Hardenrath
Die Kölner Familie Hardenrath war eine wohlhabende Kaufmannsfamilie, die im 15. Jahrhundert aus Hameln an der Weser nach Köln übersiedelte. Als Begründer der dann auf Dauer in Köln ansässigen Familie gilt Johannes Hardenrath (der Ältere), dessen Nachkommen über mehrere Generationen hinweg die Kölner Politik mitbestimmten.[1]
Geschichte
Neubürger in Köln
Johannes Hardenrath (I.) erwarb im Jahr 1449 das Bürgerrecht der Stadt Köln.[2] Unter den Kölner Tuchhändlern (wobei er sich auf den Handel mit Barchentware spezialisierte) hatte er einen hohen Rang und soll unter diesen in den 1460er Jahren an dritter Stelle gestanden haben. Daneben mehrten zahlreiche im Renten- und Kreditwesen getätigte Geschäfte sowie sein Engagement im Englandhandel den Wohlstand der Familie.[3] Wie alle Bürger der Stadt verpflichtet waren, sich einer der 22 Kölner Gaffeln anzuschließen, war Hardenrath Mitglied der Kaufmannsgaffel Windeck geworden.[4] Nach dem Ratsherrenverzeichnis war Hardenrath 1465 ein Mitglied des aus 13 Herren bestehenden „Gebrechs“.[5] Hardenraths weitere Ratsmitgliedschaft von 1465 bis 1484 ist jedoch umstritten, da nach einer Urkunde von 1479 Johannes (I.) Hardenrath, der Ehemann der Sybilla (Beelgin) Slossgin, als verstorben bezeichnet wurde.[6]
Die Namensbezeichnung der Familie erscheint in den Quellen als „Hardenro“, der Kölner Ratsherr und Chronist Hermann von Weinsberg benutzte den Namen „Hardenraidt“ und die in jüngerer Zeit verwendeten Schreibweisen mit der Namensendung mit „dt“, „th“ oder „ht“.
Ebenfalls unbekannt ist das Ende in der Geschlechterfolge der Hardenrath, einer in der Stadtgeschichte Kölns bedeutenden Patrizier-Familie des Kölner Patriziats. Die Kapelle des Hardenrathschen Stammhauses, ein gotischer Hallenbau des 15. Jahrhunderts in der südöstlichen Ecke des Marienplatzes, wurde im Jahr 1970 während dort stattfindender Bauarbeiten unter dubiosen Umständen zerstört.
Erwerb eines Hauses am Marienplatz
Die Familie des Kaufmanns Johannes Hardenrath hatte im Jahr 1455 ein Haus südöstlich der Kirche St. Maria im Kapitol auf dem Marienplatz erworben. Das Haus, im Bezirk St. Martin gelegen, stand unmittelbar an einer Pforte der alten römischen Mauer zur Vorstadt Oversburg hinter dem unteren Graben und hatte eine Kapelle (dom. Gravinporzen seit 1455, um 1487 in den Steuerlisten „Hardenro“ Haus genannt).[7]
Wohnort Marienplatz und Umfeld
Dem im mittelalterlichen Bezirk S. Martin gelegenen Marienplatz schloss sich östlich der Straßenzug Sternengasse und Stephanstraße (mit dortiger um 1009 errichteter Kapelle S. Stephan „in fundo b. Mariae in Cap.“, 1834 niedergelegt) an. An seiner unteren Südseite trennten den Platz zwei Häuserreihen von der römischen Mauer und dem dahinter gelegenen Stadtgraben, der die Grenze zum benachbarten Vorstadtbezirk Oversburg bildete.
Der Platz begann im Westen in Straßenbreite und weitete sich in Höhe der seitlich der Stiftskirche St. Maria im Kapitol stehenden Kirche St. Notburgis (1169–1802, in der Franzosenzeit die „Welsche Kapelle“ genannt) und ging dort nördlich hinter dem Dreikönigenpförtchen in die Fläche des „Lichhofs“ (frühe Bezeichnung eines Friedhofes) über. Dort befanden sich die Kapellen „S. Nicolaus in porticu“ (um 1350 Ersterwähnung) und die zuerst „Benedictus“ (um 1300) und später „Anna-Lob“ genannte Kapelle. Die Spuren dieser beiden Bauwerke verloren sich im 18. Jahrhundert.[8] Unmittelbar vor der Pforte mündete die Königstraße ein, die ebenso wie die vom Lichhof (über Treppen) abwärts führende Plectrudengasse auf die vom Heumarkt zur Kornpforte reichende Straße Malzbüchel stieß.
