Georg Blumenthal (Schriftsteller)
Georg Blumenthal (eigentlich George Heinrich Blumenthal; * 29. Oktober 1872[1] in Hermsdorf, Kreis Heiligenbeil in Ostpreußen; † 27. Juni 1929 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller, Herausgeber mehrerer Zeitschriften, Mitbegründer der deutschen Physiokratischen Bewegung und Mitarbeiter Silvio Gesells.[2]
Leben
Georg Blumenthal war ostpreußischer Herkunft. Seine Jugend verbrachte er in Ostpreußen und in Berlin. Er erlernte den Tischlerberuf und arbeitete nach Abschluss seiner Lehre zunächst bei der Deutschen Reichspost. Nebenbei besuchte er Kurse des Arbeiterbildungsvereins.
Bereits als junger Handwerker hatte er sich in der linken Szene engagiert und sich als Flugschriftverteiler für anarchistische und unabhängige sozialistische Kreise betätigt. Durch den Arbeiterbildungsverein kam er darüber hinaus in Kontakt mit dem Gedankengut des freiheitlichen Sozialismus und der Bodenreformbewegung um Adolf Damaschke. Hier stieß er auch auf die Geldreformideen des deutsch-argentinischen Kaufmanns Silvio Gesell. Zu ihm entwickelte sich alsbald eine enge persönliche Beziehung.[3]
Anarchist, Physiokrat und Freiwirt
1906 verhalf ihm Gesell zur beruflichen Selbständigkeit als Kaufmann und Buchhändler. Gesells Bücher Verwirklichung des Rechts auf vollen Arbeitsertrag und Kannte Moses das Pulver? waren die ersten Schriften, die Blumenthal – mit allerdings nur mäßigem Erfolg – auf den deutschen Markt brachte.
Nebenher entfaltete Blumenthal eine umfangreiche Vortragstätigkeit. Die Gesell'schen Bodenrechts- und Geldreformen verband er hier mit den Ideen der Physiokraten François Quesnay und Henry George.[4]
Blumenthal versuchte zunächst, dieses Gedankengut in den Kreis der Berliner Individualanarchisten einzubringen, was eine Spaltung der Gruppe zur Folge hatte. Einen weiteren Versuch startete er mit einer Vortragsreihe bei den Berliner Anarcho-Syndikalisten. In beiden Fällen gewann er Anhänger für seine von Gesell beeinflussten physiokratischen Ideen.
1909 gründete Georg Blumenthal den Verein für physiokratische Politik. Seinen Sitz hatte dieser Verein in Berlin-Lichterfelde und in Hamburg. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten christliche Gewerkschafter, Bodenreformer sowie die bereits erwähnten Individualanarchisten und Anarchosyndikalisten. Silvio Gesell trat von Argentinien aus diesem Verein ebenfalls bei und überwies Blumenthal 200 Reichsmark, um mit diesem Startkapital einen eigenen Verlag aufzubauen.
Die Gründung des Physiokratischen Verlages erfolgte bereits 1910. Das erste Buch, das in diesem Verlag erschien, war die von Silvio Gesell verfasste Natürliche Wirtschaftsordnung, das grundlegende Werk der Freiwirtschaftsbewegung. Auch andere Werke Gesells wurden angeboten: Aktive Währungspolitik (Mitverfasser: Ernst Frankfurter) und Neue Lehre von Zins und Geld (1911). Im Mai 1912 erschien dann erstmals die Zeitschrift Der Physiokrat, durch die weitere Anhänger der Gesell'schen Lehre gewonnen wurden, darunter der Arzt und Mathematiker Theophil Christen.
Nachdem Silvio Gesell von Argentinien in die Obstbausiedlung Eden bei Oranienburg für zunächst knapp drei Jahre übergesiedelt war, wurde Blumenthal dessen engster Mitarbeiter.
1913 gründete Blumenthal die Physiokratische Vereinigung mit dem Ziel, proletarische Zielgruppen für die Gesellschen Reformideen zu gewinnen.
Kriegs- und Nachkriegszeit
Der Erste Weltkrieg brachte einen tiefen Einschnitt in die Verlagsarbeit Blumenthals. Die Zeitschrift Der Physiokrat erschien zwischen 1914 und 1916 nur fünfmal – und zwar in Form von sporadischen Notausgaben. 1916 musste ihr Erscheinen aufgrund der Kriegszensur ganz eingestellt werden. Georg Blumenthal wurde zum Militärdienst eingezogen.
Nach dem Krieg verfolgte Blumenthal von Berlin aus die Novemberrevolution und versuchte durch seine Schriften Einfluss zu nehmen. Dabei fällt ein Wechsel in der nun von ihm verwendeten Terminologie auf: Aus Physiokratie wird Freiwirtschaft und aus Reformgeld Freigeld. Die Bodenreformideen werden ab jetzt mit dem Stichwort Freiland umrissen.
1919 bereitete Blumenthal, während Silvio Gesell nach seiner siebentägigen Amtszeit als Finanzminister der ehemaligen Münchner Räterepublik in Untersuchungshaft saß, das Wiedererscheinen des Physiokraten vor. Er erschien mit dem Untertitel Sozialökonomisches Kampfblatt für das arbeitende Volk – gegen marxistische Ideen, Staatskapitalismus und Militärdiktatur. Eine weitere Zeitschrift Der Befreier erschien ab 1922, musste aber wegen finanzieller Schwierigkeit nach sieben Ausgaben ihr Erscheinen einstellen.
