Hans Rudolf Herren
Hans Rudolf Herren (* 30. November 1947 in Mühleberg) ist ein Schweizer Insektenforscher, Landwirtschafts- und Entwicklungsexperte. Als Pionier in der biologischen Schädlingsbekämpfung bekämpfte er in den 1980er Jahren erfolgreich die Schmierläuse, die in Afrika das wichtige Grundnahrungsmittel Maniok bedrohten. Dies soll entscheidend dazu beigetragen haben, eine Hungersnot zu verhindern.[1] Als erster Schweizer wurde Herren dafür 1995 mit dem Welternährungspreis[2] und 2013 mit dem Right Livelihood Award[3] ausgezeichnet. Letztere Auszeichnung erhielt Herren zusammen mit Biovision – Stiftung für ökologische Entwicklung, welche er 1998 gründete.
Laufbahn
Nach dem Agronomiestudium und dem Doktorat in biologischer Schädlingskontrolle an der ETH Zürich sowie der Anstellung als PostDoc im Bereich biologische Insektenkontrolle an der University of California in Berkeley nahm Hans Rudolf Herren 1979 seine Tätigkeit am International Institute of Tropical Agriculture (IITA, Internationales Institut für tropische Landwirtschaft) in Nigeria auf.[1]
Zu dieser Zeit bedrohte die aus Südamerika versehentlich eingeführte Schmierlaus die Maniokkulturen. Maniok, ursprünglich ebenfalls aus Südamerika importiert, ist in Afrika ein wichtiges Grundnahrungsmittel, das vorwiegend von Kleinbauern angebaut wird und für 200 Millionen Menschen mehr als 50 Prozent der Nahrungsenergie liefert.[1]
Anstelle des weitgehenden wirkungslosen und zugleich umweltbedrohenden Einsatzes von Pestiziden gegen die Schmierläuse implementierte Herren das bis heute grösste biologische Bekämpfungsprogramm. Durch den Einsatz von Schlupfwespen, die 1984 in Paraguay als natürlicher Feind der Schmierlaus identifiziert wurden, konnte der Schädling bekämpft werden. 1993 stellte sich in Afrika ein natürliches Gleichgewicht zwischen Schlupfwespen und Schmierläusen ein, wodurch in 30 Ländern die Schmierlauspopulation auf ein schadenloses Niveau sank. Entgegen der Befürchtungen trat keine große Hungersnot ein, von der bis zu 20 Mio. Menschen betroffen gewesen wären.[1]
Nach seiner Tätigkeit am IITA leitete Herren von 1994 bis 2005 das International Centre of Insect Physiology and Ecology (ICIPE) in Kenia, wo er biologische Lösungen für weitere Schädlingsprobleme entwickelte, insbesondere die Push-pull-Technologie im Mais.[1] Seit 2005 ist er Präsident und CEO des Millennium Institutes in Washington, D.C. (USA), das Regierungen in über 40 Nationen hinsichtlich der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen berät.[4] Zudem war Herren 2008 Mitautor und Ko-Vorsitzender des von sechs UNO Organisationen und der Weltbank beauftragten Weltagrarberichts des Weltagrarrates (IAASTD).[5]
Mit dem Preisgeld des Welternährungspreises und anderen Preisen gründete Hans Rudolf Herren 1998 die gemeinnützige Organisation Biovision, die die Methoden der nachhaltigen Landwirtschaft und biologischen Schädlingsbekämpfung fördert. Ökologisches Denken und Handeln werden durch Basis- und Informationsprojekte in Ostafrika sowie globalen Advocacy-Tätigkeiten gefördert.[6]
Weitere Zugehörigkeiten:
- bis 2007: Präsident International Association for the Plant Protection Sciences (IAPPS), jetzt Ehrenpräsident.
- bis 2010: Mitglied Consortium of International Agricultural Research Centers (CGIAR) Science Council.[7]
- bis 2011: Mitglied Scientific Advisory Council of the Swiss Institute of Technology in Lausanne
- Associate US National Academy of Sciences (NAS)[8]
- Associate Academy of Sciences for the Developing World
- Mitglied Entomological Society of America
- Mitglied African Association of Insect Scientists
- Mitglied International Organization for Biological Control
- Mitglied American Institute of Biological Science
- Mitglied American Association for the Advancement of Science
- Mitglied Worldwatch Institute's Nourishing the Planet Advisory Group.[9]
- Mitglied Club of Rome
- Mitglied World Future Council
- Gründungsmitglied Regeneration International[10]
- Gründungsmitglied Monsanto-Tribunal[11]
Position
Hans Herren ist, basierend auf seinen grossen Erfahrungen in biologischer Schädlingskontrolle, nachhaltiger Landwirtschaft und ländlicher Entwicklung, ein ausgesprochener Befürworter der Agrarökologie und der biologischen, nachhaltigen Landwirtschaft. Genetisch veränderte Organismen (GMO) bringen laut Herren zurzeit, und sehr wahrscheinlich auch in der Zukunft, keinen signifikanten ökonomischen und sozialen Vorteil für mittellose Kleinbauern, da sie durch eine Reduktion der genetischen Diversität der Nutzpflanzen auch die Belastbarkeit der Landwirtschaft erheblich schwächen. Gemäss Herren „produzieren die heutigen GMO nicht mehr Nahrung. Viel eher senken sie in den ersten Jahren die Produktionskosten, bevor Insekten und Unkraut, entsprechend den Erfahrungen mit den Pestiziden, erneut zurückschlagen.“ Besser sei es deshalb, mit einem integrierten agrar-ökologischen, holistischen Ansatz zu arbeiten um Schädlingsplagen zu vermeiden und wenn nötig zu bekämpfen und so Bauern vor kostenintensiven Lizenzverträgen mit Saatgut-Firmen und dem Gebrauch von spezifischen Herbiziden zu schützen.[12]
Herren befürwortet, wie im IAASTD Weltagrarbericht beschrieben, einen Paradigmenwechsel von der industriellen Landwirtschaft mit externer Energieabhängigkeiten zu einer multifunktionalen Landwirtschaft, welche einen Systemansatz für die Produktion und Problemlösungen fördert. In der Forschung und Implementierung empfiehlt der Bericht zu diesem Zweck, mit Blick auf die heutige und zukünftige Ernährungssicherheit, verschiedene Massnahmen auf subglobaler und globaler Ebene.