Die im mittelalterlichen Köln gebräuchliche Bezeichnung Büchel verwies in diesem Fall auf die Straßen „Krummer Büchel“, „Hochfpfortenbüchel“ und „Malzbüchel“. Es sind noch immer unter diesem Namen existierende Straßen, die schon in jener Zeit die natürliche Anhöhe rund um die dort um 800 erbaute Kapitolkirche umgaben.
Dieses Gotteshaus entstand auf dem Gelände eines römischen Tempels, der sich über die Stadt erhob und zu Ehren der Kapitolinischen Trias, den Göttern Jupiter, Juno und Minerva, errichtet worden war.
Auf diesem Gelände hatten neben einigem Haus- und Grundbesitz der Klöster Weiher und Benden, wie die frühen Schreinseintragungen belegen, auch einige der führenden Kölner Patrizierfamilien Besitz erworben. Eine Eintragung des Jahres 1272 beurkundet, dass ein Haus Gottfried Hagens durch diesen selbst an den Schröder Heinrich von Crouhusen abgetreten wurde. Weitere Eintragungen nennen den Schöffen „Gerhard Mommersloch“ (1304) oder „Gobelini Scherfgin“ (1331), ferner wurde die Familie des Wilhelm „de Aduycht“ angeführt (1346) und ein nach seinem Besitzer „Arn. de Palacio“ (auch Arnold von Palaise) als Palast bezeichnetes Haus (1359).
Ein weiterer Besitz in der Reihe dieser am Marienplatz vertretenen Patrizier der Stadt war ein Anwesen am südöstlichen Ende des Platzes. 1200 hieß es: dom. et ar. Ex opp. S. Notburgis vicina dom. advocati Almari versus Sculptáum portam. Das Haus wurde 1212 von Heinrich de Volmutsteine an Everhard „Kleyngedanc“ zu Lehen gegeben und ging von dieser Familie an die der „Hardefust“ über. 120 Jahre später wurde in den Schreinskarten ab 1322 das Haus als das des „Vayt“ (Vogt) Almershoyven geführt und wurde im Jahr 1455 als Besitz des Kaufmanns Johannes Hardenrath eingetragen.[9]
Bekannte Nachkommen
- Johann (II.) Hardenrath, Sohn des Familiengründers, war verheiratet mit Christina, der Tochter des Bürgermeisters Goswin von Straelen. Der Ehe Johanns mit Christina entstammten drei Töchter (von denen Christina in das wohlhabende Haus der Kölner Familie Hacqueney einheiratete) und zwei Söhne, sie nannten sie Johann und Goswin. Goswin studierte zusammen mit seinem Bruder Johann an der Kölner Universität, ging dann, nach dem Tod seines Vaters 1499, nach Orléans und trat später in den Orden der Karmeliter ein. Johann (II.) war Ratsmitglied. Er verstarb im Jahr 1499.
