Gemeinsam Retten
Gemeinsam Retten e. V. ist ein deutscher Verein zur Rettung von Menschen im Mittelmeer. Er wird unter anderem von der Evangelischen Kirche in Deutschland unterstützt und ist an den beiden Rettungsbooten Sea-Watch 4 und Sea-Eye 4 beteiligt.
Gemeinsam Retten | |
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Rechtsform | eingetragener Verein |
Gründung | November 2019 |
Sitz | Hannover, Deutschland |
Schwerpunkt | Seenotrettung |
Vorsitz | Thies Gundlach (Vorsitzender) Michael Schwickart (2. Vorsitzender) |
Website | www.united4rescue.com |
Geschichte
Die Gründung im November 2019 geht auf eine Resolution[2] des Evangelischen Kirchentages vom Juni 2019 zurück. Dort hatten Kirchentagsbesucher die Entsendung eines Rettungsschiffes der Evangelischen Kirche ins Mittelmeer gefordert und etwa 40.000 Unterstützer mobilisiert. Die Evangelische Kirche beschloss daraufhin, sich neben anderen Nichtregierungsorganisationen mit einem eigenen Rettungsfahrzeug bei der Flucht und Migration über das Mittelmeer in die EU zu engagieren.[3][4][5]
Gemeinsam Retten e. V. ist der Trägerverein, der hinter der Initiative „United4Rescue – Gemeinsam Retten“ steht.[1][6]
Das geplante Rettungsschiff soll letztlich von der Organisation Sea-Watch ab 2020 eingesetzt werden. Der zweite Vorsitzende von Gemeinsam Retten ist entsprechend bei der Sea-Watch aktiv.[7]
United4Rescue
Unter dem Namen „United4Rescue“ wurden ab Dezember 2019 unterstützungswillige Gruppen mobilisiert.[8] Der überwiegende Teil davon sind kirchliche Organisationen,[9][10] aber auch Gruppen und Organisationen aus dem Bereich der Sozial- und Flüchtlingspolitik wie ProAsyl, Campact und mehrere Flüchtlingsräte.[11] „United4Rescue“ begann Anfang Dezember 2019 mit der Spendensammlung zum Ankauf und Umbau eines geeigneten Schiffes.[12] Bis Ende Dezember 2019 hatten sich so etwa 150 zivilgesellschaftliche Gruppierungen zur Unterstützung des Projektes bereiterklärt.[13][14]
Das Bündnis beteiligte sich über den Trägerverein am Bieterverfahren für das Schiff Poseidon aus dem Besitz des Landes Schleswig-Holstein.[15][16] Das Schiff wurde am 31. Januar 2020 ersteigert.[17]
United4Rescue betont in seiner Grundsatzerklärung, dass künftig zu rettende Personen ein Recht auf ein faires Asylverfahren hätten, das United4Rescue nur in Europa gewährleistet sehe.[18] Auch verteidigt sich die Organisation in ihrem Botschafter:innen Handbuch gegenüber Vorwürfen und erklärt, dass die private Seenotrettung kein „Pull-Faktor“ sei, der mehr Migranten aufs Mittelmeer locke. Verwiesen wurde dazu auf eine Studie des Migration Policy Centre und auf eine Einschätzung des Leiters der Internationalen Organisation für Migration im Mittelmeerraum Federico Soda von Anfang 2017.[19]
Ende 2020 wirkten der Verein an der Beschaffung eines weiteren Schiffs mit. Mit 434.000 Euro beteiligt man sich dabei am neuen Schiff des Vereins Sea-Eye.[20]
Rezeption
Günter Thomas, Theologe an der Ruhr-Universität Bochum, kritisierte, die Kirche würde mit der Initiative zuerst eine öffentliche moralisch-politische Machtprobe mit dem Staat suchen. Es gehe darum, Resonanz in der medialen Aufmerksamkeitsökonomie zu erzeugen und moralische Überlegenheit zur Schau zu stellen. Bezug nehmend auf die Hilfen für die Geretteten durch den Staat schrieb Thomas, die Aktion sei „ökonomisch unverschämt, da die mittelfristigen Folgen des kirchlichen Handelns ungefragt der Allgemeinheit aufgebürdet werden“.[21]
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank und Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando äußerten Unterstützung für die Forderung des Bündnisses, dass europäische Kommunen nach eigenem Ermessen zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen dürfen sollten, eine Entscheidung, die bisher nur von den nationalen Regierungen getroffen werden kann.[16][22]
Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, erhielt im Zusammenhang mit dem Engagement für Seenotrettung Morddrohungen.[23] Er verteidigte sich gegen Vorwürfe, das habe „nichts mit politischem Aktivismus zu tun, sondern mit dem Kern christlichen Glaubens und Handelns“.[24]
Ulrich Reitz schrieb beim Focus, dass die kirchliche Initiative in einer moralischen Grauzone sei. Er kommentierte im August 2020, dass sich die evangelische Kirche nicht um die Folgelasten ihrer Aktion kümmere. Weder um die Kosten, die sozialen Folgen, noch um die Integrationslasten, die auf die Rettungen folgten. Reitz sah einen Angriff auf Europas Regierungen durch die kirchliche Initiative und merkte an, dass die Regierungen sich immer darauf zurückziehen könnten, schließlich von den Wählern ein Mandat erhalten zu haben, keine weiteren Flüchtlinge aufzunehmen.[25]
Christiane Florin erklärte dagegen im Deutschlandfunk allein die Frage, ob geholfen werden soll, sei schon „schlicht unethisch“. Man solle nicht, man müsse retten.[26] Im evangelisch bayrischen Sonntagsblatt wurde zudem kommentiert, dass ein behaupteter Pulleffekt aufgrund der Seenotrettung, also dass sich mehr Menschen wegen des verringerten Risikos in Boote setzen würden, von Migrationsforschern zurückgewiesen würde. Die Verzweiflung der Menschen sei zu groß.[27]
Weblinks
Einzelnachweise
- „Über uns“ united4rescue.com
- Kirchentag: Rettungsschiff der Kirche für Flüchtlinge gefordert. In: evangelisch.de. 23. Juni 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Gründung des Aktionsbündnisses United4Rescue. In: EKD.de. Evangelische Kirche in Deutschland, 3. Dezember 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Reinhard Bingener: Synode in Dresden: Die EKD und die Frage nach der Seerettung. Hrsg.: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 10. November 2019, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 4. Januar 2020]).