Auszeichnungen
- 1991: Sir and Lady Rank Preis für Ernährung[13]
- 1991: Merit Award for Outstanding Service to Crop Protection from the XII International Plant Protection Congress at Rio de Janeiro
- 1995: World Food Prize (Welternährungspreis)[14]
- 1995: Kilby International Awards[15]
- 2002: Brandenberger Award für seine Bemühungen um die Verbesserung der Ernährungs- und Lebensgrundlagen
- 2003: Tyler Prize for Environmental Achievement[16]
- 2004: Ehrenprofessor (Prof. h. c.), Hubei University, Wuhan, PRC
- 2004: Ehrendoktor (Doctor es Science Honoris Causa), Kenyatta University, Nairobi, Kenya
- 2010: One World Award[17]
- 2013: Right Livelihood Award («Alternativer Nobelpreis»)[18]
- 2014: SwissAward in der Kategorie «Gesellschaft»[19]
- 2016: Nachhaltigkeitspreis der Neumarkter Lammsbräu
Publikationen von Herren
- So ernähren wir die Welt. Rüfer & Rub Verlag Zürich, 2016. ISBN 978-3-906304-05-2
- Die Ernährungskrise – Ursachen und Empfehlungen in: Universitas 4/2009, S. 335–345. (PDF)
- Ein Wegweiser zur Ernährung der Welt in: Hunger im Überfluss (Worldwatch Institute (Hrsg.))
- Herren, H.R. (2011). "No sustainable development without healthy, nutritious and culturally adapted food for all". UNEP Perspectives on Rio+20 on
- Pretty, Jules; Sutherland, William J.; Ashby, Jacqueline; Auburn, Jill; Baulcombe, David; Bell, Michael; Bentley, Herren, Hans; …. “The top 100 questions of importance to the future of global agriculture”, International Journal of Agricultural Sustainability, Volume 8, Number 4, 30. November 2010
- Herren, H.R.; Mbogo, C. “The Role of DDT in Malaria Control”, Environmental Health Perspectives, 2010
- Beverly D. McIntyre, Hans R. Herren, Judi Wakhungu, Robert T. Watson: „IAASTD International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development: Global Report.“, International Assessment of Agricultural Knowledge, Science, and Technology for Development (Project), Island Press, 2009
- Andrea M. Bassi, A. Drake, E.L. Tennyson and H.R. Herren. 2009. “Evaluating the Creation of a Parallel Non-Oil Transportation System in an Oil Constrained Future”, TRB Conference: Annual Conference of the Transportation Research Board of the National Academies of Science, Engineering, and Medicine, January 11–15, 2009, Washington DC, USA.
- Pasquet RS, Peltier A, Hufford MB, Oudin E, Saulnier J, Paul L, Knudsen JT, Herren HR, Gepts P. 2008. Long-distance pollen flow assessment through evaluation of pollinator foraging range suggests transgene escape distances. PNAS: 2008;105(36):13456-6
- Herren, H. & Baumgärtner, J. (2007). From Integrated Pest Management to adaptive Ecosystem Management. In S.J. Scherr & J.A. McNeely (Eds.), Farming with Nature: the science and practice of ecoagriculture. Washington D.C.: Island Press.
- Fritz J. Häni, Laszlo Pinter and Hans R Herren. 2007. Sustainable Agriculture: from common principles to common practices. Proceeding and outputs of the first symposium of the international forum on assessing sustainability in agriculture. March 16, 2006, Bern, Switzerland. Edited by Fritz J. Häni, Laszlo Pinter and Hans R Herren. Published by IISD
- Leif Christian Stige, Jørn Stave, Kung-Sik Chan, Lorenzo Ciannelli, Nathalie Pettorelli, Michael Glantz, Hans R. Herren, and Nils Chr. Stenseth. From the Cover: The effect of climate variation on agro-pastoral production in Africa. PNAS 2006 103: 3049-3053.
