Hans-Christian Köllmer
Hans-Christian Köllmer (* 11. März 1947 in Arnstadt) ist ein deutscher Politiker der Freien Wählergemeinschaft Pro Arnstadt. Von 1994 bis 2012 war er Bürgermeister seiner Geburtsstadt.
Werdegang
Geboren wurde der Sohn von Dorothea Köllmer und dem Kaufmann Hans Joachim Köllmer in Arnstadt. Dort besuchte er von 1954 bis 1964 eine Polytechnische Oberschule und begann im Anschluss eine Lehre als Kfz-Elektromechaniker. In Erfurt absolvierte er seinen 18-monatigen Grundwehrdienst bei der NVA. Nach einem kurzen Ausbildungsverhältnis beim VEB Dienstleistungskombinat Arnstadt trat er ein Arbeitsverhältnis im elterlichen Betrieb Fritz B. Köllmer an und erlernte hier den Beruf des Wirtschaftskaufmannes. 1975 übernahm Köllmer gemeinsam mit der Tochter des bisherigen Gastwirtes, Gabriele Viola Reumschüssel, die Gaststätte Triglismühle in Siegelbach. Seit 1976 sind beide miteinander verheiratet und haben heute zwei Kinder.
In der Wendezeit 1989 war Hans-Christian Köllmer in der Bürgerbewegung Neues Forum aktiv und kandidierte im folgenden Jahr erfolgreich bei der Bürgermeisterwahl in den Dörfern Siegelbach, Dosdorf und Espenfeld. Nach der Eingemeindung dieser Ortsteile in die Gemeinde Arnstadt wurde Köllmer Ortsteilbürgermeister. Bald darauf war er Gründungsmitglied von Pro Arnstadt, einem Lokalverein der Freien Wählergemeinschaft. 1994 stellte sich Köllmer als deren Kandidat für das Bürgermeisteramt der Stadt Arnstadt zur Wahl und konnte diese Wahl für sich entscheiden. In den Jahren 2000 und 2006 (50,8 % der Stimmen)[1] wurde er im Amt bestätigt. Zur Bürgermeisterwahl 2012 trat Köllmer aus Altersgründen nicht mehr an.
Köllmer rechnet sich dem „bürgerlich konservativen Lager“ mit einem „klaren Standpunkt Pro Wirtschaft/Industrie“ zu.[2]
Mediale Wahrnehmung
Im Dezember 2000, als in Österreich die FPÖ an der Bundesregierung beteiligt war, besuchte Köllmer deren Parteichef Jörg Haider. Das Treffen wurde kritisiert, weil die EU-Staaten die österreichische Bundesregierung offiziell boykottierten und Köllmer den Protest von jüdischen Gemeinden und Weltkriegsveteranen gegen einen Besuch Haiders in Rom abschätzig kommentierte. Ein formeller Abwahlantrag im Januar 2001 scheiterte mit elf zu dreizehn Stimmen.[3]
Im Jahr 2002, während der öffentlichen Diskussionen um den privaten Schusswaffengebrauch nach dem Amoklauf von Erfurt, befestigte Köllmer im Zuge einer Visier-Aktion[4] einen Aufkleber mit der Aufschrift „Ich bin die Waffenlobby“ an seinem Dienstwagen. Köllmer wurde in einem Beschluss des Stadtrates im Dezember 2002 angewiesen, den Aufkleber wieder zu entfernen.[5]
Im Juni 2009 wurde unter Duldung Köllmers die Durchführung des 8. Thüringentags der nationalen Jugend in dem zentral gelegenen Schlosspark genehmigt.[6] Wenige hundert Meter entfernt fanden zeitgleich sowohl eine Demonstration gegen die Veranstaltung als auch das länger geplante, traditionelle Schlossfest statt. Im Vorfeld auf diesen Umstand angesprochen und mit dem Vorwurf konfrontiert, ein „kleiner Nazi“ zu sein, antwortete Köllmer „Im Nazi ist mir zu viel Sozialismus drin“,[7] was starke Proteste hervorrief.
