Heizkraftwerk Jena
Das Heizkraftwerk Jena befindet sich in Winzerla im Süden von Jena. Es wurde im Jahre 1969 errichtet, nachdem der Ministerrat der DDR 1965 beschlossen hatte, dass wegen des Ausbaus der Zeiss-Werke und des damit verbundenen Anstiegs der Bevölkerung, vor allem durch den neuerrichteten Stadtteil Neulobeda, ein eigenes Kraftwerk in Jena gebaut werden sollte. Die Grundsteinlegung erfolgte am 17. April 1968. Zu seiner Fertigstellung bestand es aus einem Heizkraftwerk, einem Umspannwerk und einem 8-geschossigen Mehrzweckgebäude. Das Investitionsvolumen betrug 200 Millionen Mark.[2]
Heizkraftwerk Jena | |||
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Lage | |||
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Koordinaten | 50° 53′ 50″ N, 11° 35′ 10″ O | ||
Land | Deutschland | ||
Daten | |||
Typ | Heizkraftwerk | ||
Primärenergie | Fossile Energie | ||
Brennstoff | Erdgas, Heizöl | ||
Leistung | 197 Megawatt elektrisch[1] 225 Megawatt thermisch[1] | ||
Betreiber | Thüringer Energie AG[1] | ||
Projektbeginn | 1969 | ||
Betriebsaufnahme | 1972 | ||
Schornsteinhöhe | 185 m zweiter Schornstein (2019 abgebrochen): 225 m |
Das Heizkraftwerk Jena wurde nach der Inbetriebnahme 1972 mit schwerem Heizöl betrieben. Während der weltweiten Ölkrise baute man es ab 1979 teilweise auf den einheimischen Energieträger Braunkohle um; die Ölkessel wurden nur noch bei hohem Wärmebedarf (Außentemperatur unter −5 °C) und als Reserve benutzt. Für die Abgasreinigung erhielt das Kraftwerk eine Entstaubungsanlage, jedoch keine Rauchgasentschwefelung. Pro Jahr wurden rund 800.000 Tonnen Kohlendioxid und 18.000 Tonnen Schwefeldioxid ausgestoßen[3]. Die Kohleverbrennung erforderte den Bau des zweiten großen Schornsteines (225 Meter), um die Stadt und das Saaletal nicht direkt mit den Schadstoffen der Braunkohle zu belasten[4]. Während bei der Ölfeuerung ein einfaches Anschlussgleis vom Bahnhof Göschwitz her genügt hatte, wurde für den Antransport der Braunkohle eine umfangreiche Anschlussbahn mit Abstellgleisen, Auftauhalle und Entladungseinrichtungen für alle gängigen Typen offener Güterwagen gebaut. Die Asche wurde per Bahn von einer Verladeanlage an der Lobedaer Straße in die Wismut-Bergbauregion bei Gera transportiert, um dort als Versatzmaterial zu dienen. Der Betrieb erfolgte mit Dampfspeicherlokomotiven, nur ersatzweise mit einer Diesellok der DR-Baureihe V 60.
Nach der politischen Wende in der DDR wurde die Gasversorgung von Stadtgas auf das energiereichere Erdgas umgestellt, und die aufwändige Kohleverbrennung konnte eingestellt werden. Der letzte Kohlezug erreichte das Kraftwerk am 20. Juni 1994[5]. Nach Verbrauch des Kohlevorrates wurde das Kraftwerk teilweise stillgelegt und am 16. September 1996 nach zweijährigem Umbau auf Erdgas und Probebetrieb offiziell wieder in Betrieb genommen. Seitdem zählt es als größtes Dampfkraftwerk Thüringens zu den modernsten GuD-Kraftwerken in Deutschland. Die elektrische Leistung beträgt 197 Megawatt und die Fernwärmeleistung 225 MW.[1] 2011 erfolgte ein nochmaliger Umbau mit Wärmespeicher, Sommerkessel und effizienterer Betriebsweise. Von 2019 bis 2021 sollen sechs Gasmotoren mit je 10 Megawatt und ein Wärmespeicher mit 600 Megawattstunden Kapazität hinzu kommen; die Gasturbinen müssen dann nur noch im Winter betrieben werden. Die Investition rentiert sich durch einen bis 2037 laufenden Fernwärme-Abnahmevertrag. In dieser Ausbaustufe werden noch 150.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr emittiert[6].
