Heinz Maus
Heinz Maus (* 21. März 1911 in Uerdingen; † 8. September 1978 in Cölbe-Bürgeln) war deutscher Professor für Soziologie an der Philipps-Universität Marburg und verkörperte als nonkonformistischer Vertreter einer marxistisch angeregten Soziologie einen bedeutsamen Aspekt der Geschichte dieser Disziplin in Deutschland.
Person
Nach einer Lehre als Buchhändler in Mülheim (Ruhr) begann Heinz Maus 1932 in Frankfurt am Main ein Studium der Soziologie, Philosophie und Nationalökonomie bei Karl Mannheim und Max Horkheimer und setzte es nach 1933 bei Hans Freyer an der Universität Leipzig fort. 1938 kurzfristig verhaftet, ging er 1939 als Mitarbeiter Ewald Bosses an das Institut für Gesellschaftsforschung und Arbeitslehre („Institutt for Samfunnsforsking og Arbeidslære“) in Oslo und arbeitete dort als Assistent und Bibliothekar. 1940 kam Maus als Assistent an der Ufa-Lehrschau in Babelsberg nach Deutschland zurück. Am 25. Mai 1940 wurde er in Kiel mit den Fächern Philosophie, Nationalökonomie und Allgemeine Sprachwissenschaft zum Dr. phil. promoviert, Hauptprüfer war Cay Baron von Brockdorff.[1] Das Thema der Dissertationsschrift stammte ursprünglich von Ernst Hugo Fischer, mit dem Maus in Leipzig und in Oslo zusammengearbeitet hatte.[2][3] 1943 wurde Maus erneut verhaftet und wegen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz angeklagt. Nach einem Freispruch meldete er sich freiwillig zum Sanitätsdienst bei der deutschen Wehrmacht.
Nach kurzer Kriegsgefangenschaft arbeitete Maus 1946/47 in der Berufsberatung des Arbeitsamtes Mainz. 1946/48 wurde er Schriftleiter von DIE UMSCHAU. Internationale Revue, 1949 Dozent an der „Ersten Journalistenschule“ in Aachen (s. dazu auch Lemma Leo Hilberath), 1949/51 Assistent von Ernst Niekisch und Dozent für Gesellschaftswissenschaft an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin, 1951 bis 56[4] Assistent Max Horkheimers am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main und Leiter des Mainzer Verlags der Aufklärung.
Nach einem Studienaufenthalt in Paris wurde Maus 1955 zunächst zum Diätendozenten, später zum a. o. Professor für Soziologie am Pädagogischen Institut in Weilburg ernannt. 1959 wurde Maus an die Philipps-Universität Marburg berufen und 1960 dort zum ordentlichen Professor für Soziologie ernannt. Damit trat Maus in das direkte Wirkumfeld des Juristen und Politikwissenschaftlers Wolfgang Abendroth ein und prägte so auch die Marburger Schule.[5] In diesem Jahr begann Maus auch als Mitherausgeber (mit Friedrich Fürstenberg und später Frank Benseler) die Edition der Soziologischen Texte im Luchterhand Verlag, in seinen Jahren die einflussreichste, vielen Ansätzen offene Schriftenreihe des Faches. Das damalige politische Engagement von Maus gegen die Notstandsgesetzgebung drückt sich u. a. in der Herausgabe des Bandes Notstandsordnung und Gesellschaft in der Bundesrepublik (mit Werner Hofmann, Rowohlt, Reinbek 1967) aus.
Für die SPD saß Maus in der Gemeindevertretung von Cölbe.[6]
Wirkung
Heinz Maus konnte in der Lehre, in Diskussionen und Gesprächen durch ungewöhnliche Bildung und Verzicht auf Engstirnigkeit anregend wirken. Bekannt wurde Maus vor allem durch die von ihm seit 1959 mitherausgegebene Buchreihe Soziologische Texte als Vermittler soziologischer Klassiker und neuer soziologischer Perspektiven sowie als Historiograph der Soziologie. Als Autor einer knappen lehrbuchartigen Einführung in die Geschichte der Soziologie war Maus in den 1960er Jahren auch in den USA und US-amerikanischen Soziologiestudenten kein unbekannter Autor. An seinem englischen Leitfaden zur (europäischen) Soziologiegeschichte orientierten sich später weitere, heute noch von ´undergraduates´ benutzte US-Lehrbücher, u. a. die von Lewis Coser und Robert Alexander Nisbet.
Heinz Maus hat durch sein Wirken zahlreiche junge Menschen beeinflusst. Zu seinen Schülern gehören u. a. Dieter Boris (emeritierter Professor für Soziologie in Marburg), Lorenz Jäger (FAZ) und Ulrich Raulff.
100. Geburtstag
Anlässlich des 100. Geburtstages wurde vom 25.–27. März 2011 an der Philipps-Universität Marburg eine dreitägige wissenschaftliche Tagung zum Thema Traditionalität und Aktualität. Zur Aufgabe kritischer Theorie durchgeführt. Frank Benseler, David Salomon und Alex Demirović haben dort Vorträge über Heinz Maus gehalten.[7]
Publikationen über Maus
- Gerd van de Moetter,"Flaschenpost einer verschollenen Kritischen Theorie. Briefwechsel zwischen Max Horkheimer und Heinz Maus: 1946-1951", in: Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1994, Opladen 1996, S. 227–276, Frank Benseler, "Heinz Maus 21.3.1911-28.9.1978", S. 277–288.
