Grundschule an der Oselstraße
Die Grundschule an der Oselstraße (genannt Oselschule) im Münchner Stadtteil Pasing ist hervorgegangen aus einer privaten Höheren evangelischen Töchterschule, später Realgymnasium für Mädchen und Evangelischen Bekenntnisschule (Volksschule).
Grundschule an der Oselstraße | |
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Schulform | Grundschule |
Gründung | 1908 |
Ort | München (Pasing) |
Land | Bayern |
Staat | Deutschland |
Koordinaten | 48° 9′ 11″ N, 11° 27′ 39″ O |
Träger | Freistaat Bayern |
Schüler | 287 (Stand: Schuljahr 2011/2012)[1] |
Website | www.oselschule.musin.de |
Gebäude
Die Bildungsinstitution wurde nach Plänen des renommierten Jugendstilarchitekten Richard Riemerschmid in der Oselstraße gebaut. Die Hausfassade ist durch Putzgesimse und Fensterpilaster gegliedert und der obere Abschluss an den Süd- und Nordgiebeln ist barockisierend geschwungen. Die Dachform wurde als sogenanntes Schopfwalmdach ausgebildet.
Geschichte
1907 wurde der Evangelische Mädchenschulverein gegründet, da sich nach der Erhebung von Pasing zur Stadt im Jahre 1905 viele evangelische Bürger – vornehmlich in den neuentstandenen Villenkolonien I und II – niederließen und sich eine konfessionell gebundene höhere Bildungsinstitution für ihre Töchter wünschten. In einem Zimmer der Gaststätte Steinerbad begann Berta Hamer 1908 mit dem einklassigen Schulbetrieb für Mädchen der gehobenen Bürgerschicht. Da jedes Jahr eine weitere Klasse hinzu kam, war die Raumnot sehr groß und die Schule musste öfters umziehen. Der angesehene Pasinger Bürger und Ökonom Arthur Riemerschmid stiftete dem konfessionell gebundenen Mädchenschulverein ein großes Grundstück an der Richard Wagner Straße zum Bau einer privaten Höheren evangelischen Töchterschule. 1914 konnte die Bildungsinstitution das neue Haus beziehen. Bedingt durch die Wirren des Ersten Weltkrieges sah sich die Hamerschule in ihrer Existenz bedroht.
1920 übernahm Martha von Grot, eine aus dem Baltikum vertriebene deutschstämmige Lehrerin, die Leitung der Höheren Mädchenschule, seit 1924 Mädchenlyzeum. In enger Zusammenarbeit mit Georg Kerschensteiner sowie Marie Freiin von Gebsattel führte sie die reformpädagogische Methode des erziehenden Unterrichts ein, „der neben der Vermittlung von Lerninhalten zugleich die Weiterentwicklung der Persönlichkeit unterstützen soll“, beruhend u. a. auf dem Grundprinzip der freien, geistigen Selbsttätigkeit (Eigentätigkeit, Freitätigkeit) (Schwertberger 1998, S. 37). Die Grotschule, wie man sie bald nannte, entwickelte sich zu einer weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Musteranstalt. In einem Gutachten an das preußische Unterrichtsministerium bezeichnete Georg Kerschensteiner die Grotschule als eine Musteranstalt in experimentalpädagogischem Sinne. Die Methode des erziehenden Unterrichts war so erfolgreich, dass sich auch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus veranlasst sah, in den Jahren 1930 und 1931 Einführungskurse in den erziehenden Unterricht, zunächst auf der Grundlage des Deutschunterrichts, durchzuführen.
Ein weiteres Novum der Grotschule war seinerzeit ihr Gymnastikunterricht, den eine in Loheland ausgebildete Lehrerin erteilte. Dieser durchbrach die Ziele und Methoden des traditionellen Sportunterrichts, der sich, geleitet von den Zielen der Wehrertüchtigung, an Geräte- und Ordnungsübungen orientierte. Neue Formen des Gymnastikunterrichts waren die künstlerische Ausdrucksgestaltung durch rhythmische Gymnastik nach Émile Jaques-Dalcroze sowie die schwedische Gymnastik nach Pehr Henrik Ling. Der Unterricht ging von spontaner freier Bewegung aus.
Besonderen Wert legte Martha von Grot auf die christliche Prägung der Schule. Für sie war Religion nicht nur ein Unterrichtsfach, sondern bestimmte das ganze Leben. Demzufolge ist der Religionsunterricht das „Herz des gesamten Schulunterrichts…, denn von ihm gehen fortlaufend die belebenden Kräfte für den Geist der Klasse aus“ (Gebsattel 1949, S. 26).
Martha von Grot und einige ihrer Mitarbeiterin verließen nach sieben Jahren Pasing. Der Direktor der Herrnhuter Brüdergemeine in Neuwied am Rhein, Walter Wedemann, konnte die Schulleiterin für den Aufbau der dortigen Mädchenanstalt gewinnen. Die Grotschule und das Töchterheim wurden im Sinne von Martha von Grot weitergeführt, zum Teil durch ehemalige Schülerinnen.
Da die Schule zusehends wuchs, errichtete der »Evangelische Mädchenschulverein« in unmittelbarer Nähe der Schule „für die internen Mädchen“ ein Töchterheim für 30 Zöglinge. Hier sollten die Mädchen betreut werden, die keinen Schutz im Elternhaus fanden (Pasinger Archiv 1996, S. 34).
Im Jahre 1941 übernahm die Stadt München die »Grotschule«. Ein geregelter Schulbetrieb war während der Kriegsjahre nur schwer möglich. Im Frühjahr 1945 wurde das Schulhaus durch einen Bombenangriff beschädigt. Das Kriegsende am 8. Mai 1945 bedeutete das vorläufige „Aus“. Sieben Monate später konnte wieder mit dem regulären Unterricht, in einem notdürftig hergerichteten Raum des Internatskellers, begonnen werden.