1924 zerfiel die von Blumenthal ins Leben gerufene Physiokratische Bewegung, die sich nach dem Krieg Fysiokratischer Kampfbund nannte. 1925 erschien Blumenthals letzte Schrift Individuum und Allgemeinheit, nachdem sich Blumenthal schon aus der aktiven Mitarbeit der Freiwirtschaftsbewegung verabschiedet hatte.
Er verstarb 1929 an einer schweren Herzerkrankung. Seine Grabrede hielt Silvio Gesell.[5][6]
Werke
- Die Boden- und Geldreform als moderne Physiokratie, in: Der Volkserzieher, 11, 9, S. 70–72, 1907; online einsehbar bei den edocs der Universitätsbibliothek Frankfurt; eingesehen am 8. Januar 2016.
- Prinzipienerklärung der Physiokratie, 1912.
- Die Befreiung von der Geld- und Zinswirtschaft. Ein neuer Weg zur Überwindung des Kapitalismus (Synopsis der währungstheoretischen Studien Silvio Gesells), Erfurt 1917, Berlin 1919, Bern 1922.
- Sozialisierung des Geldwesens oder Absolute Währung?, Berlin-Lichterfelde, 1920.
- Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft. Ein neuer Weg zur Überwindung des Kapitalismus. (Synopsis der währungstheoretischen Studien Silvio Gesells), durchgesehene und erweiterte 5. Ausgabe, Erfurt 1922; Reproduktion der 1. Auflage, Berlin 1916, online einsehbar auf einer Userpage der Freien Universität Berlin (PDF; 536 kB); eingesehen am 25. Mai 2010.
- Was ist der volle Arbeitsertrag?, in: Kampf- und Aufklärungsschriften zur Überwindung des Kapitalismus, Berlin-Bern, o. J. [1924?].
- Individuum und Allgemeinheit, in: Kampf- und Aufklärungsschriften zur Überwindung des Kapitalismus Berlin – Bern 1925.
- Neue revolutionäre Taktik: 1. An die Arbeiter. 2. Die Streiktaktik. 3. Der Geldstreik. Stirn-Verlag, Hochheim bei Erfurt (tristan-abromeit.de [PDF] o. J. ca. 1929).
Literatur
- Silvio Gesell: Am Grabe Blumenthals (PDF-Datei; 16 kB), Trauerrede, veröffentlicht in der Zeitschrift DIE FREIWIRTSCHAFT, Juli 1929.
- Werner Schmid: Silvio Gesell – Die Lebensgeschichte eines Pioniers, Genossenschaft Verlag Freiwirtschaftlicher Schriften, Bern 1954, S. 86 ff.
- Maria Magdalena Rapp-Blumenthal: Erinnerungen an Silvio Gesell und Georg Blumenthal. INWO 1990. (PDF online)
- Günter Bartsch: Die NWO-Bewegung Silvio Gesells. Geschichtlicher Grundriß 1891 – 1992/93, Gauke Verlag Lütjenburg 1994, ISBN 3-87998-481-6, S. 22 ff.
- Günter Bartsch: Sozialisierung oder Personalisierung? – Versuch eines Porträts von Georg Blumenthal, herausgegeben von Blumenthals Enkel Anselm Rapp, München 1994. (PDF; 0,4 MB)
Siehe auch
- Wära (umlaufgesichertes Tauschmittel)
Weblinks
- Gedenkrede Silvio Gesells am Grabe Georg Blumenthals (2. Juli 1929) (PDF; 16 kB); eingesehen am 8. November 2011
Einzelnachweise
- Gelegentlich werden, auch in der Literatur, falsche Geburtsjahre genannt. Geburtsdatum und -ort sind in der Urkunde Nr. 714 seiner Eheschließung mit Jenny Führer am 22. August 1898 in Berlin standesamtlich bescheinigt. (Archivalienkopie des Landesarchivs Berlin aus P Rep. 523 Nr. 276 vom 10. August 2015.) Soweit zurückzuverfolgen, nannte George Heinrich Blumenthal sich und nannten andere ihn nur Georg Blumenthal.
- Kurzbiografie Blumenthals (Memento vom 14. Februar 2012 im Internet Archive); eingesehen am 1. Februar 2015.
- Günter Bartsch: Die NWO-Bewegung Silvio Gesells. Geschichtlicher Grundriss 1891 − 1992/93, Band 1 der Reihe Studien zur Natürlichen Wirtschaftsordnung, Lütjenburg 1994, ISBN 3-87998-481-6, S. 22 f.
- Günter Bartsch: Die NWO-Bewegung Silvio Gesells. Geschichtlicher Grundriß 1891–1992/93. Lütjenburg 1994. S. 23f
- Grabrede Gesells (PDF; 16 kB); eingesehen am 8. November 2011
- Bestattung auf dem Matthäifriedhof in Berlin-Schöneberg, Abteilung O, Reihe 8, Grab Nr. 27; heute 4. Städtischer Friedhof am Priesterweg, Grab wurde aufgelassen.