt jugendlichen Schützen erhoben. Die meisten anderen Mauerschützenprozesse fanden zwischen 1994 und 1995 statt. Am 10. Juni 1998 verurteilte das Gericht den geständigen Schützen zu einer Bewährungsstrafe von 21 Monaten. Auch im Gegensatz zu fast allen anderen Todesfällen an der Berliner Mauer war es offensichtlich, dass sie, als sie tatsächlich erschossen wurde, ihren Versuch schon aufgegeben hatte, Ost-Berlin zu entkommen, und zur Hinterlandmauer zurücklief, um ihre Inhaftierung zu vermeiden.[7]
Literatur
- Christine Brecht: Hildegard Trabant. In: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989. Links, Berlin 2009, S. 165–167.
Weblinks
Einzelnachweise
- Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, Ministerium für Staatssicherheit, Datei AS 754/70, Bd. II, Nr. 7, Bl. 29
- Annett Gröschner: Aus Anderer Sicht / The Other View. Hatje Cantz, 2011, ISBN 978-3-7757-3207-9, S. 625
- Seite 48 der Registrierung vom Friedhof Nordend, Berlin-Rosenthal
- Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, Ministerium für Staatssicherheit, Datei AS 754/70, Bd. II, Nr. 7, Bl. 6
- Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, Ministerium für Staatssicherheit, Datei AS 754/70, Bd. II, Nr. 40, Bl. 5
- Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, Ministerium für Staatssicherheit, Datei AS 754/70, Bd. II, Nr. 7, Bl. 5
- Kurzporträt von Hildegard Trabant auf chronik-der-mauer.de
- Bericht der DDR-Grenztruppen über den Fluchtversuch und die Erschießung>