Im März 2010 geriet er verstärkt in die Kritik, die später mit einem Bericht der Gazeta Wyborcza auch in Polen thematisiert wurde.[8] Köllmer hielt im Dezember 2009 auf einer Bundesversammlung der Bürgerbewegung pro Deutschland eine Rede und unterschrieb Ende Januar 2010 deren offenen Brief zur Unterstützung Thilo Sarrazins,[9] nachdem der Politikwissenschaftler Gideon Botsch in einem Gutachten Sarrazin wegen seiner Äußerungen im September 2009 öffentlich Rassismus vorwarf.[10] Auf seine Tätigkeiten angesprochen, stellte Köllmer im März 2010 in einem Zeitungsinterview die Frage „Wird heute wieder ausgegrenzt, wie im Dritten Reich die Juden?“,[6] die sich auf rechte Gruppen bezog[11] und wofür er sich später entschuldigte.[12] All dies sowie Köllmers Ankündigung, pro Deutschland beitreten und in Thüringen zu mehr Geltung verhelfen zu wollen, führte zu einem Streit mit Thüringens Innenminister Peter Huber[13] und vielfach zu Rücktrittsforderungen, unter anderen von der deutschen Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt.[14] Ein formeller und insgesamt vierter[15] Abwahlantrag im Stadtrat bekam nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit und wurde mit elf zu dreizehn Stimmen abgelehnt.[16] Im Juni und Oktober desselben Jahres wurde das Agieren von Köllmer in Kleinen Anfragen thematisiert, eine an die Thüringer Landesregierung[17] und eine an die deutsche Bundesregierung.[18]
Im Dezember 2010 ließ Köllmer ein Plakat aufhängen, auf dem die finanzpolitische Sprecherin der Thüringer CDU-Landtagsfraktion, Annette Lehmann, zur „unerwünschten Person“ erklärt wurde. Vorausgegangen war ein Streit über den kommunalen Finanzausgleich zwischen mehreren Städten und dem Land Thüringen sowie missglückte Gesprächsversuche. Das Plakat trug die hoheitlichen Kennzeichen der Stadt und wurde aus dem Arnstädter Haushalt finanziert.[19] Nach einer Rüge durch die Thüringer Kommunalaufsicht wechselte es Anfang Januar von der Litfaßsäule auf dem Markt zu einem Nebeneingang des Rathauses.[20]
Mitgliedschaften
Neben der FWG Pro Arnstadt e.V. ist Köllmer Mitglied bei folgenden Vereinigungen:
- Deutsches Rotes Kreuz
- Freundschaftsverein der Partnerstädte von Arnstadt
- Brunnenverein Arnstadt
- Schützenverein Arnstadt
Einzelnachweise
- Wahlergebnisse der Bürgermeisterwahl 2006 in Arnstadt, Webseite des Thüringer Landesamtes für Statistik, abgerufen am 22. Oktober 2010
- Beschreibung auf hans-christian-koellmer.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 22. Oktober 2010
- Thomas Klämt: CDU Arnstadt: Kollektiver Gedächtnisverlust oder Methode? (Nicht mehr online verfügbar.) In: Freies Wort. 13. März 2010, archiviert vom Original am 25. Juli 2010; abgerufen am 5. Februar 2014. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Matthias Thieme: Mit offenem "Visier". In: die tageszeitung. 2. August 2002, abgerufen am 5. Februar 2014.
- Beschluß Nr. 2002/1080 vom 19.12.2002. Entfernung des Aufklebers „Ich bin die Waffenlobby“ In: Amtsblatt der Stadt Arnstadt und deren Ortsteile, Seite 5, auf Arnstadt.de, 18. Januar 2003, abgerufen am 9. November 2010
- Olaf Sundermeyer: Rechtspopulismus. Ein Bürgermeister auf Haiders Spuren. In: Die Zeit. 9. Juni 2010, abgerufen am 5. Februar 2014.
- Irritierendes aus Arnstadt: Rechtsextreme feiern "Thüringentag" neben städtischem "Traditionsfest". In: "Netz gegen Nazis", 27. Mai 2009, abgerufen am 9. November 2010
- Bartosz T. Wieliński: Brunatny burmistrz. In: Gazeta Wyborcza. 15. Juni 2010, abgerufen am 5. Februar 2014 (polnisch).
- Offener Brief der Bürgerbewegung pro Deutschland an Thilo Sarrazin, datiert auf den 30. Januar 2010 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , auf einer Webseite von Pro Deutschland, abgerufen am 9. November 2010
- Sarrazin-Streit geht in neue Runde. Gutachten spricht von Rassismus. In: n-tv.de. 8. Januar 2010, abgerufen am 5. Februar 2014.
- Kritik an Arnstadts Bürgermeister nach NS-Vergleich. In: Freies Wort. 8. März 2010, abgerufen am 5. Februar 2014.
- Arnstädter SPD fordert Rücktritt des Bürgermeisters. In: Thüringer Allgemeine. 10. März 2010, abgerufen am 5. Februar 2014.
- Eberhardt Pfeiffer: Engagement bei "Pro Deutschland": Köllmer verärgert CDU. In: Thüringer Allgemeine. 29. März 2010, abgerufen am 5. Februar 2014.
- Kritik an Köllmer und Kreistag. In: Thüringische Landeszeitung. 22. März 2010, abgerufen am 5. Februar 2014.
- Stellungnahmen zum Abwahlantrag gegen H.C. Köllmer. spd-arnstadt.de, abgerufen am 9. November 2010
- Abwahlantrag gegen Köllmer mit 13:11 Stimmen abgelehnt. In: Thüringer Allgemeine. 21. Mai 2010, abgerufen am 5. Februar 2014.
- Kontakte von Mitgliedern der Fraktion "Pro Arnstadt" zu Pro Deutschland bzw. anderen rechtspopulistischen oder rechtsextremen Personen und Gruppierungen. docs.google.com, zitiert vin ljrt-online.de, 14. Juni 2010, abgerufen am 9. April 2012
- Erkenntnisse der Bundesregierung zu den Aktivitäten der Partei „pro Deutschland“, insbesondere zu deren Bundesparteitag am 17. Juli 2010 in Berlin. bundestag.de, 6. Oktober 2010, (PDF; 78 kB), abgerufen am 16. Februar 2011
- (hum): Plakataktion von Köllmer vorerst ohne Folgen. In: Freies Wort. 22. Januar 2011, abgerufen am 5. Februar 2014.
- (ep): Kommunalaufsicht rügt Plakataktion des Arnstädter Bürgermeisters. In: Thüringer Allgemeine. 5. Januar 2011, abgerufen am 5. Februar 2014.