Georgenkirche (Berlin-Mitte)
Die Georgenkirche in der Georgenvorstadt im Berliner Ortsteil Mitte, eine evangelische Kirche, war das 1898 eingeweihte dritte Kirchengebäude an gleicher Stelle. Sie wurde, wie viele andere im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Gotteshäuser im Ostsektor Berlins nicht wieder aufgebaut, sondern 1949 gesprengt.[1] Der Kirchturm der Georgenkirche war mit 105 Metern Höhe nach der alten Kuppel des Berliner Doms (114 Meter) die größte Höhendominante im historischen Berlin.[2]
Baugeschichte
Erste Georgenkirche (vor 1780)
Im Jahr 1278 wurde – damals weit vor den Toren Berlins errichtet – ein Georgenhospital urkundlich erwähnt, in dem Arme und Kranke Hilfe fanden. Im Jahr 1331 wurde eine dazugehörige Kapelle genannt. Diese wurde Ende des 17. Jahrhunderts, nachdem die Einwohnerzahl der Umgebung auf 600–700 Familien angestiegen war, zur Kirche mit einem eigenen Prediger aufgewertet. 1779–1780 wurde das Kirchenschiff von August Gotthilf Naumann zu einer Saalkirche verbreitert und verlängert, wobei der alte Kirchturm stehen blieb.
Zweite Georgenkirche (1780)
Die Finanzierung eines Kirchenneubaus erfolgte durch eine umfangreiche Spendensammelaktion, an der sich viele Gemeindemitglieder, aber auch ganze Gewerke beteiligten. So ist überliefert, dass sich die Berliner Glaserinnung bereit erklärte, die Kirchenfenster zu stiften. Der Neubau der Georgenkirche wurde am 29. Oktober 1780 eingeweiht, wobei der Pfarrer die zahlreichen Spender in seiner Predigt besonders bedachte. Der Sage nach soll besonders den Glasern ein „himmlischer Dank“ versprochen worden sein. Dies solle sich bald bewahrheitet haben, als nach einem ungeheuren Unwetter über Berlin Tausende von Fensterscheiben zu Bruch gingen und die Glaser nun ein gutes Einkommen hatten.[3] Dieses Gotteshaus hatte nur wenig mehr als 100 Jahre Bestand.
Dritte Georgenkirche (1898)
Bereits 1894 wurde der Bau einer neuen Kirche beschlossen, der nach Plänen und unter Leitung des Architekten Johannes Otzen ausgeführt wurde. Otzen hatte schon die Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg (1888) und die Lutherkirche in Schöneberg (1894, seit 2002, „American Church“[4]) gebaut. Vollendet wurde der Bau 1898.[5] Reiche und farbenprächtige Glasmosaiken mit Ornamenten und Symbolen des Christentums sowie Darstellungen der zwölf Apostel, ausgeführt von der Firma Puhl & Wagner, bedeckten die Wände des fünfteiligen Chores.
Die Georgenkirche wurde im Zweiten Weltkrieg durch alliierte Luftangriffe schwer beschädigt, der Turm war jedoch nur wenig versehrt.[6] Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg plante die Sicherung der beschädigten Kirche, erhielt vom Ost-Berliner Magistrat jedoch keine Genehmigung. Klagen vor dem Landgericht und dem Kammergericht im Ostsektor von Berlin für eine einstweilige Verfügung gegen die Sprengung wurden abgelehnt.[7] So wurde der Turm der Georgenkirche am Sonntag, den 18. Juni 1949 gesprengt – 51 Jahre nach seiner Fertigstellung.
Der Georgenkirchplatz (der ehemalige Georgenfriedhof), auf dem die Georgenkirche stand, lag nordöstlich vom Alexanderplatz. Der Platz existiert nicht mehr, weil er der Neubebauung des Stadtzentrums weichen musste. An das ehemalige evangelische Gotteshaus erinnert lediglich die stark verkürzte Georgenkirchstraße, an deren Ende am Volkspark Friedrichshain die St.-Bartholomäus-Kirche und das Berliner Konsistorium der Berlin-Brandenburgischen Kirche stehen.
