High Speed 2
High Speed 2, kurz HS2, ist der Projektname einer geplanten und teilweise im Bau befindlichen britischen Eisenbahnschnellfahrstrecke. Der erste Projektabschnitt umfasst die Strecke vom Londoner Bahnhof Euston nach Birmingham (Phase 1). Daran schließen sich zwei Streckenäste an, die in Richtung Manchester bzw. Leeds führen (Projektphasen 2A und 2B). Es wird die zweite Schnellfahrstrecke in Großbritannien, nach der 2003 (teilweise) bzw. 2007 (vollständig) eröffneten High Speed 1. 2020 wurde mit dem Bau der ersten Teilabschnitte begonnen.
London–Manchester/Leeds | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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blau – Phase 1 der geplanten Strecke rot – Phase 2 der geplanten Strecke | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | nach[1]: London–Birmingham: 220 km Birmingham–Crewe: 69 km Crewe–Manchester: 82 km Birmingham–Leeds: 198 km | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stromsystem: | 25 kV 50 Hz ~ | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Höchstgeschwindigkeit: | Trassierung: 400 km/h Ausbau: 360 km/h | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Verlauf
Die Strecke wird von London-Euston nach Birmingham führen und sich dort in zwei Äste teilen: Der westliche Ast führt über Liverpool nach Manchester. Der östliche Ast soll über die East Midlands und South Yorkshire nach Leeds führen. Die Reisezeiten von diesen Orten nach London sollen sich gegenüber 2011 in etwa halbieren.[3] Die Streckenlänge von London nach Birmingham wird ca. 140 Meilen (225 km) betragen; das gesamte Y-förmige Streckennetz wird mit rund 330 Meilen (531 km) angegeben.[4]
Geschichte
Im Januar 2009 gründete die britische Regierung die Projektgesellschaft High Speed Two Ltd. Diese sollte bis zum 31. Dezember 2009 eine bis auf ± 25 Meter genaue Trasse mit einer Gradientengenauigkeit von ± 0,5 Meter vorlegen.[5] In einem ersten Schritt soll die 220 km lange Strecke London–Birmingham realisiert werden. Nach Fertigstellung dieses Abschnittes sollen in einem weiteren Schritt die Städte Leeds, Manchester und Glasgow angebunden werden. Die Strecke soll die jetzige Hauptstrecke West Coast Main Line entlasten.
Wäre der Beschluss zum Bau der Strecke im 1. Quartal 2010 gefallen, hätten die Planungen bis Mitte 2016 ausgearbeitet und genehmigt werden sollen. Darauf sollte eine sechsjährige Bauzeit (vom 4. Quartal 2017 bis zum 3. Quartal 2023) folgen, die Inbetriebnahme war für Mitte 2025 geplant.[5]
2011 wurde mit der Inbetriebnahme des ersten Abschnitts (bis Birmingham) für das Jahr 2026 gerechnet. Die vollständige Inbetriebnahme der Y-Lösung wurde für die Jahre 2032 und 2033 geplant.[6]
Am 24. September 2015 begann die Präqualifikationsphase für die Bauaufträge der ersten Tranche. Die sieben zu vergebenden Aufträge umfassen ein Gesamtvolumen von voraussichtlich 11,8 Milliarden Britischen Pfund. Die Vergabe der zweiten Tranche sollte 2016[veraltet] beginnen, die dritte Tranche (zur Bahntechnik) 2017[veraltet] folgen. Der Baubeginn war für 2017[veraltet] geplant, die Fertigstellung für 2026.[7]
Ende November 2015 kündigte Schatzkanzler George Osborne an, dass die Weiterführung der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Birmingham nach Manchester und Crewe bereits 2027 statt 2033 fertiggestellt werden soll. Die Reisezeiten nach London sollen sich um 35 bzw. 40 Minuten verkürzen.[8] Im Laufe des Jahres 2016[veraltet] sollten Aufträge für bauvorbereitende Maßnahmen der ersten Projektstufe im Umfang von 900 Millionen Pfund vergeben werden.[9] Das Vorhaben ist seit 2017 gesetzlich verankert. 2018 begannen die Bauarbeiten mit der Räumung erster Flächen in London und Birmingham.[10]
Am 11. Februar 2020 verkündete Premierminister Boris Johnson die Entscheidung seiner Regierung, das Projekt endgültig umzusetzen. Damit ist die erste Phase (bis Birmingham) gesichert und finanziert, die Inbetriebnahme in Stufen zwischen 2028 und 2031 geplant.[10]