- Gerd van de Moetter, "L'albero della dialettica dell'illuminismo", in: Eclisse della societá civile, Palermo 1986, S. 123–128.
- Lorenz Jäger, "Der Soziologe Heinz Maus. Aus Traumhöllen ins Reich der Freiheit", in: F.A.Z., 28. November 1995.
- Frank Benseler: "Heinz Maus – nah in perspektive", in: Völk u. a.: "... wenn die Stunde es zuläßt." Zur Traditionalität und Aktualität kritischer Theorie, Münster: 2012.
- David Salomon: "Traditionalität und Aktualität (in) der Soziologie von Heinz Maus. Ein Versuch zur Kritischen Theorie", in: Völk u. a.: "... wenn die Stunde es zuläßt." Zur Traditionalität und Aktualität kritischer Theorie, Münster: 2012.
- Oliver Römer u. a.: "Eine andere Soziologie. Zwischen Arbeitswissenschaft, Soziographie und kritischer Gesellschaftstheorie", in: Völk u. a.: "... wenn die Stunde es zuläßt." Zur Traditionalität und Aktualität kritischer Theorie, Münster: 2012.
Veröffentlichungen
- Materialismus, in: H. Burgmüller (Hrg.), Zur Klärung der Begriffe. München 1947: 62–76.
- Geschichtsphilosophie und Soziologie, in: L.H.Ad. Geck u. a. (Hg.). Studien zur Soziologie. Festgabe für Leopold von Wiese […], Mainz: Internationaler Universum Verlag, 1948, Bd. I: 4–59.
- Soziologie. In: Werner Schuder (Hrsg.): Universitas Litterarum. Handbuch der Wissenschaftskunde. de Gruyter, Berlin 1955, 305–328.
- Geschichte der Soziologie, in: Werner Ziegenfuß (Hg.), Handbuch der Soziologie. Stuttgart: Enke, 1956: 1–120.
- Bericht über die Soziologie in Deutschland 1933-1945, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 11 (1959) 1: 72–99.
- A Short History of Sociology (London: Routledge & Keagan Paul, 1962; ²1971, 226 p.)
- Zur Vorgeschichte der empirischen Sozialforschung, in: René König (Hg.), Handbuch der empirischen Sozialforschung Bd. I, Stuttgart: Enke, ²1967: 18–37.
- Die Traumhölle des Justemilieu. Erinnerung an die Aufgaben der Kritischen Theorie. Hrsg. v. Michael Th. Greven / Gerd van de Moetter. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt 1981, Vorwort von Michael Th. Greven/ Gerd van de Moetter, "Vita constructa. Ein Versuch, die Wahrnehmung von Heinz Maus mit seinem Werk in Einklang zu bringen", S. 7–33, Anhang u. Bibliographie, S. 447–457.
- „Einführung in die Soziologie“, in: Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1992. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994: 199–240 (mit einer Einleitung von Georg Ahrweiler: „Bemerkungen zum Fragment von Heinz Maus: ‚Einführung in die Soziologie‘“: 195–197).
- "Kommentierte Materialien aus dem Nachlass, hrsg. Gerd van de Moetter. Vorwort von Frank Benseler 'Im Elend groß: Heinz Maus'", Erster Teil. Aus dem Briefwechsel zwischen Max Horkheimer und Heinz Maus, Zweiter Teil. Tagesfeuilletons und Miszellen, in: Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1993, Westdeutscher Verlag, Opladen 1995, S. 257–321.
Literatur
- Marvin Chlada/Jochen Zimmer (Hgg.): Kritische Theorie in der Provinz. Heinz Maus zum 90. Geburtstag. Verlag Trikont Duisburg, Duisburg 2001, ISBN 3889741053 (Seiten über Maus in Zusammenfassung: )
- Barry Charles Hyams: Heinz Maus in: Marburger Zeitung, 2 (1978) 12: 16–17.
- Jürgen Kaestner: Personalbibliographie Heinz Maus (1911-1978). Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Soziologie, Wissenschaftlicher Autoren-Verlag, Berlin 1984.
- Oliver Römer: Von Frankfurt aus zwischen den Schulen. Heinz Maus und die frühe bundesrepublikanische Soziologie. In: Martin Endreß, Klaus Lichtblau, Stephan Moebius (Hrsg.), Zyklos 1. Jahrbuch für Theorie und Geschichte der Soziologie. Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-03960-8.
Weblinks
- Literatur von und über Heinz Maus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Maus, Heinz. Hessische Biografie. (Stand: 21. September 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- Heinz Maus: Kritik am Justemilieu. Eine sozialphilosophische Studie über Schopenhauer. Dissertationsschrift, Kiel 1941 (Online-Ausgabe), S. 2.
- Heinz Maus: Kritik am Justemilieu. Eine sozialphilosophische Studie über Schopenhauer. Dissertationsschrift, Kiel 1941 (Online-Ausgabe), Lebenslauf, S. 246.
- Heiko Christians: Das Verschüttete. Die Welt, 16. Januar 2018, online.
- Heinz Maus: Die Traumhölle des Justemilieu (Frankfurt/M. 1981, S. 26f.).
- Lothar Peter: Marx an die Uni. Die >>Marburger Schule. Geschichte, Probleme, Akteure, Köln 2014, S. 13f.
- FAZ, 24. Juli 2010, Z1.
- Homepage der durch die AG Kritische Theorie organisierten Tagung