Bis 1958 beherbergte die ehemalige »Grotschule« das „Realgymnasium für Mädchen“ (das spätere Elsa-Brändström-Gymnasium). Bis dahin waren die evangelischen Volksschüler als Gäste in verschiedenen Schulhäusern Pasings und Obermenzings untergebracht. Als Beispiel sei die Katholischen Mädchenvolksschule des Klosters der Englischen Fräulein an der Institutstraße 4 genannt, wo die „Evangelische Volksschule Pasing“ von 1948 bis 1958 Gaststatus beanspruchen durfte. Für deren unteren zwei Klassen wurde immerhin ein eingeschossiges Nebengebäude unmittelbar am vorhandenen Haus angedockt. 2017 wurde das gesamte Gebäude abgerissen.
1958 wurde die Einrichtung an der Oselstraße zu einer evangelischen Bekenntnisschule (Volksschule) umgewandelt. Allerdings herrschte großer Raummangel im neuen schönen alten Schulhaus. Fünf weitere Klassen mussten nach wie vor ausgelagert werden, sechs Klassen hatten an der Oselschule Schichtunterricht. Die Pasinger Lokalzeitung Der Würmtalbote schrieb am 30. April 1958: „Seit ihrem Einzug in das Schulhaus an der Oselstraße ist die Protestantische Schule Pasings des Glücks voll. Ihr ist es wie einer Familie, die aus einem Notquatier heraus endlich eine schöne Wohnung erhalten hat“ (zit. n. Grundschule an der Oselstraße 1988, S. 42).
Am ersten Tag des Schulbeginns im Jahre 1964 belagerten Hörfunk, Fernsehen und Presse das Schulgebäude, weil als Erstklässler der millionste Bürger (Das Millionenbuaberl) der Stadt München eingeschult wurde.
1968 wurden in Bayern die Bekenntnisschulen abgeschafft und ein Jahr später, mit Schulbeginn im September 1969, nahm die Grundschule an der Oselstraße den Betrieb auf. Im Schuljahr 1974/1975 besuchten 521 Kinder die Bildungsstätte. Demzufolge musste (wieder einmal) Schichtunterricht eingeführt werden. Da das alte Schulgebäude und der 1965 errichtete Neubau aus den Nähten zu platzen drohten, waren in den folgenden Jahren mehrere erweiternde Neubaumaßnahmen notwendig.
Seit Anfang des Schuljahrs 2002/2003 gibt es eine integrative Klasse mit ca. 5 Kindern mit einer Behinderung und seit 2003/2004 eine integrative Nachmittagsbetreuung. Zusätzliche Unterrichtsangebote im Rahmen von Förderkursen, Neigungsgruppen (z. B.: Deutsch, Schulgartengruppe) und Arbeitsgemeinschaften ergänzen den Kernunterricht.
Im Schuljahr 2011/2012 besuchten ca. 290 Schüler die Oselschule.
Schulleiter
- Berta Hamer 1908–1920
- Martha von Grot 1920–1927
- Luise Hess 1927–1938
- Wilhelm Fellmann 1938–1939
- Maria Zwanziger 1939–1945
- Wilhelm Fellmann 1945–1953
- Bernhard Scheidler 1953–1962
- Georg Lang 1962–1974
- Gertraud Helbig 1974–1979
- Werner Ziebolt 1979–1982
- Hermann Wirth 1982–1991
- Hildegard Broßmann 1991–1999
- Christian Marek 1999–2015
- Nicole Söldenwagner (seit 2015)[2]
Ehemalige Schüler
- Manfred Berger, Erziehungswissenschaftler
- Elke Kratzer, Filmproduzentin
- Wolfgang Lauter, Grafik-Designer, Fotograf
Literatur
- Fritz Blum: Die Zinzendorfschule in Neuwied. Ein neur Weg zur christlichen Schulerziehung, München 1932
- Marie Freiin von Gebsattel: Schule des erziehenden Unterrichts (Grotschule), Paderborn 1949
- Grundschule an der Oselstrasse (Hrsg.): 30 Jahre Oselschule, München-Pasing 1988
- Erna Schwertberger: Martha von Grot. Leben und Werk einer Reformpädagogin, München 1998 (unveröffentlichte Diplomarbeit)
- Gertrud Marchand/Irmgard Schmidt: Die Grotschule in Pasing. In: Landeshauptstadt München (Hrsg.): Zur Geschichte der Erziehung in München, München 2001, S. 78–87
- Grundschule an der Oselstrasse (Hrsg.): Festschriftkalender zur 50-Jahr-Feier Juni 2008, München 2008
- o. V.: Sie behütete die Unbehüteten. Rut Kannengießer und das Mädchenwohnheim. In: Pasinger Archiv, 15. Jhg., Jubiläumsausgabe 1996, S. 30–42
- o. V.: In der halben Welt eine Freundschaft fürs ganze Leben. Die 47er-Schülerinnen der Grotschule. In: Pasinger Archiv, 27. Jhg., Ausgabe 2008, S. 31–44
- Manfred Berger: Martha von Grot – Leben und Wirken einer in Vergessenheit geratenen Reformpädagogin, in: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 2009/H. 4, S. 20–27
- Manfred Berger: GROT, Martha von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 30, Bautz, Nordhausen 2009, ISBN 978-3-88309-478-6, Sp. 523–531.
Weblinks
Einzelnachweise
- Volksschule München an der Oselstraße auf der Webseite des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus; Abgerufen am 13. Februar 2012
- http://www.oselschule.musin.de/