Gjortsche Petrow
Gjortsche Petrow (auch Georgi Nikolow Petrow[1], bulgarisch Георги Петров Николов, genannt Gjortsche bulgarisch Гьорче; * 2. April 1865 in Varoš bei Prilep, damals Oschmanisches Reich, heute in Nordmazedonien; † 28. Juni 1921 in Sofia, Bulgarien) war ein bulgarischer Revolutionär, Schulfunktionär und hoher Beamter. Petrow war Mitglied der bulgarischen Befreiungsbewegung im Osmanischen Reich und derer Organisationen BGRZK und IMORO sowie Funktionär der letzteren.
Leben
Gjortsche Petrow wurde am 1865 im osmanischen Dorf Varoš, heute Teil von Prilep geboren. Sein Vater Petre war Lehrer und stammte aus dem nahen Trojaci. Gjortsche besuchte die bulgarische Schule vor Ort. Unter seine Lehrer waren Josif Kowatschew und Nikola Enitscherew. Als die Aufnahme im Sofioter Knabengymnasium durch ein Stipendium scheiterte, besuchte Petrow zunächst das Bulgarische Progymnasium in Bitola, die bulgarische Schule in Prilep und das 1880 in Thessaloniki gegründete Bulgarische Männergymnasium. Als er die Leitung des Gymnasiums öffentlich in der Schulzeitung kritierte wurde er des Gymnasiums verwiesen. Petrow zog daraufhin in der ostrumelischen Hauptstadt Plowdiw um seine Ausbildung zu beenden. Im Plowdiw angekommen schloss er sich dem Bulgarischen geheimen revolutionären Zentralkomitee (kurz BGRZK, aus der die spätere IMORO hervorging) an, welche die Befreiung der bulgarischen Gebiete in ehemaligen Eyâlet Rumelien (Ostrumelien in Trakien und Westrumelien in Makedonien) als Ziel hatte (siehe Vereinigung Bulgariens mit Ostrumelien).
Im Juni 1885 schloss Gjortsche Petrow seine schulische Ausbindung am Plowdiwer Realgymnasium ab. Er kehrte ins osmanische Makedonien zurück und wurde daraufhin Lehrer für bulgarische Sprache und Geographie an der bulgarischen Schule in Skopje (1885–1888), an das bulgarische Progymnasium in Bitola (1888–1895), wo er auch den späteren Diplomaten Simeon Radew unterrichtete und am Männergymnasium von Thessaloniki (1895–1897).[2] Zu dieser Zeit wurden die Lehrer der bulgarischen Schulen im Osmanischen Reich von der bulgarischen Kirche erannant. Als Lehrer in Makedonien warb er unter der bulgarischen Bevölkerung vor Ort für die Unterstützung der IMORO und einen zukünftigen Aufstand.
1896 publizierte Petrow in Sofia den geographischen Aufsatz Lehrmaterialien für das Studium Makedoniens (aus dem Bulg. Материали по изучаванието на Македония). Die Publikation war ein großer Erfolg und er wurde vom bulgarischen Kriegsminister Ratscho Petrow für ein Kartographie-Studium mit Staatsstipendium in Westeuropa nominiert.[3] Petrow schlug das Stipendium aus und nahm noch im selben Jahr am Thessaloniki-Kongress der IMORO teil. Auf dem Kongress wurde er im Zentralkomitee der IMORO gewählt und neben Goze Deltschew zum Auslandsvertreter der IMORO in Bulgarien. Im nächsten Jahr, 1897 unternahm Petrow gemeinsam mit Boris Sarafow eine Reise nach Rumänien und Bessarabien um unter den bulgarischen Kaufleuten dort Finanzhilfen für die Organisation zu beschaffen.[3]
1898 besuchte Gjortsche Petrow dem Oberhaupt der bulgarischen Kirche Josef I. in der osmanischen Hauptstadt Istanbul um für eine bessere Zusammenarbeit zu werben. Zwischen 1898 und 1899 gab Petrow in Sofia, unterstützt von Christo Schaldew die Zeitung Buntownik (aus dem Bugl. Бунтовник) heraus.[3] Laut seine Erinnerungen hatte sie 11 Ausgaben.[4]
Während des Ilinden-Preobraschenie-Aufstandes, organisiert von der IMORO im Jahr 1903 war er Anführer (Wojwoda) einer größeren Einheit (Tscheta) der Aufständischen. Als der Aufstand scheiterte, kehrte Petrow nach Bulgarien zurück. Auf dem Rila-Kongress der IMORO von 1905, der erste nachdem gescheiterten Aufstand, vertrat er die Positionen des linken Flügels um Jane Sandanski, das als Oberste Ziel der IMORO die Gründung einer Balkanföderation anstatt der Vereinigung mit Bulgarien zur Verfolgen sei. Damit geriet er mit dem rechten Flügel der IMORO in Konflikt. Auf dem Kongress wurde er neben Petar Poparsow und Dimitar Stefanow zu einem Vertreter der Organisation in Bulgarien gewählt. Auf dieser Position musste er die Ermordung von Boris Sarafow, Iwan Garwanow und Michael Daew durch Todor Panica, laut dem 1906 gefassten Beschluss der Gruppe um Jane Sandanski, hinnehmen.[5] Im März 1908, auf dem Kjustendil-Kongress der IMORO wurde Petrow seiner Funktion enthoben.[6]
Nach der Revolution der Jungtürken im Juli 1908 kehrte Gjortsche Petrow nach Thessaloniki zurück wo er gemeinsam mit Anton Straschimirow die Zeitschrift Kulturele Einheit (aus dem Bulg. Културно единство) publizierte.[7]
In den Balkankriegen 1912/13 nahm Petrow als Freiwilliger des Fünftes Adrianopel Bataillon der Bulgarischen Makedonisch-Adrianopeler Landwehr teil.