An diesem Platz befand sich die älteste Gemeindeschule Berlins, die die Städtische Armenkommission aus dem Erbe von Stanislaus Rücker übernommen hat und sie 1825 auf eine Zweiklassenschule erweiterte mit neu hinzukommendem Handarbeitsunterricht.[8] Sie muss mit den Zerstörungen am Ende des Krieges auch abgetragen worden sein.
- Altarraum, 1899
- Glasmosaik des Altarraums, 1898
- Zerstörtes Kirchengebäude, Mai 1945
Glocken der dritten Georgenkirche 1898
Das aus drei Glocken bestehende Gussstahlgeläut der Georgenkirche wurde vom Bochumer Verein geliefert und war mit der ersten bekannten elektrischen Läutanlage versehen.[9] Laut Inventarliste der Gießerei kostete das Ensemble aus Glocken mit Klöppel, Lager, Achsen und Läutehebel in der Herstellung 24.667,60 Mark.[10]
Größe | Schlagton | Gewicht (kg) | unterer Durchmesser (mm) | Höhe (mm) |
---|---|---|---|---|
größte | fo | 9553 | 2790 | 2430 |
mittlere | aso | 5618 | 2354 | 2055 |
kleinste | bo | 3265 | 1988 | 1750 |
Siehe auch
Literatur
- Arno Hach: Alt-Berlin im Spiegel seiner Kirchen. Berlin 1933.
- Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin e. V. (Hrsg.): Sakralbauten. (= Berlin und seine Bauten, Teil VI.) Ernst & Sohn, Berlin 1997, ISBN 3-433-01016-1, S. 94, 377.
- Christine Goetz, Matthias Hoffmann-Tauschwitz (Hrsg.): Kirchen – Berlin – Potsdam. Führer zu den Kirchen in Berlin und Potsdam. Berlin 2003.
Weblinks
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste: Fundamente und Bestattungen der Georgenkirche
- Architekturmuseum der TU Berlin: Grundrisse der St. Georgen-Kirche von August Gotthilf Naumann
- Die neue St. Georgenkirche in Berlin in: Deutsche Bauzeitung, 1898, Heft 13, S. 80/81 Abbildung von je zwei Originalzeichnungen des Architekten vom Inneren.
Einzelnachweise
- Liste auf kirchensprengung.de
- Höchste Bauwerke im Bereich von Groß-Berlin vor 1945 – Höhendominanten im Stadtbild
- Der Lohn der Glaser. In: Der Stralauer Fischzug. Sagen, Geschichten und Bräuche aus dem alten Berlin. Verlag Neues Leben Berlin 1987, ISBN 3-355-00326-3; S. 140.
- About the American Church in Berlin
- Evangelischer Kirchkreis Berlin Stadtmitte: St. Georgenkirche. Abgerufen am 5. Oktober 2019.
- Karte von Berlin 1:5000 (K5 - Farbausgabe): Georgenkirchstraße, sowie Gebäudeschäden 1945 Nordost vom Alexanderplatz, dazu Berlin um 1940: Standort St. Georgen-Kirche
- Meldung zur Sprengung des Kirchturms der Georgenkirche am Berliner Alexanderplatz. In: Junge Kirche. Band 11, Nr. 10/11, 10. Juli 1950, S. 397.
- Zum 75jährigen Bestehen der ältesten Berliner Gemeindeschule, in: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung, 26. September 1902.
- Schrey: Die elektrisch geläuteten Glocken der Georgenkirche in Berlin. In: Centralblatt der Bauverwaltung, 18. Jg. 1898, Nr. 8 (vom 19. Februar 1898, online als PDF-Dokument), S. 91 f.
- Zusammenstellung der nach Berlin und Umgegend gelieferten Geläute; Bochumer Verein, um 1900. Im Archiv der Köpenicker Kirche St. Josef, eingesehen am 6. August 2019.