- Johann (III.) war verheiratet mit Agnes, der Tochter des Bürgermeisters Johann von Merle. Johann III. war von 1507 bis 1523 Ratsmitglied. Während dieser Zeit, im Jahr 1515, ernannte ihn der spätere Kaiser Karl zu seinem Stallmeister. 1516 nahm Kaiser Maximilian ihn und seine Familie unter seinen persönlichen Schutz. Auf ihn geht wohl auch ein der Familie verliehenes in der „Sammlung Ketten“ überliefertes Adelsdiplom zurück.[10]
- Christina Hardenrath, auf einem Altarbild (Flügel), der Kölner Familie Hacqueney
- Johann Hardenrath
- Anna Hardenrath, geborene Klepping
Adelshaus Hardenrath
- Johann von Hardenrath der Ältere, Sohn Johanns (III.), wurde um 1530 in Köln geboren. Nach einem an der alten Kölner Universität absolvierten Studium trat er eine Assessorenstelle am Reichskammergericht Speyer an. Während dieser Tätigkeit als Beisitzer konnte er sich offenbar als guter Jurist auszeichnen und wurde als Rat in den Dienst des Herzogs Wilhelm berufen. Dort machte Johann Karriere und wurde 1580 zum Vizekanzler des Fürsten ernannt. Johann war wie sein jüngerer Bruder streng katholischen Glaubens und setzte sich vehement gegen die Thesen Luthers und für die Ziele der Gegenreformation ein. Johann Hardenrath starb am 12. Januar 1601 in Köln.[11][12]
- Johann von Hardenrath der Jüngere, dessen Geburtsjahr nicht bekannt ist, war der Sohn der Eheleute Johann und Christina Hardenrath, einer geborenen von Lyskirchen. Er war in zwei Ehen verheiratet. Es waren Katharina Gail, Tochter eines Kölner Bürgermeisters, und Anna Klepping, Tochter des Dortmunder Bürgermeisters Georg Klepping und dessen Frau Anna von Bardenhorst. Hardenrath, dessen Ehen sechs Kinder entstammten, wurde als Bannerherr der Kaufmannsgaffel Eisenmarkt 1583 Ratsherr der Stadt Köln. Schon ein Jahr später wurde er Bürgermeister der Stadt. Dieses Amt hatte er zwischen den Jahren 1584 und 1629/30 sechzehn Mal inne.[13]
- Gräfin Anna Christine von Gronsfeld war eine geborene von Hardenrath. Graf Gronsfeld heiratete sie am 14. April 1639 (* 1615; † 29. Januar 1692). Sie war die Tochter des Bürgermeisters Johann von Hardenrath.[14]
Bauwerke der Familie
Haus Hardenrath, Marienplatz
Der Ratsherr Johannes (I.) Hardenrath und seine Ehefrau Sybilla Sloesgin ließen ihr Wohnhaus am Marienplatz durch eine prächtige Erdgeschosshalle mit spätgotischem Sterngewölbe ausbauen und machten sie zu ihrer Hauskapelle. Im Zentrum dieses Gewölbes befand sich ein Schlussstein mit dem Abbild des Salvators, einer Darstellung des segnenden Christus mit einer stilisierten Weltkugel, unter dessen Schutz Johannes sein Haus und seine Familie gestellt hatte. Diesen zentralen Blickfang des gewölbten Raumes umgaben mehrere Wappenschilde, wie das des Hausherrn mit seinen Initialen, vermutlich ein Schild mit zwei verschlungenen Kreisen (Inschrift schlecht lesbar) sowie einem weiteren Schild mit der Abbildung dreier von Schleifen gezierten Hüten. Diese wird in der Fachliteratur als Hinweis auf eine mögliche Verschwägerung des Hauses Hardenrath mit dem Haus derer von Ju(ü)den (ebenfalls eine Kölner Bürgermeisterfamilie) gedeutet, aber auch als Indiz einer solchen Annahme verworfen.[15] Ob ein Zusammenhang mit der Zunft der Kölner Hutmacher und der Gaffel der Tuchhändler (der Hardenrath möglicherweise vorstand) bestand, ist nicht bekannt.
- Wappenschild mit den Initialen Johannes Hardenrath
- Wahrscheinlich waren verschlungene Kreise das Zeichen der Familie Sloesgin
- Schild ohne belegte Deutung
Überdies war die Halle mit abschreckend wirkenden Köpfen ausgestattet worden. Es handelte sich dabei um groteske Steinmetzarbeiten, die den so genannten Kölner Grinköpfen ähnelten, deren vermutete Kräfte durch ihre bildliche Darstellung den Teufel als Versucher abwehren sollte.
Den in die Wände eingearbeiteten fratzenhaften Gesichtern, denen ursprünglich Pflanzen aus Mund und Nase wucherten (auch als Rankenfresser bezeichnet), waren als Widerpart engelhafte Figuren als Wandschmuck beigegeben worden, wie das mit einem verführerisch schönen Frauenantlitz mit Perlenschmuck und modischer Hörnerhaube erhaltene Ausstellungsstück des Kölner Stadtmuseums.
- So genannter Rankenfresser
- Dämonenkopf
- Antlitz einer mittelalterlichen Schönen
In der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das patrizische Anwesen Eigentum der Kölner Bürgermeisterfamilie de Groote, von der es in späterer Zeit an die Kölner Kasinogesellschaft gelangte.
