George Galloway
George Galloway (* 16. August 1954 in Dundee) ist ein britischer Politiker. Er vertrat seit den Unterhauswahlen 2005 bis Mai 2010 die 2004 neu gegründete Partei Respect – The Unity Coalition im Unterhaus als Abgeordneter für den Wahlkreis „Bethnal Green & Bow“ im Osten Londons. Zuvor war er Mitglied der Labour Party gewesen und vertrat von 1987 bis 2005 die Wahlkreise Glasgow Hillhead (später Glasgow Kelvin). Im Oktober 2003 wurde Galloway nach 36 Jahren wegen parteischädigenden Verhaltens ausgeschlossen.
Galloway tritt regelmäßig für den iranischen und russischen Staatssender auf, was ihn 2014 zum Abgeordneten mit den dritthöchsten Nebeneinkünften machte. Seine Sendungen im englischsprachigen iranischen Staatsfernsehen wurden wegen Parteilichkeit durch die unabhängige britische Medienaufsicht beendet.
Leben
Galloway besuchte die „Harris Academy“ im schottischen Dundee und arbeitete nach seinem Schulabschluss in einem Gartenfachmarkt und in der Reifenproduktion bei Michelin. 1977 wurde er Organisator der Labour Party. Galloway wurde im März 1981 mit 26 Jahren einer der jüngsten Vorsitzenden in der Geschichte der schottischen Labour Party.
Im Oktober 2003 wurde Galloway nach 36 Jahren wegen parteischädigenden Verhaltens aus der Labour Party ausgeschlossen. Er hatte als Gegner einer britischen Beteiligung am Irakkrieg unter anderem britische Soldaten zur Befehlsverweigerung und arabische Armeen zum Kampf gegen das britische Militär aufgerufen.[1]
Am 5. Mai 2005 gewann er seinen Wahlkreis in Ost-London knapp (828 Stimmen Vorsprung) gegen Oona King (Labour), eine Unterstützerin von Tony Blairs Kriegsbeteiligungskurs, und hielt anschließend eine Rede, in der er Tony Blair vorwarf, er habe „das Blut von 100.000 Menschen an seinen Händen“.
Vom 5. Januar 2006 bis zu seiner „Abwahl“ am 25. Januar nahm Galloway an der Reality-TV-Sendung Celebrity Big Brother teil.
Bei der Unterhauswahl 2010 scheiterte Galloway in einem anderen Wahlkreis.[2] „Respect – The Unity Coalition“ verlor damit ihren einzigen Sitz im Unterhaus. Am 29. März 2012 gewann Galloway die Nachwahl im Wahlkreis Bradford-West mit deutlichem Vorsprung und kehrte damit zurück in das Parlament von Westminster.[3][4]
Am Nachmittag des 29. August 2014 wurde Galloway auf offener Straße von einem Mann attackiert. Dabei erlitt er einen Rippenbruch und Prellungen am Kopf und im Gesicht. Der mutmaßliche Angreifer wurde verhaftet.[5]
Press TV und Russia Today
Galloway betrieb zwei wöchentliche Talksendungen auf Press TV, dem englischsprachigen Staatssender der Islamischen Republik Iran. Wegen Verstoßes gegen den britischen Pressekodex wurde das Programm durch die unabhängige britische Medienaufsichtsbehörde nach mehreren Beschwerden, die eine Verbreitung iranischer Staatspropaganda und einseitige Hetze gegen Israel beanstandeten, eingestellt.[6]
Seit 2013 moderiert Galloway unter dem Titel Sputnik, Orbiting the world with George Galloway eine wöchentliche Sendung beim russischen Staatssender Russia Today. 2018 geriet auch diese Sendung im Rahmen einer insgesamt 11 Sendungen des Senders betreffenden Untersuchung wegen Parteilichkeit in den Fokus der Medienaufsicht.[7]
Durch seine vielen pro-iranischen und pro-russischen Fernsehauftritte erhielt Galloway 2014 die dritthöchsten Nebeneinkünfte aller britischen Parlamentsmitglieder, insgesamt deklarierte er 293.450 Pfund direkte Zahlungen sowie zusätzlich knapp 70.000 Pfund an Hotel- und Reisekosten. Von der Islamischen Republik Iran bezog er für seine Sendungen rund 79.000 Pfund (etwa 105.000 Euro), die Zahlungen von Russia Today beliefen sich von November 2013 bis Oktober 2014 auf 75.200 Pfund (etwa 100.000 Euro). Dazu kamen weitere rund 95.000 Euro vom arabischen Sender Al Mayadeen, der seit seiner Gründung 2012 die Sichtweise der islamistischen Terrororganisation Hisbollah, des Irans und des syrischen Diktators Baschar al-Assad vertritt.[8][9][10][11][12]
Kontroversen und politische Standpunkte
George Galloway ist in Teilen der britischen Linken umstritten. Während die Socialist Workers Party und bekannte Persönlichkeiten wie Ken Loach und der Gewerkschaftsführer Mark Serwottka mit Galloway eng zusammenarbeiten und Teil von RESPECT sind, distanzieren sich andere Vertreter der politischen Linken von ihm strikt. Die am häufigsten gegen Galloway erhobenen Vorwürfe sind:
- Galloway vernachlässige seine Arbeit im Parlament (geringe Anwesenheit, Nichtanwesenheit bei Abstimmung und Debatten über Antiterrorismusgesetze), Wahlkreis und Partei und setze sich stattdessen über gutbezahlte Veranstaltungsauftritte und in Sendungen wie Celebrity Big Brother medial in Szene und unterliege dabei keiner Kontrolle durch seine Partei. Die Parlamentsstatistik belegt diese Anschuldigung.