Vor Baubeginn werden umfangreiche archäologische Untersuchungen an der zukünftigen Trasse vorgenommen. Die Ausgrabungen für die Phase 1 fanden an insgesamt 60 Stellen der geplanten Bahnverbindung statt und wurden im November 2018 begonnen; bis 2020 sollten sie abgeschlossen sein. Der leitenden Archäologin Helen Wass zufolge handelt es sich vermutlich um die größte Ausgrabung Europas.[11]
Etappierung
Nach Stand der Planung anfangs 2020 wird zuerst die Strecke von London nach Birmingham gebaut. In der Phase 2A soll die Verlängerung bis Crewe folgen. Diese Phase hat am 11. Februar 2021 die Royal Assent erhalten, der Baubeginn ist für 2024 geplant.[12] Der Ausbau bis Manchester und die Strecke Birmingham–Leeds sind der Phase 2B zugeordnet. Eine Studie von Douglas Oakervee, dem ehemaligen Vorsitzenden der Projektgesellschaft High Speed Two empfahl, für die Phase 2B die kostengünstigere Variante eines Streckenausbaus anstelle einer neuen Schnellfahrstrecke zu untersuchen.[13]
Phase | Strecke | Länge | geplante
Fertigstellung[14] |
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Phase 1 | London Euston–Birmingham Curzon Street | 220 km | 2028–2031 |
Phase 2A | Birmingham–Crewe | 69 km | 2031–2035 |
Phase 2B | Crewe–Manchester
Birmingham–Leeds |
82 km 198 km |
2035–2040 |
Im Rahmen eines Ende 2021 vorgelegten Integrated Rail Plan wurde die Phase 2B redimensioniert.[15] Der östliche Ast des Y wird nur bis zur Station East Midland Parkway gebaut werden, und dort in die Midland Main Line eingefädelt, die ausgebaut und elektrifiziert wird.[16]
Ausbau
Die Bahnstrecke soll in Normalspur errichtet und für eine Entwurfsgeschwindigkeit von bis zu 400 km/h ausgelegt werden. Zu Beginn sollen die Züge mit 360 km/h verkehren.[17] Die Weichen der Strecke sollen im abzweigenden Strang mit bis zu 230 km/h befahren werden können.[18] Um Kosten einzusparen wurde 2019 empfohlen, die Streckenkapazität von 18 Zügen pro Stunde auf 14 zu reduzieren.[1]
Auf etwa 11 Prozent ihrer Länge soll die Strecke im Tunnel verlaufen. Dazu zählen unter anderem weite Teile Londons und Abschnitte in der hügeligen Region Chiltern.[19]
Im Dezember 2020 wurde der Auftrag über 453 km Feste Fahrbahn des Systems “Slab Track Austria” an Porr vergeben.[20]
Kostenschätzungen
Die Baukosten wurden zu Beginn auf ca. 34 Mrd. £ geschätzt. Hierbei war eine mögliche Verbindung mit der High Speed 1 nicht einkalkuliert. Das Projekt sollte über einen Zeitraum von 60 Jahren einen volkswirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Faktor zwischen 1,6 und 2,0 erreichen.[17]
Im Jahr 2015 kam ein Ausschuss des britischen Oberhauses auf 56 Milliarden Pfund Sterling.[21] Mangels nennenswerter Bautätigkeit wurde diese Schätzung bis 2019 nicht revidiert.[22] Im September informierte Allan Cook, der Vorsitzende der Projektgesellschaft, dass die Kosten statt 62,4 Mrd. £ wohl eher 20 % höher bei 81 bis 88 Mrd. £ liegen würden.[13]
Ende 2019 lagen die geplanten Kosten bei mehr als 106 Milliarden Pfund Sterling, was beinahe das Doppelte der 2015 veranschlagten Kosten darstellt.[1] Zu Kostensteigerungen führte unter anderem die Anforderung der britischen Regierung, wonach die Auftragnehmer das wirtschaftliche Risiko sämtlicher Bauverspätungen tragen sollen. Das Vorhaben soll größtenteils über Anleihen finanziert werden, die durch zukünftiges Wirtschaftswachstum und gesteigerte Produktivität in den von der HS2 profitierenden Regionen refinanziert werden soll. Die Kosten eines Projektabbruchs wurden mit zwölf Milliarden Pfund Sterling beziffert.[10]
Kosteneinsparungen werden durch verminderte Leistungsanforderungen (14 statt 18 Züge pro Stunde und Richtung) sowie eine von 400 km/h auf 360 km/h reduzierte Entwurfsgeschwindigkeit erwartet.[10]
Reisezeitentwicklung
Die Reisezeit von London nach Birmingham würde sich von heute 82 auf 49 Minuten verkürzen. Nach Fertigstellung der Abschnitte nach Liverpool, Leeds und Manchester wären diese Städte in 80 bis 96 Minuten von London aus erreichbar, 30 bis 60 Minuten schneller als heute. Züge von London in die beiden größten schottischen Städte Glasgow und Edinburgh bräuchten nach einem Vollausbau nur noch 2 Stunden und 40 Minuten statt heute 4 1⁄2 Stunden.