Haus Hardenrath, Sternengasse
Das Haus zum Raben in der Sternengasse (platea stellarum) war vormals (1422) im Besitz des mehrmaligen Kölner Bürgermeisters Mathias Walrave (erste Amtszeit 1418), dann ging es in den Besitz der Bürgermeisterfamilie Kannegießer über (1453). Seit dem Jahr 1619 war das offenbar von der Oberschicht der Stadt geschätzte Haus im Besitz der Familie Johann Hardenrath. 1643 wechselt der Besitz wohl als Mitgift an Gräfin Anna Christine von Gronsfeld, geborene Hardenrath.[14] In diesem Haus, das auch weiterhin als Hardenrathsches Haus bezeichnet wurde, starb am 3. Juli 1642 die im Kölner Exil lebende Maria de’ Medici.[16]
Stifter und Stiftungen
Viele der wohlhabenden Kölner Bürger engagierten sich für das Gemeinwohl der Stadt. Dies förderten sie mit außerordentlichen Stiftungen, in dem sie zum Beispiel die Armen- oder Waisenhäuser bedachten. Weitere Dotierungen gingen oftmals auch an Konvente, in die viele Töchter aus gutbürgerlichen Verhältnissen eintraten und dort nicht selten zur klösterlichen Führung der Einrichtung aufstiegen. Stiftungen für die Pfarrkirchen in den Wohnvierteln des jeweiligen zumeist der Oberschicht der Stadt angehörenden Spenders waren keine Ausnahmen, sondern die Regel. Die Art der Spenden war vielfältig. Es waren Zuwendungen in bar oder als regelmäßige Renten, die Übernahme von Baukosten für klösterliche Anlagen, Kirchenneu- oder -umbauten, sowie Schenkungen in Form von Grund und Boden.
Auch die bildende Kunst profitierte in mittelalterlicher Zeit von den Aufträgen der spendablen Honoratioren. Die Baukunst, die Bildhauerkunst und die Malerei sowie das gesamte Kunstgewerbe der Stadt erlebten speziell im 15. und 16. Jahrhundert eine Blütezeit.
Auch die Pflege der Kirchenmusik wurde gefördert. Hier war es in Köln an erster Stelle die Stiftung des Johannes Hardenrath, der an der Stiftskirche St. Maria im Kapitol eine Sängerschule einrichtete. An diese erinnert heute die wiederhergestellte Hardenrathkapelle und das idyllische Sangmeisterhäuschen bei dem Dreikönigenpförtchen.[17]
Stiftung Dreikönigenpförtchen
Auch an der nordöstlichen Seite des Marienplatzes befand sich ein Eingang in den Immunitätsbereich der Stiftskirche. Durch den kleinen Tordurchgang am Eckhaus der Königstraße betrat man den dem Chor der Kirche vorgelagerten Lichhof, einer wohl zu sehr früher Zeit als Kirchhof genutzten freien Fläche. Die ersten Quellenangaben zu dem später nach einer Legende Dreikönigenpförtchen genannten Tor weisen zu dieser Örtlichkeit einige Angaben auf. Im Jahr 1193 hieß es in der Überschrift:
- Foramen in antiquo muro, quod situm est versus domum Cauwercinorum (ubi exitur versus domum Cauw); contra domum Cauw, in illo porticu pelegrini (sic!) sepeliuntur.
Noch im Jahr 1355 gab man dem Durchgang keinen speziellen Namen, das Schreinsbuch „Porta Martis“ (Bezirk S. Martin) verwandte die Bezeichnung „Römisches Tor“.
An dieser Stelle wurde 1460 das „Dreikönigen-Törchen“ von Johannes Hardenrath errichtet.[18]
Stiftung Salvatorkapelle und Ausstattungen der Stiftskirche
Schon bald nach dem Hauserwerb am Marienplatz beauftragte Johannes Hardenrath (1464) den Kölner Dombaumeister Konrad Kuyn († 1469) die Ostkonche von St. Maria im Kapitol mit einer Chorschranke auszuschmücken. 1466 ließ er der Stiftskirche eine Kapelle anbauen.