Galloway tritt dem entgegen, indem er seine hohe Zahl an Reden in der Öffentlichkeit anführt. Er gibt an, sein Auftritt in Celebrity Big Brother sei nur erfolgt, um normalerweise nicht erreichbare Wählergruppen zu erreichen. Allerdings wurden sämtliche politischen Äußerungen Galloways mit Vogelgezwitscher überblendet, wovon Galloway allerdings nichts wusste. Seine Abgeordnetendiät für diesen Zeitraum spendete er.
- Galloway weigere sich, wie in Teilen der britischen Linken üblich, den Teil der Abgeordnetendiäten, die über einen Facharbeiterlohn hinausgehen, an die Organisation oder wohltätige Projekte abzuführen.
- Galloway sei zwar ein entschiedener Kriegsgegner, beziehe aber in vielen anderen Fragen wie zu Abtreibung und Homosexualität keine progressiven Positionen und habe auch innerhalb der Labour Party bis zu seinem Ausschluss nicht zur Campaign Group, dem Zusammenschluss sozialistischer Abgeordneter und deren Unterstützer, gehört.
Galloway schloss sich allerdings Forderungen nach Gleichberechtigung Homosexueller an und unterstützte auch Gesetze in dieser Richtung, so zum Beispiel die Adoption von Kindern durch Schwule und Unverheiratete und die Angleichung des Schutzalters Homosexueller an das Heterosexueller.
- George Galloway habe in seiner Zeit als Generalsekretär bei der linken Wohltätigkeitsorganisation War on Want 1983–87 Misswirtschaft betrieben und sei für deren spätere Insolvenz mitverantwortlich.
Galloway trat zwar wegen Unregelmäßigkeiten von diesem Amt zurück, eine Prüfung durch die staatliche Charity Commission (Wohltätigkeitskommission) ergab jedoch nur kleinere Unregelmäßigkeiten, für die niemand spezielles verantwortlich gemacht werden könne. Es gebe keine Beweise, dass Gelder nicht satzungsgemäß verwendet worden seien.
- George Galloway habe versucht, die parteiinterne Krise der Scottish Socialist Party (SSP) im Herbst 2004 auszunutzen und die SSP zu spalten.