- Herren, H.R. 2005. Sustainable Pest Management for Global Food Security. In: Entymology at the Land Grant University Perspectives from the Texas A&M University Centenary. Kevin M. Heinz, Raymond E. Frisbie, Carlos Enrique Bográn (Eds.), 2003 Texas A&M University Press, College Station, TX / USA
- Herren, H.R. 2003. The War against Poverty: the Way Forward. In Resource Management for Poverty Reduction: Approaches and Technologies, Selected Contributions to Ethio-Forum 2002. Aseffa Abreha, Getachew Tikubet and Johann Baumgaertner (eds). Published by the Ethiopian Social Rehabilitation Fund
- Herren, H.R. 2003. Genetically engineered crops and sustainable agriculture, in: Methods for Risk Assessment of Transgenic Plants, 35, IV. Biodiversity and Biotechnology. K. Ammann, Y. Jacot and R. Braun (eds), 2003 Birkhäuser Verlag Basel/Switzerland
- Zeddies J., Schaab R.P., Neuenschwander P., Herren H.R. Economics of biological control of cassava mealybug in Africa (2001) Agricultural Economics, 24 (2), pp. 209–219.
- Herren, H.R., Neuenschwander, P. 1991. Biological control of cassava pests in Africa. Annual Review of Entomology 36:257-283.
- Gutierrez, A.P, B. Wermelinger, F. Schulthess, J.U. Baumgärtner, H.R. Herren, C.K. Ellis & J.S. Yaninek, 1988. Analysis of biological control of cassava pests in Africa: I. Simulation of carbon, nitrogen and water dynamics in cassava. Journal of Applied Ecology, 25:901-920.
- Herren, H.R., P. Neuenschwander, R.D. Hennessey & W.N.O. Hammond, 1987. Introduction and dispersal of Epidinocarsis lopezi (Hymenoptera: Encyrtidae), an exotic parasitoid of the cassava mealybug, Phenacoccus manihoti (Homoptera: Pseudococcidae), in Africa. Agricultural Ecosystems and Environment, 19:131-144.
- Herren, H.R., 1987. Africa-wide biological control project of cassava and cassava green mites: A review of objectives and achievements. Insect Science and Application, 8:837-840.
Herren war ausserdem koordinierender Autor des Landwirtschaftskapitels im UNEP "Green Economy Report" (2011).[20]
Publikationen über Herren
- Herbert Cerutti: Wie Hans Rudolf Herren 20 Millionen Menschen rettete. Die ökologische Erfolgsstory eines Schweizers. Orell Füssli, Zürich 2011, ISBN 978-3-280-05409-3[1]
- Beat Pfändler: Swiss Guest Book. Porträts inspirierender Persönlichkeiten. Offizin, Zürich 2007, ISBN 978-3-907496-51-0
- WOZ Mai 2015: Durch den Monat mit Hans Rudolf Herren: Portrait in vier Teilen; Was tragen Nestlé und Syngenta zur Welternährung bei?, Grüne Revolution, das klingt doch gut?, Was haben Sie gegen die Entwicklungsländer?, Sind Sie eigentlich grössenwahnsinnig?
Weblinks
- Biovision
- Hans Herren – Foto IAASTD
- Porträt bei rightlivelihoodaward.org (englisch)
- Publikationen von und über Hans Rudolf Herren im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- Herbert Cerutti, Wie Hans Rudolf Herren 20 Millionen Menschen rettete, Zürich 2011, ISBN 978-3-280-05409-3
- 1995: Herren - The World Food Prize - Improving the Quality, Quantity and Availability of Food in the World
- Archivlink (Memento des Originals vom 2. Oktober 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Archivlink (Memento des Originals vom 28. Januar 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- http://www.weltagrarbericht.de/fileadmin/files/weltagrarbericht/Neuauflage/WegeausderHungerkrise_klein.pdf
- http://www.biovision.ch/ueber-uns/wer-wir-sind/
- Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 23. Oktober 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- National Academy of Sciences. Nasonline.org. Abgerufen am 24. Oktober 2012.
- Meet the Nourishing the Planet Advisory Group: Hans Herren. Nourishing the Planet. 23. April 2010. Abgerufen am 24. Oktober 2012.
- Regeneration International
- Monsanto Tribunal
- http://www.globalchange-discussion.org/interview/hans_herren (Memento vom 15. November 2014 im Internet Archive)
- Hans Herren | Genøk - Centre for Biosafety (Memento des Originals vom 26. März 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- http://www.worldfoodprize.org/en/laureates/19871999_laureates/1995_herren/
- The Kilby International Awards Foundation
- Archivlink (Memento des Originals vom 27. September 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- One World Award 2010, Biographie des Preisträgers Hans R. Herren. Abgerufen 30. September 2013
- Archivlink (Memento des Originals vom 2. Oktober 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Manuela Donati, Markus Krucker: «SwissAward»: Die Gewinner im Überblick. In: SRF 1 vom 12. Januar 2014
- UNEP Green Economy Report - Agriculture Chapter (PDF) United Nations Environment Programme. Dezember 2011. Abgerufen am 24. Oktober 2012.