HMS Inflexible (1881)
Die HMS Inflexible war ein gepanzertes Turmschiff, in dem die Hauptbewaffnung in der Schiffsmitte in zwei diagonal versetzten Türmen aufgestellt war.
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Konstruktion
In den 1870er Jahren statteten die Italiener ihr Schlachtschiff Duilio mit zwei Türmen aus, die jeweils einen 100 Tonnen schweren Vorderlader trugen. Als Reaktion Großbritanniens erfolgte 1874 der Bau der HMS Inflexible, die 80-Tonnen-Geschütze trug. Entworfen wurde sie von Nathaniel Barnaby nach dem Vorbild der italienischen Schiffe.[1] Trotz der immer noch vorhandenen Segeltakelage (1885 entfernt) befanden sich viele Neuerungen in der Schiffskonstruktion. Ihre Panzerung und Bewaffnung war die bisher stärkste in der Royal Navy. Sie war das erste Schiff, das voll elektrifiziert war und Unterwassertorpedorohre hatte. Das Schiff war in wasserdichte Abteilungen unterteilt und sollte schwimmfähig bleiben, selbst wenn die ungepanzerten Enden geflutet waren.[2]
Das Laden der riesigen Geschütze im Gefecht stellte die Waffenkonstrukteure jedoch vor große Probleme, da die Geschützläufe kurz gehalten werden mussten, um das Nachladen an Bord von Schiffen zu erleichtern. Zudem war das Nachladen der Geschütze ein langwieriger Prozess, sodass sie eine langsame Feuerrate hatten.[3]
Dienst
Nach der Fertigstellung wurde das Schiff zum Mittelmeergeschwader entsandt.
Bewaffnung
Hauptbewaffnung
Die Hauptbewaffnung bestand aus vier 406 mm Vorderladerkanonen. Jede Kanone wog 81 t. Die Diagonalaufstellung erlaubte mit allen vier Kanonen, Breitseiten zu schießen. Hierfür waren in den Schiffsaufbauten spezielle Durchbrüche vorgesehen. Die schmal gehaltenen Schiffsaufbauten ließen im Gefecht theoretisch auch das Schießen beider Türme entlang der Längsseite zu. In der Praxis wurde dies aber vermieden, weil durch den Luftdruck des Abschusses immer die Gefahr bestand, lose Teile – wie etwa die Beiboote – zu beschädigen.
Zum Laden mussten die Kanonen stets zu einer Ladevorrichtung außerhalb des Turms gedreht werden, die sich unter dem Oberdeck befand. Für die bei Vorderladern benötigten langen Ansetzer zum Festrammen der Munition war innerhalb des Turms kein Platz. Das Rohrende wurde gesenkt und von dort neu geladen (siehe Bild links). Die Kadenz lag bei einem Schuss alle zwei Minuten (das Anfahren zur Ladeposition nicht mitgerechnet). Für damalige Geschütze dieses Kalibers eine herausragende Leistung. Das hydraulische Schwenkwerk benötigte für eine Turmdrehung ca. eine Minute.
- Geschützturm der HMS Inflexible
- Geschützturm Querschnitt (Ladeposition)
Torpedos
Das Schiff war mit zwei Unterwasser-Torpedo-Rohren ausgestattet. Dabei handelte es sich um gusseiserne Zylinder, die an einem Drehgelenk im Rumpf befestigt waren, eines an jedem Bug. Im Inneren des Schiffes war das gegenüberliegende Ende an einer Skala für die Zielerfassung befestigt. An beiden Enden des Rohrs befand sich eine wasserdichte Tür. Die 14-Zoll-Torpedos (360 mm) wurden in einen Messingzylinder geladen, der in das Eisengussstück geschoben wurde. Um den Torpedo abzufeuern, wurde die äußere Tür geöffnet und eine 3,0 m lange Führung ausgefahren, die dem Torpedo half, die Strömungen um das Schiff zu überwinden. Ein Kolben im Messingzylinder drückte den Torpedo heraus, wenn er abgefeuert werden sollte, und gleichzeitig wurde sein eigener Druckluftmotor gestartet.[4]
Rammvorrichtung
Das Schiff war mit einem Rammsporn am Bug unterhalb der Wasserlinie ausgerüstet. Seit der Versenkung der Re d’Italia durch die Ferdinand Max in der Seeschlacht von Lissa 1866[3] erlebte diese Kampftaktik eine kurzzeitige Renaissance.