Geplante Fahrzeuge
Es wurde überlegt, ob mit zwei verschiedenen Fahrzeugtypen auf dieser Bahnstrecke gefahren wird:
- Mit dem engeren britischen Lichtraumprofil kompatible Fahrzeuge, die auch auf vorhandenen Strecken verkehren können.
- Fahrzeuge mit größerem Lichtraumprofil, eventuell auch Doppelstockzüge, die allerdings dadurch nur auf der Schnellfahrstrecke verkehren können.
Die Züge sollen eine Geschwindigkeit von 362 km/h (225 mph) fahren, 200 m lang und doppeltraktionsfähig sein.
Bei der Ausschreibung, die 2017 startete, entschied man sich für Züge, die für das britische Profil neu entwickelt werden. Für die Phase 1 des Betriebs sollen 54 Züge von 400 Meter Länge mit über 1000 Sitzplätzen beschafft werden. Im November 2017 wurden fünf bevorzugte Bieter benannt, die 2018 die Ausschreibungsunterlagen erhielten.[23] Im Juni 2019 lagen die Angebote vor seitens:[24]
- Alstom Transport
- Bombardier Transportation (im Januar 2021 von Alstom Transport übernommen.[25]), gemeinsam mit Hitachi Rail Europe
- Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles
- Patentes Talgo
- Siemens Mobility
Im Dezember 2021 erhielt das Konsortium aus Alstom und Hitachi den Zuschlag.[26] Zuvor hatten Talgo und Siemens die beabsichtigte Vergabe gerügt.[27] Die bestellten Züge sollen 15 % leichter sein und 30 % mehr Sitzplätze bieten als der seit 2015 in Italien verkehrende Frecciarossa-1000-Hochgeschwindigkeitszug, der ebenfalls von Hitachi und Alstom gefertigt wird.[28] Die Züge für HS 2 werden in Fabriken beider Konzerne in England gebaut.[26] Frühestens 2027 werden die ersten Triebzüge vom Band rollen und könnten zwei bis sechs Jahre später erstmals Passagiere mit Tempo 362 km/h (225 mph) befördern.[29]
Verbindung mit der High Speed 1
Eine Verbindung zur High Speed 1 wurde erwogen, aber nach Prüfung ab Ende 2015 nicht mehr weiter verfolgt. Stattdessen wird eine Fußgängerverbindung zur Verbindung der beiden rund einen Kilometer entfernten Endbahnhöfe (St Pancras und Euston) geprüft.[30] Die beiden Stationen sind darüber hinaus durch die Londoner U-Bahn verbunden. Im Rahmen von Crossrail 2 ist eine Station geplant, die quer zwischen beiden Bahnhöfen liegen soll.
Eine Studie des Ingenieurbüro Arup schätzte die Kosten für eine eingleisige Verbindung auf 458 Mio. £, eine zweigleisige Verbindung auf 812 Mio. £ und eine Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen beiden Schnellfahrstrecken auf 3,6 Mrd. £, Empfehlung der Studie war die zweigleisige Verbindung.
Weblinks
Einzelnachweise
- HS2 could cost up to £106bn, draft review finds. In: International Railway Journal. 20. Januar 2020, abgerufen am 11. April 2020 (englisch).
- HS2 (Hrsg.): HS2 Chairman’s Stocktake. August 2019, S. 9 (gov.uk [PDF]).