Galloway rief im Februar 2009 die ägyptische Bevölkerung zum Sturz des Tyrannen Mubarak auf.[13]
Galloway setzt sich in der Öffentlichkeit immer wieder für die Interessen der Muslime in Großbritannien ein. So gehörte er zu den vehementesten Kritikern der Channel 4-Fernsehreportage „Undercover Mosque“, für die im Januar 2007 in britischen Moscheen radikale Muslime mit versteckter Kamera gefilmt wurden, die Hass und Verachtung gegen „Ungläubige“ predigten. Den Autoren der Reportage warf er antimuslimische Parteilichkeit vor, weil sie nicht auch die „Hassverbreitung im Alten Testament“ und bei christlichen Fundamentalisten zum Thema gemacht hätten.[14]
Galloway kritisierte scharf die Feierlichkeiten zum Tode Margaret Thatchers und beklagte die 10 Millionen Pfund, die „für die Kanonisierung dieser bösartigen Frau“ ausgegeben worden seien, und nannte es „absurd“, Margaret Thatcher mit dem früheren Premier Winston Churchill zu vergleichen. Thatcher sei für die Deindustrialisierung des gesamten Nordens von Großbritannien und Süd-Wales verantwortlich und das einfache Wort ‘Thatcher’ würde bei Millionen Briten Hassgefühle provozieren.[15]
Galloway erklärte 2014 die Stadt Bradford zur „israelfreien“ Zone, was von dem Rabbiner Shneur Zalman Odze mit einem demonstrativen Besuch von Israelis und Briten mit israelischem Pass gekontert wurde, der über Facebook organisiert wurde.[16]
Galloway kandidierte bei der Bürgermeisterwahl für London 2016, erzielte aber nur ein Ergebnis von 1,4 % der abgegebenen Stimmen.[17]
Kurz vor dem Abschluss der Brexit-Verhandlungen von Premierminister Cameron mit seinen EU-Partnern im Februar 2016 stellte sich Galloway öffentlich auf die Seite der EU-Leavers und erklärte, beim kommenden Referendum entsprechend abstimmen zu wollen.[18]
Weblinks
- GeorgeGalloway.com Official George Galloway website (engl.)
- RESPECT-Website (engl.)
- Statement on the London bombings by George Galloway on behalf of Respect, Socialist Worker, 9 July 2005 | issue 1959 (engl.)
- Blog mit Bildern und Linksammlung zu Galloways Celebrity Big Brother-Auftritt & taz-Artikel dazu
- Irakkriegsgegner George Galloway vom Parlament ausgeschlossen WSWS-Artikel vom 3. August 2007
Einzelnachweise
- Matthew Tempest: Galloway expelled from Labour. In: theguardian.com. 20. Juni 2017, abgerufen am 1. Juni 2018 (englisch).
- Neues Deutschland, 5. Mai 2010
- http://www.stern.de/news2/aktuell/labour-abweichler-galloway-schafft-wiedereinzug-ins-parlament-1807102.html@1@2Vorlage:Toter+Link/www.stern.de (Seite+nicht+mehr+abrufbar,+Suche+in+Webarchiven) Datei:Pictogram+voting+info.svg Info:+Der+Link+wurde+automatisch+als+defekt+markiert.+Bitte+prüfe+den+Link+gemäß+Anleitung+und+entferne+dann+diesen+Hinweis.+
- Galloway’s victory is the last thing Britain needs, Daily Mail, 1. April 2012
- Kevin Rawlinson: Man charged over George Galloway assault. The Guardian, 30. August 2014, abgerufen am 2. September 2014 (englisch).
- Mark Sweney: George Galloway rapped by Ofcom over impartial Press TV chatshows. In: theguardian.com. 8. Mai 2017, abgerufen am 16. Juni 2018 (englisch).
- Ofcom widens inquiry into Russia-backed RT. In: news.sky.com. 27. Mai 2018, abgerufen am 16. Juni 2018 (englisch).
- Andy McSmith's Diary: Gordon Brown and George Galloway earn more than Tory barristers, The Independent, 4. Februar 2015
- George Galloway's outside earnings third highest of all MPs, The Telegraph And Argus, 24. Oktober 2014
- REGISTER OF MEMBERS’ FINANCIAL INTERESTS, House of Commons, 2. Februar 2015
- War of the remote controls: new Arabic TV channel challenges Al Jazeera, France24, 14. Juni 2012
- Al-Mayadeen: The last attempt to revive pro-Assad media (Memento des Originals vom 31. Dezember 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Asharq al-Awsat, 14. Juni 2012
- Cumali Önal: Konvoyla 12 bin km katedip Gazze'ye girdi. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Zaman Online. Zaman, 11. März 2009, S. 1, ehemals im Original; abgerufen am 11. März 2009 (türkisch). (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Vgl. „George Galloway clashes C4 over Undercover Mosque program“ (YouTube)
- Galloway anger at Thatcher funeral and cancelling PMQs. BBC News, 15. April 2013, abgerufen am 5. Juli 2013 (englisch).
- Bericht auf Israel-Netz und Video auf Youtube (Englisch)
- http://www.telegraph.co.uk/news/2016/05/06/london-mayoral-election-results-what-time-will-the-votes-be-coun/
- Jack Sommers: Nigel Farage Interviewed By George Galloway, Who Agreed With Him On Everything They Discussed. The Huffington Post UK, 13. Februar 2016, abgerufen am 22. Februar 2016 (englisch).