- Salvator- oder Hardenrath Kapelle
- Altarbild
- Eine der Maßwerkschranken, Stifter Hardenrath
Die Kapelle entstand an deren Südseite im Zwickel zwischen dem Chor und dem Querhaus, von dem sie auch zu betreten war, und erhielt den Namen „Capella S. Salvatoris“. Es war ein Privatoratorium, das liturgisch, rechtlich und finanziell von der Kirche unabhängig war. Die dem Salvator (Heiland) geweihte Kapelle wurde in der Folge jedoch nur „Hardenrath Kapelle“ genannt.
Bemerkenswert waren die oberhalb eines umlaufenden Simses aufgebrachten Wandmalereien. An der in drei Zonen gegliederten Nordwand waren in einer Nischenarchitektur eine Reihe von Heiligen dargestellt, links davon, in einem kapellenartigen Raum, kniete der Stifter.
Bis zum Zweiten Weltkrieg besaß die mit einem Netz-Sterngewölbe überspannte etwa vier mal vier Meter messende Kapelle eine bedeutende spätgotische Ausstattung, von der nur Teile erhalten blieben. Im heutigen restaurierten Zustand und mit der ihr unter dem Gewölbe errichteten vorgelagerten Sängerempore mit einer Nutzfläche von 17,65 m² ist sie dennoch ein Beispiel für musikalisches Mäzenatentum im spätmittelalterlichen Köln.
Stiftung der Singermesse
Ergänzend zu der gestifteten Salvatorkapelle rief das Ehepaar Hardenrath / Schlösgen die Einrichtung einer täglich stattfindenden, von Musik und Gesang begleiteten Messfeier ins Leben. Diese auf Dauer angelegte Dotation ermöglichte erforderliche Maßnahmen, wie die Anstellung eines Singmeisters, der dann mit der Leitung einer errichteten Singschule betraut worden war. Die Einrichtung entwickelte sich im Sinne der Stifter zu einer beliebten Institution und erreichte ein hohes überregionales Ansehen. Bekannt sind Auftritte der Sänger am Düsseldorfer Fürstenhof im Jahr 1581. 1591 veröffentlichte der dortige Hofkapellmeister eine Sammlung Motetten der Kölner Musiker. Die Stiftung wurde bis in das 19. Jahrhundert von den Nachkommen des Johannes Hardenrath aufrechterhalten.[19]
Stiftung für die Kölner Kartause
1510 stifteten Johannes von Hardenrath und seine Frau Agnes von Merle den Mönchen der Kölner Kölner Kartause eine neue Kapelle, in der die bestehende Sakristei der Kirche einbezogen wurde.[20]
Das kleine Bauwerk war ein dritter Kapellenbau, der sich der Kirche der Kartäuser an der der Stadt zugewandten Seite unmittelbar anfügte. Zuvor waren der Klosterkirche bereits zwei Kapellen gestiftet worden. Die erste, die Engelskapelle, entstand aus einer Stiftung, die der ehemalige Kölner Bürgermeister Jakob von Hemberg, alias von Bernsauwe, dem Kloster zukommen ließ. Diese 1425 geweihte Kapelle wurde auch noch in späterer Zeit mehrmals erwähnt, so hieß es noch 1545 in einer Urkunde:[21]
- „eine Zelle by der engelen kapell lanx der straissen stainde“.[22]
Der Engelskapelle wurde bereits wenig später der Bau der Marienkapelle angeschlossen, die 1426 Erzbischof Dietrich den Laienbrüdern des Ordens stiftete und sie im Jahr 1427 weihte.
Die von den Eheleuten Hardenrath finanzierte Kapelle, die in der Folge auch als „Neue Sakristei“ bezeichnet wurde, sollte zum kunstvollsten Bauwerk der Kartause werden. Sie blieb, abgesehen von erheblichen Zerstörungen ihrer Innenausstattung während der Franzosenzeit sowie der Einwirkungen des Zweiten Weltkrieges, bis heute erhalten.