- Hammond launches HS2 consultation. In: Modern Railways. Bd. 68, Nr. 751, 2011, ISSN 0026-8356, S. 44 f.
- Projects; High Speed 2 (HS2) Railway, UK. Timeline of the HS2’s developments and total line length. In: Railway Technology. Mai 2020, abgerufen am 25. August 2021.
- Roger Ford: HS2 route expected to be published before election. In: Modern Railways. Bd. 66, Nr. 735, 2009, ISSN 0026-8356, S. 26, 28.
- Gordon Pettitt: Why we need HS2. In: Modern Railways. Bd. 68, Nr. 751, 2011, ISSN 0026-8356, S. 46–51.
- High Speed 2 civils tendering. In: Railway Gazette International. Band 171, Nr. 11, 2015, ISSN 0373-5346, S. 7 (unter anderem Titel online).
- HS2-Anbindung früher fertig als geplant. In: Der Eisenbahningenieur. Band 65, Nr. 1, 2016, ISSN 0013-2810, S. 60.
- Intelligence Market. In: Railway Gazette International. Band 172, Nr. 1, 2016, ISSN 0373-5346, S. 16 f. (unter anderem Titel online).
- Grünes Licht für „High Speed 2“ in Grossbritannien. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 4, April 2020, ISSN 1421-2811, S. 184.
- Die größte archäologische Ausgrabungsstätte Europas. Deutschlandfunk Nova vom 10. Januar 2019, abgerufen am 21. Januar 2019.
- In brief. In: International Railway Journal. März 2021, S. 9.
- HS2 update: 3 September 2019. Abgerufen am 11. April 2020 (englisch).
- Government to give High Speed 2 the go-ahead. In: BBC News. 11. Februar 2020 (bbc.com [abgerufen am 12. April 2020]).
- Integrated Rail Plan cuts HS2 and NPR scope. In: Modern Railways. Nr. 1, Januar 2022, ISSN 0026-8356, S. 8 f.
- UK unveils new Integrated Rail Plan for Midlands and the North. In: Railway Technology. 18. November 2021, abgerufen am 7. Januar 2022 (englisch).
- John Glover: High speed rail summit. In: Modern Railways. Bd. 68, Nr. 751, 2011, ISSN 0026-8356, S. 52–59.
- das Vereinigte Königreich-Birmingham: Eisenbahnmaterial. In: Tenders Electronic Daily. 18. Dezember 2020, abgerufen am 27. Dezember 2020.
- Tunnels on HS2. In: Modern Railways. Bd. 68, Nr. 751, 2011, ISSN 0026-8356, S. 71.
- Ivana Avramovic: Designing slab track for a 360 km/h railway. In: Railway Gazette International. Band 177, Nr. 10, Oktober 2021, ISSN 0373-5346, S. 22–26.
- House of Lords, Economic Affairs Committee: The Economics of High Speed 2. 10. März 2015.
- Building news desk: A timeline of the latest HS2 news. Building, 23. Juli 2019.
- Großbritannien: Fünf Firmen im Bieterverfahren um Hochgeschwindigkeitszüge. EurailPress, 3. November 2017, abgerufen am 7. Oktober 2020.
- High Speed 2 rolling stock bids submitted. railwaygazette.com, 5. Juni 2019, abgerufen am 8. Oktober 2020 (englisch).
- dpa: Alstom schließt Megafusion mit Bombardier-Zugsparte ab. In: onvista.de. 29. Januar 2021, abgerufen am 19. April 2021.
- HS2 Ltd awards landmark rolling stock contracts to Hitachi-Alstom joint venture. High Speed Two Ltd, 9. Dezember 2021, abgerufen am 13. Dezember 2021 (englisch).
- Roger Ford: Siemens challenges HS2 train contract award. In: Modern Railways. Dezember 2021, ISSN 0026-8356, S. 30–33.
- Hitachi and Alstom win order to build and maintain High Speed Two trains in Britain. In: alstom.com. Alstom, Hitachi, 9. Dezember 2021, abgerufen am 8. Januar 2022 (englisch).
- HS2 agrees £2bn deal to build UK's fastest trains. In: bbc.com. 9. Dezember 2021, abgerufen am 9. Januar 2022 (englisch).
- Link dropped. In: Railway Gazette International. Band 172, Nr. 2, 2016, ISSN 0373-5346, S. 26 f.