Während des Ersten Weltkrieges war Petrow zunächst Vorsitzender der bulgarischen Kommission zur Verwaltung der Region Bitola[2] und später Bürgermeister von Drama. Nach dem Ende des Krieges war Petrow unter dem Ministerpräsidenten Aleksandar Stambolijski, Leiter der Flüchtlingskommission beim Bulgarischen Außenministerium (siehe Makedonische Bulgaren und Thrakische Bulgaren). In diesem Regierungsposten und als sich die Regierung Stambolijski für eine Annäherung mit dem Königreich Jugoslawien aussprach, geriert Petrow im Konflikt mit dem neuen, den rechten Flügel angehörenden, Vorsitzenden der IMORO Todor Aleksandrow.[8]
1921 fiel Gjortsche Petrow einem Mordanschlag des Zentralkomitees der IMORO zum Opfer.[8] Er wurde im Sofioter Zentralfriedhof beigesetzt.
1927 wurden die Erinnerungen von Gjortsche Petrow postum in Sofia durch Ljubomir Miletitsch herausgegeben.[9]
Wegen seiner Teilnahme am Ilinden-Preobraschenie-Aufstand wird er heute in Nordmazedonien als mazedonischer Revolutionär verehrt. Das er bulgarische Schulen besuchte und ein von der Bulgarischen Kirche ernannter Lehrer für Bulgarischer Sprache war, wird jedoch in Nordmazedonien verschwiegen.[10] Eine der Gemeinden der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje sowie ein zentraler Boulevard dort wurden nach ihm benannt.
Literatur
- Petrow, Gjortsche. In: Taschenlexikon Bulgarien, Bibliographisches Institut Leipzig 1983, Seite 140.
Einzelnachweise
- Wikipedia: Abschlusszeugtnis von Gjortsche Petrow aus dem Jahr 1885. In: commons.wikimedia. Abgerufen am 27. Februar 2021.
- Simeon Radew: Frühe Erinnerungen, Verlag Bulgarski pisatel, Sofia, 1967, S. 195, Onlineversion des Buches gibt es hier, Nachdruck Verlag Iztok-Zapad, Sofia, 2013 ISBN 978-6191523177: Zitat: Гьорче Петров ни беше преподавател по география, по български и по френски език...Той изтъкваше пред нас, и в тия моменти като че ли се разгорещяваше, неделимостта на Македония от българската цялост. В 1916 година го видях в Битоля. Той се радваше, както всички нас, които вярвахме тогава, че България е обединена. Гьорче Петров беше председател на Постоянната комисия в Битолския окръг
- Swetosar Eldarow: Тайните офицерски братства в освободителните борби на Македония и Одринско 1897-1912, Militärverlag, Sofia, 2002, S. 27–30
- Gjortsche Petrow: Erinnerungen
- Krum Blagow: Kapitell: 25. Die Ermordung der Auslandsvertreter der IMORO (aus dem Bulg. 25. Убийството на задграничните представители) in Die 50 größten Attentate in der bulgarischen Geschichte (aus dem Bulg. 50-те най-големи атентата в българската история), Verlag Reporter, Sofia, 2000, ISBN 954-8102-44-7; Die Ermordung der Auslandsvertreter der IMORO (bulg.) (Memento des Originals vom 4. Mai 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Kiril Parlitschew: Der Kjustendil-Kongress der IMORO 1908 (aus dem Bulg. Кюстендилският конгрес на ВМРО 1908 г.), Verlag ВЕДА-МЖ, 2001, ISBN 954-8090-02-3, S. 171–184
- Georgi Genow: Ägäis Makedonien 1908 – 1916 (aus dem Bulg. Беломорска Македония 1908 – 1916), Toronto, 2006, S. 44
- Wassil Wassilew: Die Regierung des Bauerndundes, IMORO und die bulgarisch-jugoslaschien Beziehungen (aus dem Bulg. Правителството на БЗНС, ВМРО и българо-югославските отношения), Sofia, 1991, S. 101–104
- Gjortsche Petrow, Ljubomir Miletitsch (Hrsg.): Erinnerungen (aus dem Bulg. Спомени), Sofia, Verlag/Druck П. Глушковъ, 1927
- Љубчо Георгиевски предложи пет точки за подобрување на односите со Бугарија. In: Nova Makedonija. 27. Februar 2021, abgerufen am 27. Februar 2021 (mazedonisch): „Македонската историографија да ги потполни важните биографски моменти на важни личности. На пример фактот дека Гоце, Даме, Ѓорче и стотици други биле учители на бугарската егзархија не е мала работа која ја криеме“