- Geschlossenes Altarbild mit Wappenschilden ungeklärter Bedeutung eines heute unbekannten niederländischen Malers des 16. Jahrhunderts
- Kardinalshüte und „Merlen“ auf den Wappenschilden der Kölner Patrizierfamilien Hardenrath und Merle
- Steinrelief des Johann Hardenrath mit nachgebildetem Kopf
Bei ihrer Entstehung war die alte Sakristei um ein zusätzliches Joch erweitert und eine polygonale Apsis gestaltet worden. Das spätgotische, mit schmückenden Verzierungen durch Blumen- und Rankenornamentik ausgefüllte Netzgewölbe soll ein Werk des in Köln tätigen Baumeister Johann von Langenberg sein. Vier der auslaufenden Endstücke der Gurtbögen endeten mit den paarweise angebrachten Wappenschilden der Stifter. Diese waren jeweils das des kaiserlichen Stallmeisters Johann von Hardenrath mit drei goldenen Kardinalshüten auf rotem, goldgefasstem Grund und ein Schild seiner Frau Agnes von Merle, welches auf ebenfalls goldgefasstem, aber blauen Grund, drei goldene Merlen darstellte (bei der Restaurierung um 1928 mit rotem Grund verfälscht). Einer der zwei weiteren Bogenendstücke des Gewölbes endete mit einem Relief der Agnes von Merle (von den Franzosen völlig zerstört und durch einen Adler ersetzt) und auf der Gegenseite mit einem ebenso in Stein gefertigten Brustbild des Stifters Hardenrath. 1511 wurde die Kapelle und ein zu Ehren der heiligen Katharina und der heiligen Anna aufgestellter Altar von Theoderich Wichwael aus dem Orden der Augustiner, Titularbischof von Cyrene, geweiht.[23]
Überlieferungen
Dass Johann Hardenrath durch den Rat der Stadt 16-mal zum obersten Repräsentanten der Stadt gewählt wurde, legt die Annahme einer guten Amtsführung nahe. Die Nachfolger des Johann Hardenrath zogen nach erfolgter Wahl von alters her mit den Herren der vielköpfigen Ratsversammlung vom Haus der Bürger (dem Raitzhuys) zur Kirche St. Maria im Kapitol. Dort betraten sie durch eine noch heute erhaltene geschnitzte Portaltüre an der Nordseite der Kirche das Gotteshaus und feierten eine Messe zur Danksagung. Danach wurde der neue Bürgermeister vor einem Gemälde Hardenraths beschworen, diesem alle Ehre zu machen und dessen Handeln nachzueifern.
Hermann von Weinsberg dagegen soll sich, obwohl er selbst das Amt als Ratsherr ausübte, kritisch zu Hardenrath geäußert haben. Er schrieb in seinen Aufzeichnungen bezüglich der Kölner Politik, dass er in Hardenrath einen typischen Vertreter des Kölner Klüngel sehe. Weinsberg führte dazu wie folgt aus:
- Also hilf magschaft, swagerschaft und gefatterschaft beforderen.[13]
Verlust der letzten gotischen Hauskapelle
Menschliches Versagen führte im März 1970 zur Zerstörung des etwa 550 Jahre alten Bauwerkes am Kölner Marienplatz. Die so genannte Hardenrathsche Kapelle war ein Zeugnis reichsstädtischer Baukunst und zugleich die letzte erhaltene gotische Hauskapelle der Stadt. Sie hatte den letzten Weltkrieg überstanden und stand in den letzten Jahren ihres Bestehens ungenutzt am Marienplatz. Desinteresse der zuständigen Stellen überließ das Bauwerk der Verwahrlosung, sodass es zuletzt ein Asyl nicht sesshafter Menschen geworden war. Für den dann während der dort durchgeführten Baumaßnahmen erfolgten Einsturz des historischen Bauwerkes fand sich kein Verantwortlicher. Überlegungen, die zu 80 Prozent zerstörte Hauskapelle wieder aufzubauen, führten zu keinem Ergebnis, und der geplante Bau eines mehrstöckigen Doppelhauses wurde realisiert.
Die teilweise heftigen Reaktionen, die dieses Geschehen in der Politik und der Bevölkerung auslöste, wurden in der gesamten Presse der Stadt sowie in weiteren Medien entsprechend kommentiert. Die wesentlichsten Artikel zu diesem Ereignis wurden später archiviert. Diesem Archivgut entstammt folgender Auszug:
- Nach Zeugenaussagen von unter anderen Pfarrer Angenendt von St. Maria im Kapitol, ging der Stadtkonservator Fried Mühlberg davon aus, dass die Kapelle mit Absicht zum Einsturz gebracht wurde.[24]
Literatur
- Hermann Keussen: Topographie der Stadt Köln im Mittelalter. in 2 Bänden, Köln 1910. Reprint: Droste, Düsseldorf 1986, ISBN 3-7700-7560-9 und ISBN 3-7700-7561-7.