Panzerung
Die Inflexible verfügte über eine stark gepanzerte zentrale Zitadelle, in der sich die Antriebsanlage und die Munitionskammern befanden und auf der die beiden Türme aufgestellt waren. Das Vorschiff und Achterschiff waren durch ein Panzerdeck und eine starke Unterteilung geschützt.[5]
Die Seitenpanzerung der Zitadelle war 1,20 m hoch und bestand aus mehreren Schichten Eisen und Teakholz (so. Sandwichpanzerung): Außen lag in der Wasserlinie eine 30,5 cm dicke Eisenplatte. Dahinter befand sich eine 28 cm dicke Teakholzarmierung, die auch die Querspanten enthielt. Es folgte eine weitere 30,5 cm starke Eisenplatte und dann die 15,2 cm starke Längsspanten mit einer Teakholzfüllung. Nach innen abgeschlossen wurde das System von zwei 15,9 mm starken Platten. Insgesamt war die Panzerung etwas über 1 m stark und wog fast 5,4 t pro Quadratmeter. Oberhalb der Wasserlinie war die innere Panzerplatte 20,3 cm stark, unterhalb 10,2 cm.[A 1] Die Teakholzplatten waren jeweils entsprechend dicker, so dass die Gesamtdicke erhalten blieb. Warum die Panzerung aus zwei Platten bestand, ist unklar. Es wurden schon 1877 55,9 cm starke Panzerplatten hergestellt, und es war bereits bekannt, dass eine massive Platte widerstandsfähiger war als zwei dünnere Platten mit gleicher Gesamtdicke.[5]
Das gewölbte Panzerdeck im Vor- und Achterschiff bestand aus 7,6 cm Schmiedeeisen und lag ca. 2 m unter der Wasserlinie. Das Deck darüber war in zahlreiche Lagerräume aufgeteilt, deren Ladung mit Kohle und Vorräten die Menge und damit die Auswirkung von eindringendem Wasser begrenzt hätte. Außerdem befanden sich an den Schiffsseiten korkgefüllte Tanks mit einer Höhe und Tiefe von jeweils 1,2 m, an die sich 61 cm tiefe Kofferdamms anschlossen, die werggefüllte Leinwand enthielten. Eine sorgfältige, zeitgenössische Studie der britischen Marine kam zu dem Schluss, dass das Schiff mit völlig wassergefüllten Enden[A 2] zwar kampfunfähig, aber überlebensfähig wäre. Mittlerweile ist klar, dass in einem solchen extremen Zustand die Wasserdichtigkeit der gepanzerten Zitadelle fraglich wäre. In jedem Fall bot das System einen guten Schutz.[5]
Die Türme hatten ebenfalls eine Sandwichpanzerung: eine Außenschicht aus 25,4 cm Compoundpanzerung, gefolgt von 45,7 cm Teak und 17,8 cm Schmiedeeisen.[5]
Antrieb
Das Schiff verfügte über zwei Verbunddampfmaschinen, mit je einem Hochdruck- und zwei Niederdruckzylindern, die von John Elder and Company hergestellt wurden. Das Schiff verfügte über weitere 39 kleinere Motoren für verschiedene Zwecke, darunter Bilgepumpen, die 300 Tonnen Wasser pro Stunde bewegen konnten, Pumpen für das Kühlwasser in den Dampfkondensatoren, Ventilatoren, die die Luft durch ein System von Lüftungskanälen durch das Schiff zogen, Ruderanlagen, Hydraulikpumpen für die Kanonen, Luftkompressoren, Winden und zur Stromerzeugung. Der Maschinenraum war laut, nass, fettig, ölig und dampfig. Es war normal, dass aus den Motoren Dampf austrat und die Lager heiß liefen, so dass sie mit einem Schlauch abgespritzt werden mussten, um sie in Betrieb zu halten. Alle wichtigen Geräte befanden sich innerhalb der gepanzerten Zitadelle.[4]
Darüber hinaus besaß die Inflexible noch eine vollständige Rahtakelung mit 1.700 m² Segelfläche, die aber im Jahr 1885 durch einfache Masten zum Tragen von Signalflaggen ersetzt wurde.[5][6]
Einsätze
Sie nahm 1882 während des Urabi-Aufstandes (Urabi-Bewegung) unter dem Kommando von John Fisher an der Bombardierung von Alexandria teil.[7]
Literatur
- Tom Perlmutter: War machines, sea. Octopus Books, London 1975, ISBN 0-7064-0415-7, S. 76–77 (englisch, Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
- Oscar Parkes: British Battleships. ISBN 0-85052-604-3.
- Conway’s All the World's Fighting Ships. ISBN 0-85177-133-5.
- Ulrich Israel, Jürgen Gebauer: Kriegsschiffe im 19. Jahrhundert. 1. Auflage, Verlag Gondrom, Bindlach 1989, ISBN 3-8112-0626-5.
Weblinks
Anmerkungen
- Die "krummen" metrischen Angaben ergeben sich aus der Umrechnung aus dem angloamerikanisches Maßsystem: Die Dicken entsprechen 12, 6, 4 bzw. 5/8 Zoll (Einheit), die Fläschendichte 1100 lbs pro Quadratfuß.
- Völlig wassergefüllt bedeutet, dass die Ladung komplett herausgespült wäre. Die Quelle macht nicht deutlich, ob nur die Räume über dem Panzerdeck oder auch die darunter liegenden als überflutet angenommen wurden.
Einzelnachweise
- Leo Marriott: Battleships. Igloo, 2011, ISBN 978-0-85734-806-7, S. 33–34 (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
- Ulrich Israel, Jürgen Gebauer: Kriegsschiffe im 19. Jahrhundert. 1989, ISBN 3-8112-0626-5, S. 61.
- Nick Grant, Angus Konstam, Leo Marriott: Warships – from the galley to the present day. Gramercy Park, New York 2001, ISBN 0-517-16386-1, S. 69 (englisch, Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
- Peter Padfield: The battleship era S. 86-87.
- David K. Brown: Warrior to Dreadnought. Warship Design and Development 1860–1905. Seaforth Publishing, Pen & Sword Books Ltd, Barnsley 2014 (Nachdruck der Auflage von 2010), Erstausgabe Chatham Publishing 1997, ISBN 978-1-84832-086-4, S. 63–66.
- David K. Brown: A Century of Naval Construction – The History of the Royal Corps of Naval Constructors 1883–1983.
- Henry S. Morga: The Fisher revolution reforms in the Royal Navy, 1890–1910 – early naval management in action. U.S. Naval Postgraduate School, Monterey, California 1964, S. 39 (englisch, Textarchiv – Internet Archive).