Gerhard Berkowitz
Gerhard Berkowitz (geboren 12. November 1901 in Königsberg (Preußen);[1] verschollen[2] um 1944 auf einem Transport vom Konzentrationslager Riga nach Tallinn) war ein deutscher Musiker, Pianist und Musikdozent. Er und nahezu sämtliche Mitglieder seiner jüdischen Familie wurden in den 1940er Jahren im Zuge des Holocaust durch die Nationalsozialisten getötet.[3]
Leben
Gerhard Berkowitz wurde in eine jüdische Familie hineingeboren. Er war Sohn eines im preußischen Königsberg tätigen Kaufmanns und dessen Ehefrau Esther, zu deren vier Kindern neben einer Tochter auch drei Söhne gehörten, darunter der spätere Röntgenfacharzt Harald Berkowitz (gestorben 1952) und der spätere Rechtsanwalt Horst Egon Berkowitz (1889–1983). Im Jahr 1902 übersiedelte die 6-köpfige Familie nach Hannover.[3]
Gerhard Berkowitz studierte zunächst das Fach Chemie in Kiel an der dortigen Universität sowie am Chemischen Institut der damaligen Technischen Universität der Stadt Hannover.[2]
Ab 1923 studierte er in Hannover Musik bei dem Pianisten Willy Craney, bei dem er sein Klavierspiel verfeinerte. Bei dem Komponisten Otto Leonhardt nahm er Unterricht in Musiktheorie und erlernte schließlich bei Hans Stieber das Dirigieren.[2]
In den Jahren 1924 und 1925 wirkte Berkowitz als Solorepetitor am Opernhaus Hannover. Ab 1926 unterrichtete er regelmäßig als Dozent an der Hannoverschen Opernschule.[2]
Gerhard Berkowitz heiratete die ebenfalls aus jüdischer Familie stammende Opernsängerin Else Steeg (1902–nach 1941).[3] Im Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 verlor er seine Anstellung als Korrepetitor am Opernhaus Hannover. Auch seine Ehefrau Else „musste ihre Karriere aufgeben.“[3]
Dem Ehepaar wurde am 1. Oktober 1937 die Tochter Birgit[3] oder Birgit Ruth geboren.[1]
In dem 1940 von dem nationalsozialistischen Musikwissenschaftler Theo Stengel verfassten, antisemitisch ausgerichteten Lexikon der Juden in der Musik wurde zunächst der Name Berkowitz gebrandmarkt. Kurz darauf wurde die Einweisung der jungen Familie mit Gerhards Mutter Esther in das zum „Judenhaus“ umfunktionierte Israelitische Krankenhaus in der Ellernstraße 14 angeordnet. Von dort aus wurde zunächst Mutter Esther im Sommer 1941 nach Theresienstadt deportiert; die Nachricht über ihren Tod traf schon im Dezember desselben Jahres ein. Gerhard Berkowitz’ Vater war „noch kurz vor der Verschleppung nach Theresienstadt“ gestorben.[3]
Am 15. Dezember 1941 holten „die Nazi-Schergen [...] die Familie Berkowitz“ und zahlreiche andere Menschen inklusive Kindern aus dem „Judenhaus“ in der Ellernstraße und brachten sie erst zur Sammelstelle Hannover-Ahlem. Von dort aus wurde die Familie nach Linden zum Bahnhof Fischerhof gebracht und mit dem von der Deutschen Reichsbahn durchgeführten ersten Transport in das Ghetto „Riga[3]-Skirotawa“ deportiert.[1] Im Ghetto konnte Gerhard Berkowitz gemeinsam mit seiner Ehefrau „noch einige öffentliche musikalische Veranstaltungen arrangieren“, bevor Elsa und Tochter Birgit nach Auschwitz verbracht und in den Gaskammern ermordet wurden.[3]
Nur Gerhard Berkowitz verblieb noch im KZ Riga;[3] er starb um 1944 kurze Zeit vor dem Eintreffen der Roten Armee während eines Transports nach Tallin;[1] sein Leichnam gilt als verschollen.[3]
Literatur
- Julia Berlit-Jackstien, Karljosef Kreter (Hrsg.): Abgeschoben in den Tod. Die Deportation von 1001 Hannoveranerinnen und Hannoveranern am 15. Dezember 1941 nach Riga (= Schriften zur Erinnerungskultur in Hannover, Bd. 1), Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 15. Dezember 2011 bis 27. Januar 2012 im Neuen Rathaus der Stadt Hannover. . Hannover 2011, ISBN 978-3-7752-6200-2.[1]
- Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2007, ISBN 978-3-10-039326-5 und ISBN 3-10-039326-0, S. 46[1]
Weblinks
Einzelnachweise
- o. V.: Berkowitz, Gerhard in der Datenbank Niedersächsische Personen (Neueingabe erforderlich) der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek in der Version vom 3. Juli 2013; zuletzt abgerufen am 2. Juni 2021
- Eva Weissweiler (Verf.), Lili Weissweiler (Mitarb.): Liste der Deportationsopfer, in dies.: Ausgemerzt! Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen, Köln: Dittrich, 1999, ISBN 978-3-920862-25-5 und ISBN 3-920862-25-2, S. 377ff.; hier: S. 388; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Heide Kramer: Zum Schicksal eines hannoverschen jüdischen Rechtsanwalts. Dr. Horst-Egon Berkowitz und seine Familie, Zeitzeugenberichte auf der Seite schoah.org in der Version vom Oktober 2013, zuletzt abgerufen am 2. Juni 2021