- Ludwig Arntz, Heinrich Neu, Hans Vogts: Paul Clemen (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln. Band II, Erweiterungsband Die ehemaligen Kirchen, Klöster, Hospitäler und Schulbauten der Stadt Köln. Verlag L. Schwann, Düsseldorf 1937. Nachdruck: Schwann, Düsseldorf 1980, ISBN 3-590-32107-5.
- Ulrich S. Soenius, Jürgen Wilhelm (Hrsg.): Kölner Personen-Lexikon. Greven, Köln 2007, ISBN 978-3-7743-0400-0.
- Arnold Stelzmann, Robert Frohn: Illustrierte Geschichte der Stadt Köln. Bachem, Köln 1958, 1990 (11. Aufl.)
- Wolfgang Schmidt: Bürgerschaft, Kirche und Kunst. Stiftungen an die Kölner Kartause (1450–1550) In: Die Kölner Kartause um 1500. Aufsatzband/Kölnisches Stadtmuseum, Hrsg. Werner Schäffke, Köln 1991, ISBN 3-927396-37-0.
- Hugo Stehkämper (Bearb.): Kölner Neubürger 1356-1798. (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv 61–64). 4 Bände, Köln/Wien 1975–1983. Bd. 1 Nr. 1449,9.
Weblinks
Einzelnachweise
- Leonhard Ennen: Hardenrath, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 590 f.
- Hugo Stehkämper, Kölner Neubürger 1356–1798
- Informationen städtisches Museum Köln
- „Wyndege“: Windeck, Kaufleutegaffel, benannt nach ihrem Gaffelhaus (neu) Windeck auf dem Alter Markt
- „gebrech“: Gebrech, das, was an der vollen „heiligen“ Zahl (7x7) von 49 Ratsherren noch gebricht (fehlt)
- Wolfgang Schmidt: Bürgerschaft, Kirche und Kunst. Stiftungen an die Kölner Kartause (1450–1550) Seite 390–420
- Hermann Keussen, Band I, Tafel Bezirk S. Martin, und S. 51, Sp. 2
- Ludwig Arntz, Heinrich Neu, Hans Vogts, S. 353 und 348 ff
- Hermann Keussen, B. I, S. 50 ff
- Wolfgang Schmidt, Bürgerschaft, Kirche und Kunst. Stiftungen an die Kölner Kartause (1450–1550) Seite 390–420
- Ulrich S. Soenius, Jürgen Wilhelm, S. 214 f
- siehe zu diesem auch Erich Wisplinghoff: Hardenrath, Johann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 663 (Digitalisat).
- Bestandskatalog des Kölnischen Stadtmuseums, S. 102 f
- Hermann Keussen, Band I, S. 269, Sp. 2
- Sammlung Ernst von Oidtmann, Verweis auf: A. Fahne Köln, in: Geschlechter I, S. 129 bis 209
- Wolfgang von Löhneysen, Die Wirklichkeit im Bild: „Von der Antike zur Gegenwart“, 2004
- Stelzmann 11. Auflage 1990, S. 164
- Hermann Keussen, Band I, Tafel Bezirk S. Martin, und S. 52, Sp. 2, S. 44, Sp. 2
- Harald Kümmerling, Zeugnisse für die Musikpflege in der Hardenrath-Kapelle, Colonia Romanica 3, ISSN 0930-8555, 1988, S. 96–98
- nach Willehad Paul Eckert: Köln, Stadt am Rhein zwischen Tradition und Fortschritt, Köln, DuMont Kunst-Reiseführer, 1976. S. 246
- HAStK, Bestand Kartäuser U 2/834
- Reiner Dieckhoff in: Die Kölner Kartause um 1500. Aufsatzband. Herausgeber Werner Schäffke. Kölnisches Stadtmuseum. Köln 1991. Seite 427–467
- Die Kölner Kartause um 1500. Aufsatzband. Herausgeber Werner Schäffke. Kölnisches Stadtmuseum. Köln 1991, Seite 47
- Helmut Signon: Bagger zerstörte die Hardenrathkapelle in Kölnische Rundschau vom 18. März 1970 / Archiv des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz im Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland, Nr. 50104