Das Kraftwerk wird heute von der Thüringer Energie AG betrieben, die erzeugte Fernwärme wird an die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck geliefert.[1] Etwa die Hälfte aller Jenaer Wohnungen werden durch das Kraftwerk mit Heizungswärme und Warmwasser versorgt. Das Kraftwerk einschließlich der ausgekoppelten Fernwärmeleistung hat einen Wirkungsgrad von 70 Prozent. Der Netzanschluss erfolgt auf der 110-kV-Hochspannungsebene in das Stromnetz des Verteilnetzbetreibers TEN Thüringer Energienetze.[7]
Das Stadtbild wurde über mehrere Jahrzehnte durch die beiden Schornsteine geprägt. Der 225 Meter hohe, seit 1994 nicht mehr benötigte Schornstein der Kohleverbrennung war bis zum Frühjahr 2019 das höchste Bauwerk Thüringens. Am 28. Juni 2018 begann die Vorbereitung zum Abbruch, der schließlich am 11. April 2019 startete[8] und rund 4 Monate dauerte. Dabei wurde analog des Abrisses der Schornsteine in Gera mittels Spinnenbagger von oben nach unten gearbeitet, der entstehende Schutt fiel ins Innere[9]. Mittelfristig soll auch der 185 Meter hohe Nachbarschornstein verschwinden. Nach dem Abriss der Schornsteine in Erfurt-Ost und Gera ist dieser "kleinere" Schornstein dann, nach dem Sender Bleßberg, das zweithöchste Bauwerk in Thüringen. Danach würde der Jentower das höchste Bauwerk im Freistaat sein.[10]
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Jena. (Nicht mehr online verfügbar.) E.ON Thüringer Energie AG, archiviert vom Original am 8. August 2011; abgerufen am 3. August 2011. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Komme e.V., Stadtteilbüro Lobeda (Hrsg.): Neulobeda. Stadtteilchronik 1966–2006. 2. Auflage. Jena 2007, S. 9, Sp. 3.
- Dr. I. Pudenz: Umweltbericht 1992 der Stadt Jena, 1. Band: Luft. Stadt Jena, Dezernat für Umweltschutz und öffentliche Einrichtungen, 1992, S. 51 bis 54
- maf: Schornstein in Jena-Winzerla muss weichen - Thüringen verliert sein höchstes Bauwerk. (thueringen24.de [abgerufen am 4. August 2018]).
- Gleisplan Göschwitz und Foto der Anschlussbahn mit dem letzten Kohlezug in: Udo Kandler: Eisenbahnjournal, Sonderausgabe II/2000 Saalebahn. Hermann Merker Verlag, Fürstenfeldbruck. S. 61, Bilder 120,122
- Pressemitteilung der TEAG vom 27. Juni 2018: Investition im TEAG-HKW Jena senkt CO2-Emissionen um fast die Hälfte. Abgerufen am 24. September 2019.
- Kraftwerksliste Bundesnetzagentur (bundesweit; alle Netz- und Umspannebenen) Stand 02.07.2012. (Microsoft-Excel-Datei, 1,6 MiB) Archiviert vom Original am 22. Juli 2012; abgerufen am 21. Juli 2012.
- mdr Thüringen: Teag beginnt Abriss von Jenas höchstem Schornstein. Abgerufen am 24. September 2019.
- Projektseite der ausführenden Firma mb-Spezialabbruch: HKW Jena - Rückbau von 225 Meter Stahlbetonschornstein in drei Phasen. Abgerufen am 24. September 2019.
- Teag investiert 70 Millionen Euro in Jena. In: Thüringer Allgemeine. (thueringer-allgemeine.de [abgerufen am 4. August 2018]).