- Reinhard Bingener: Seenotrettung im Mittelmeer: Evangelische Kirche will sich an weiterem Flüchtlingsschiff beteiligen. Hrsg.: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 12. September 2019, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 4. Januar 2020]).
- Doris Bimmer: Bedford-Strohm: Morddrohungen wegen Seenotrettungsplänen. In: Bayerischer Rundfunk. 4. Januar 2020, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Seenotrettung: Bündnis will ein zusätzliches Schiff schicken. In: idea.de. 3. Dezember 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Bündnis sammelt für neues Seenotrettungsschiff. In: NDR. 3. Dezember 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Martin Schlorke: Kirche gründet Bündnis zur Seenotrettung. In: www.pro-medienmagazin.de. 3. Dezember 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Kardinal Marx spendet 50.000 Euro für Seenotrettungsschiff. In: Der Tagesspiegel. 7. Januar 2019, abgerufen am 8. Januar 2020.
- „Alle Bündnispartner auf einen Blick“ united4rescue.com
- Die Welt (Hrsg.): Seenotrettung im Mittelmeer: Kirche startet Sammlung für neues Schiff. 4. Dezember 2019 (welt.de [abgerufen am 4. Januar 2020]).
- Große Unterstützung für Flüchtlingsschiff der Kirche. In: Süddeutsche Zeitung. 31. Dezember 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Die Welt (Hrsg.): United4Rescue: Kirche meldet große Unterstützung für eigenes Flüchtlingsschiff. 30. Dezember 2019 (welt.de [abgerufen am 4. Januar 2020]).
- Benjamin Lassiwe: Spendensammlung beginnt: Rheinische Kirche gibt 100.000 Euro für Seenotrettung. In: Rheinische Post. 3. Dezember 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Reinhard Bingener: EKD zur Seenotrettung: „Nicht nur reden, handeln“. Hrsg.: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 4. Dezember 2019, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 4. Januar 2020]).
- André Klohn und Matthias Hoenig : "Die „Poseidon“ wird zum Flüchtlingsschiff" welt.de vom 31. Januar 2020
- Reinhard Bingener:"„Nicht nur reden, handeln“". FAZ vom 4. Dezember 2019
- United for Rescue: "Botschafter:innen Handbuch" United for Rescue, 2020, abgerufen am 13. August 2020
- epd: "United4Rescue schickt noch ein Schiff" evangelische-zeitung.de vom 16. November 2020
- Soll man für das EKD-Rettungsschiff spenden? In: idea.de. 10. Dezember 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Peter Burghardt: Ein Schiff für die Menschlichkeit. In: Süddeutsche Zeitung. 3. Dezember 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Bedford-Strohm – Morddrohungen gegen EKD-Ratsvorsitzenden. In: Deutschlandfunk. 4. Januar 2020, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Morddrohungen gegen Bischof Bedford-Strohm nach Flüchtlingsschiff-Initiative. In: Augsburger Allgemeine. 4. Januar 2020, abgerufen am 4. Januar 2020.
- Ulrich Reitz: "Mit ihrem "Sea Watch"-Einsatz greift die Kirche Europas Regierungen an" focus.de vom 17. August 2020
- Christiane Florin: Genug Raum für Seelenheil und Seenotrettung. In: deutschlandfunk.de. 6. August 2020, abgerufen am 17. August 2020.
- Renate Haller: "Die 'Sea-Watch 4' kann die Zahl der Toten im Mittelmeer verringern – und das ist eine ganze Menge". In: sontagsblatt.de. 12. August 2020, abgerufen am 17. August 2020.